"NBA hat mich nie wirklich interessiert"

Der Serbe Sasa Obradovic ist seit 2012 Cheftrainer von Alba Berlin
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Die Playoffs in der BBL stehen an und Alba Berlin mischt trotz eines großen Umbruchs wieder vorne mit. Im Interview mit SPOX erklärt Albas Coach Sasa Obradovic die Kunst, eine neue Mannschaft aufzubauen. Außerdem spricht der Serbe über die erfolgreichen 90er-Jahre, eigene NBA-Angebote und sein Verhältnis zu den Bayern-Verantwortlichen Svetislav und Marko Pesic.

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SPOX: Herr Obradovic, Sie waren 1997 Point Guard des Alba-Teams, das die erste Meisterschaft nach Berlin geholt hat. Erinnert Sie Ihre jetzige Mannschaft ein wenig an das Team von damals?

Sasa Obradovic: Damals spielten wir in der Max-Schmeling-Halle, die viel kleiner war als die O2 World. Es nahm alles erst seinen Anfang. Wir mussten uns entwickeln. Es hat drei Jahre gedauert, bis diese Entwicklung abgeschlossen war. Von daher erinnert es mich schon ein bisschen an die Zeit, aber es hat sich so viel getan. Alba hat danach so viele Titel gewonnen, die Erwartungshaltung ist eine andere. In den vergangenen Jahren hatten wir nicht immer die Waffen, um einen Titel-Run zu starten. Aber selbst im letzten Jahr hatten wir bereits eine gute Basis, um wieder anzugreifen. Die Rollen haben sich aber insgesamt ein wenig verschoben. Jetzt gibt es Bayern und Bamberg, die oben mitmischen und hohe Budgets zur Verfügung haben. Aber wir haben eine feste Basis, die die Grundlage für eine starke Entwicklung in der Zukunft ist.

SPOX: Lassen Sie uns noch einmal über das 97er-Team sprechen mit Wendell Alexis, Henrik Rödl, Stipo Papic... Was war so besonders an dieser Truppe?

Obradovic: Das ist ganz einfach. Wir waren einfach das beste Team. Keine andere Mannschaft hatte so viel Qualität. Wir haben in der ganzen Saison nur zwei Spiele verloren und hatten so ziemlich alle deutschen Nationalspieler im Team. Ich war damals schon Europameister und hatte Silber bei den Olympischen Spielen gewonnen. Das ist mit heute nicht mehr zu vergleichen. Es war einfach eine gute Gruppe.

SPOX: Es war der Anfang einer Ära in Berlin mit sieben Meisterschaften in Folge. Sie haben den Klub allerdings nach dem ersten Titel wieder verlassen. Bereuen Sie das im Nachhinein?

Obradovic: Ich glaube, dass es damals gut für mich war, etwas anderes zu machen. Ich bin dann nach Rom gewechselt und es war eine der schönsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. Rom ist eine großartige Stadt. Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Ich hatte damals nicht das Gefühl, dass meine Karriere die falsche Richtung genommen hat. Aber es gab schon Momente, in denen ich sehr gerne zurückgekommen wäre.

SPOX: Ihr Nachfolger damals war Vasily Karasev. Sie gehörten beide zu den besten Point Guards in Europa, haben aber nie in der NBA gespielt. Warum eigentlich nicht?

Obradovic: Vielleicht kam meine Entwicklung zu spät. Ich habe erst mit 22, 23 so richtig den Durchbruch geschafft. Und damals war es für Europäer noch nicht so leicht, in die NBA zu kommen. Es gab zwar Interesse von einigen NBA-Klubs, aber das war nie richtig konkret. Außerdem war es auch nicht mein Ding, dort rüberzugehen und vielleicht für das NBA-Minimum zu spielen, ohne zu wissen, ob man sich dort letztendlich durchsetzen kann. Daher habe ich mir irgendwann gesagt, dass es besser ist, in Europa zu bleiben und hier auf einem guten Level zu spielen.

SPOX: Von welchen NBA-Teams gab es damals Interesse?

