Das Recht der Wahl

Floyd Mayweather jr. peilt gegen Andre Berto seinen 49. Sieg an
© getty

Mit dem Rekord von Rocky Marciano vor Augen steigt Floyd Mayweather jr. in der Nacht von Samstag auf Sonntag um die Weltergewicht-Titel der WBC und WBA in Las Vegas gegen seinen Landsmann Andre Berto in den Ring. Die Wahl des Gegners überrascht und sorgt für jede Menge Kritik. Dabei macht der ungeschlagene Weltmeister bei seinem vielleicht letzten Kampf lediglich von einem hart erarbeiteten Privileg Gebrauch.

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Als Ringrichter Kenny Bayless am zweiten 2. Mai im MGM Grand die Hand von Floyd Mayweather jr. nach dessen Sieg über Erzrivalen Manny Pacquiao in die Höhe riss, erfüllte die Halle ein Gemisch aus Anerkennung und Enttäuschung. Dabei hatte Mayweather zuvor nach zwölf Runden scheinbar endlich den Schatten, der seit Jahren über seiner Karriere lag, beseitigt. Doch statt sich rein zu waschen, blieb im Moment seines größten Triumphes ein Teil davon noch immer an ihm haften.

Keine Frage, die Statistiken des inzwischen 38-Jährigen sind ohne Zweifel einzigartig. Insgesamt 375 Runden verbrachte Mayweather im Seilgeviert, 48 Siege bei keiner einzigen Niederlage sowie 25 Titelkämpfe in knapp 18 Jahren stehen zu Buche. Zum Teil stand er gegen künftige Hall of Famer im Ring, zum Teil gegen krasse Außenseiter. Sie alle teilten ein Schicksal. Zu Boden ging er nie, gezeichnet war er selten und seine defensiven Fähigkeiten sind unerreicht. Der Mythos kommt nicht von ungefähr.

Zur Einstellung des Rekordes von Legende Rocky Marciano, der sich mit seiner Art zu Boxen die ewige Verehrung der Fans sicherte, fehlt deshalb lediglich noch ein einziger Sieg. Marciano bewegt sich in einer Sphäre, die Mayweather mit seinem nächsten Kampf auf dem Papier erreichen kann. In der Wahrnehmung der Fans fehlt ihm jedoch ein Stück zum Schwergewichtler aus Massachusetts. Und das, obwohl er im Hinblick auf die boxerischen Fähigkeiten Marciano längst weit enteilt ist.

Der Pacquiao-Makel

Der Wert von Zeit wird häufig unterschätzt. So manches kann im Laufe eines Lebens ausgebessert werden, einige Möglichkeiten jedoch verstreichen, sind unwiederbringlich verloren - egal, wie groß die Anstrengungen auch sein mögen. Es handelt sich um einen Umstand, den auch Mayweather erfahren musste. Dass das Duell gegen Pacquiao dem Hype als "Kampf des Jahrhunderts" nicht gerecht werden konnte, war so nebensächlich wie die Verletzung des Mannes von den Philippinen.

Im Zentrum der Kritik stand stets der Zeitpunkt. Mayweather sei zu oft ausgewichen, so die weitläufige Meinung. Er, dem das Alter aufgrund seiner Art zu Boxen kaum etwas anzuhaben scheint, habe den Moment des eigenen Vorteils abgewartet und Pacquiao nicht auf dem Höhepunkt dessen Schaffens geboxt. Ein Makel, der dem Weltmeister anhaftet, den er niemals ablegen können wird und der zudem die kalkulierende Art des Geschäftsmannes Mayweather unterstreicht, die ihn neben privaten Verfehlungen zum idealen Bösewicht werden lässt.

"Mein Job war es, da raus zu gehen und wie ein Schachspieler zu denken. Und genau das habe ich getan", konterte der US-Amerikaner, dessen Stil den Fans das Mitfiebern schwer macht, trocken. Letztlich habe er schließlich "einen Weg gefunden, zu gewinnen" und dies sei "alles was zähle", so der 38-Jährige weiter. Eine Aussage, die jeder noch so genauen Prüfung standhält.

Auch die Tatsache, dass nach Pacquiao ein Gegner folgen würde, der in Sachen Wahrnehmung kaum an den 36-Jährigen heranreichen würde, war bereits im Vorfeld ersichtlich. Dennoch sorgte Mayweather mit der Wahl Andre Bertos für eine der größten Überraschungen der letzten Jahre - und gleichzeitig für jede Menge Unverständnis in der Box-Welt.

Spiel auf Sicherheit?

"Ich bin bereit, meine Handschuhe an den Nagel zu hängen und die Zeit mit meinen Kindern zu verbringen", unterstrich er gegenüber Showtime: "Viele Kämpfer können diese Entscheidung nicht selbst treffen. Der Boxsport trifft jene für sie." Besonders der Hintergrund, dass der Kampf in die Geschichtsbücher eingehen und sein Vermächtnis eventuell abrunden wird, ließ die Kritik wachsen. Ein Abgang, der dem Schaffen Mayweathers gerecht werden solle, habe definitiv anders auszusehen, hallte es nach der Verkündung seines Gegners durch die Medien.

Zwar war ein Catchweight-Kampf gegen Mittelgewichtler Gennady Golovkin trotz etwaiger Spekulationen nie ein Thema, dennoch hielt auch das Weltlergewicht interessante Optionen parat. Mit Keith Thurman, Kell Brook, Shawn Porter oder den von den Fans favorisierten und gleich mehrfach übergangenen Amir Khan stand eine Fülle von Namen im Raum. Vor allem Khan witterte endlich seine Chance. Doch Mayweather entschied anders. Während er für die Konkurrenz eine Tür endgültig geschlossen haben könnte, öffnete er Berto ein Fenster.

Der Landsmann Mayweathers, dem einst große Anlagen bescheinigt wurden und der Gürtel der WBC und IBF im Weltergewicht hielt, lässt jedoch die berechtigte Frage aufkommen, warum ausgerechnet er die Möglichkeit auf einen Titelkampf verdient hat. Drei seiner letzten sechs Duelle musste Berto abgeben, im Jahr 2012 wurde ihm die Einnahme von leistungssteigernden Substanzen nachgewiesen und 2013 folgte eine Schulteroperation, die die Fortsetzung seiner Karriere bedrohte. Eine Bewerbung mit Nachdruck sieht anders aus.

Dennoch ist Mayweather von seiner Wahl überzeugt. "Der Unterschied zwischen Berto und Pacquiao ist lediglich, dass die Medien einen von beiden über alle Maßen gehyped haben. Den anderen nicht", so der Weltmeister. Angesprochen auf Khan, der nach Siegen über Devon Alexander und Chris Algieri, mehr als bereit schien, hatte er ein paar wenige Worte übrig: "Wie viele Titel hat Khan bisher gewonnen? Zwei. Berto hat ebenfalls zwei." Ein Vergleich, der angesichts der aktuellen Verfassung bestenfalls mit einem Schmunzeln hinzunehmen ist.

Seite 1: Der Pacquiao-Makel, Sicherheit als Maxime und King Khan

Seite 2: Eine Farce, Potential zum Schocker und Mayweathers eigene Welt

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