EuroBasket 2022 - Das DBB-Team in der Kaderanalyse: Die größte Stärke wird gehandicapt

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Das DBB-Team in der Analyse: Die Bigs

Auf keiner Positionsgruppe ist das deutsche Team so tief und prominent besetzt wie bei den Bigs. Das DBB-Team hat hier zwei legitime EuroLeague-Stars in Tibor Pleiß und Johannes Voigtmann zur Verfügung, zwei gestandene NBA-Veteranen in Maxi Kleber und Daniel Theis, zwei aufstrebende NBA-Bigs in Isaiah Hartenstein und Moritz Wagner - selbst wenn viele der Genannten im Team eher Rollenspieler sind, könnte das qualitativ mit der beste Frontcourt im Turnier sein. Eigentlich.

Denn, das ist mittlerweile wohl allen bekannt: Es sind eben nicht alle dabei, im Gegenteil. Kleber, Pleiß und Hartenstein hatten schon frühzeitig abgesagt, in der Vorbereitung gesellte sich Wagner hinzu, und auch bei Theis war es bis zum letzten Moment offen. Herbert hat dennoch demonstriert, dass er gerne mit zwei Bigs spielen lässt, entsprechend wichtig werden die "übrigen" großen Spieler trotz allem sein.

Gerade offensiv ist Johannes Voigtmann an erster Stelle zu nennen. Der 29-Jährige kam zwar mit wenig Spielpraxis zum Team, weil er seinen Verein ZSKA Moskau aufgrund des Angriffs auf die Ukraine im Februar aus Protest verließ (wie und wo es für ihn weitergeht, ist noch unklar), ist in der deutschen Mannschaft aber längst etabliert und zeigte dies auch in der Vorbereitung.

Voigtmann bringt als Big Man jede Menge Guard-Skills ein. Vor allem ist er ein herausragender Passer, der die Offense mit initiieren, aber auch als Katalysator fungieren kann. Er hat zudem einen sehr guten Wurf auch aus der Distanz, ein weiches Händchen in Korbnähe und vereinfacht gesagt ein überragendes Gefühl für das Spiel.

Er kann als einziger Big fungieren, oder auch, wie häufiger unter Herbert, neben einem physischeren Big, der vermehrt in Korbnähe aktiv ist. Voigtmann agiert gerne und häufig auf dem Flügel, wo er seine Passfähigkeiten wohl am besten zur Geltung bringen kann.

Deutschland und die Großen: Wie sehr hängt Herbert an Twin-Towers?

Wenn er wieder fit ist, dürfte Daniel Theis häufig dieser Spieler sein. Der Neu-Pacer ist Deutschlands bester Rim-Runner und seit Jahren ein eingespielter Pick'n'Roll-Partner von Schröder, selbst wenn dieses Play bei der WM 2019 etwas zu oft genutzt wurde. Theis ist zudem, obwohl er für einen Center etwas klein ist, der beste Ringbeschützer im Kader.

In der Vorbereitung wiederum war oft Jonas Wohlfarth-Bottermann der Starting Center neben Power Forward Voigtmann. Das hätte vor wenigen Monaten noch niemand erwartet, auch der 32-Jährige selbst wohl nicht, aber WoBo hat sich im Zuge der Quali-Fenster offenbar in Herberts Gunst gespielt.

Er ist ein starker Rebounder und beschränkt sich offensiv auf das, was er kann - Blöcke stellen, Anspiele am Korb verwerten, um Offensiv-Rebounds kämpfen. Defensiv soll er den Ring beschützen, gerade im Pick'n'Roll ist er aufgrund seiner eingeschränkten Mobilität aber angreifbar. Es bleibt abzuwarten, wie groß seine Rolle bei der EM sein wird und kann.

Als dynamischere Option steht noch Johannes Thiemann bereit. In der Vorbereitung gefiel der Alba-Spieler gerade in den Minuten neben Voigtmann. Er hat mittlerweile ebenfalls einen soliden Wurf, ist aber vor allem in Korbnähe gut unterwegs und kann auch als Cutter fungieren. Defensiv ist er kein Shotblocker, aber mobiler und individuell schwerer zu attackieren als WoBo oder auch Voigtmann.

Das Fazit: "Hätte, wäre, wenn" ist überflüssig

Es hilft nicht, darüber zu lamentieren, was hätte sein können - es ist auch nicht nötig. Denn: So talentiert und stark besetzt war eine deutsche Mannschaft selten, vielleicht auch noch nie. Vor allem die Achse Schröder-Wagner-Voigtmann bringt ein enormes offensives Potenzial mit, selbst wenn das in der Vorbereitung noch nicht immer zu sehen war.

Vielleicht auch deshalb, weil Herbert mit seinen Lineups eher Rebounding und Defense priorisierte. Das ging zumeist durchaus auf, vielleicht wird es im Turnier aber häufiger nötig sein, die besten Spieler möglichst lange gemeinsam spielen zu lassen. Das würde in diesem Fall bedeuten, eher klein zu agieren und vor allem Wagner auf die Vier zu beordern.

Der Drive kann in einem Team mit Lô, Schröder und Wagner die größte Stärke sein - es wird nur eben komplizierter, wenn häufig zwei Bigs mit auf dem Court stehen, von denen abgesunken werden kann. In der Vorbereitung war dies jedoch fast immer der Fall und dadurch wurde die Offense streng genommen ein Stück weit gehandicapt. Es wird sich zeigen, wie sehr Herbert wirklich daran hängt.

SPOX-Tipp: Diese Mannschaft hat Potenzial, trotz der personell schwierigen Vorbereitung. Selbst in der überragend besetzten Gruppe B sollte es für mindestens Platz vier und damit die K.o.-Runde in Berlin reichen.