Obradovic: Das kann ich gar nicht mehr sagen. Wie gesagt, es war nie so richtig konkret. Es gab immer mal wieder Gerüchte. Aber ich glaube, es war mehr Gerede von den Beratern. Mich hat das nie wirklich interessiert. Wenn ich mir anschaue, wer da damals gespielt hat, glaube ich schon, dass ich es dort hätte schaffen können. Mit meiner Größe und meiner Physis hätte ich schon etwas beitragen können. Ich bin aber nicht böse, dass es nichts geworden ist.

SPOX: Bis heute ist es so, dass viele europäische Stars nicht so den großen Einfluss in der NBA haben. Das letzte Beispiel ist Luigi Datome, der als italienischer MVP nach Detroit ging, aber dort keine Rolle spielt. Woran liegt das?

Obradovic: Ich muss da widersprechen. Es gibt genug Gegenbeispiele von Europäern, die sehr wohl Einfluss haben. Einzig bei Sergio Rodriguez hat es mich gewundert, dass er es nicht gepackt hat. Aber Jose Calderon oder Ricky Rubio beweisen schon das Gegenteil. Richtig ins Detail gehen kann ich aber nicht, weil ich dafür einfach zu wenig NBA schaue. Ich konzentriere mich auf den europäischen Basketball. In den Playoffs schaue ich dann aber auch mal NBA.

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SPOX: Sie spielen am 8. Oktober im Rahmen der NBA Global Games gegen die San Antonio Spurs. Sind die Spurs mit ihrer europäischen Spielweise das Team, das sie sich am liebsten anschauen?

Obradovic: Ja, auf jeden Fall. Zu Coach Gregg Popovich gibt es eine sehr gute Verbindung. Er hat aufgrund seiner Vorfahren einen guten Draht zu den serbischen Trainern. Man sieht das schon an seiner Philosophie. Er mag gerne europäische Spieler, weil sie das Spiel verstehen. Von daher interessieren mich die Spurs schon. Dort sind immer alle Spieler involviert und es gibt keine One-Man-Show. Das konnte vielleicht Michael Jordan, aber es gibt nicht viele, die das sonst können. Viele glauben aber, dass sie es können.

SPOX: In einem früheren Interview berichteten Sie von einer Coaching-Methode, die Sie von einem Coach der Dallas Mavericks übernommen haben. Wenn ein Spieler im Training keine zwei Freiwürfe in Serie verwandelte, musste er einmal den Platz hoch- und runterlaufen.

Obradovic: Ja, das habe ich von einem Mentaltrainer übernommen. Wir haben uns damals kurz unterhalten und ich fand es interessant. Ich mache das gerne mal. Man kann da immer mal etwas Neues mitnehmen. Ich habe mir auch viele Clinics vom damaligen Mavs-Assistant-Coach Jim O'Brien angeschaut. Es ist immer eine Freude, solche Leute zu treffen.

SPOX: Sie sagten bereits, dass Sie das Coaching von Popovich mögen. Wie sieht es mit Erik Spoelstra aus? Der Heat-Coach wird ja gerne unterschätzt.

Obradovic: Ich bewundere immer die Leute, die es schaffen, ihr Team wirklich zu führen - gerade in seinem Alter. Er scheint einen guten Draht zu den Spielern zu haben. Und das braucht man, um Erfolg zu haben. Ich halte nicht viel von den Geschichten, dass allein die Spieler für den Erfolg verantwortlich sind. Es ist immer gut, starke Spieler zu haben, aber es geht nicht ohne eine Taktik und eine gute Vorbereitung. Am Ende gewinnt man immer als Gruppe. Ich war mal in Orlando bei einem Training Camp und habe mich mit meinem alten kroatischen Freund Ivica Dukan unterhalten, der Special Assistant von Chicagos General Manager Gar Forman ist. Ich habe ihn gefragt, warum sie so viele Assistant Coaches haben. Er sagte: "Einer ist für die Defense, einer für die Offense usw." Was macht dann eigentlich noch der Head Coach? Ich bin der Meinung, dass der Head Coach nicht zu sehr außen vor sein sollte, er muss Teil der Gruppe sein. Ich habe daher sehr großen Respekt vor seiner Arbeit dort.

Seite 1: Obradovic über eigene NBA-Angebote und die Spurs

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