Real Madrid: Kylian Mbappé im Vergleich mit Vinicius Júnior - brauchen ihn die Königlichen überhaupt?

Von Justin Kraft
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Real Madrid und Kylian Mbappé flirten bereits seit Jahren miteinander. Mit Carlo Ancelotti äußerte sich der Trainer der Königlichen jüngst eher abwehrend - doch der Abschied des Superstars von PSG scheint endgültig festzustehen. Wie gut würde der Weltmeister von 2018 tatsächlich zu Madrid passen?

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"Sie fragen mich ständig nach einem Spieler, der für eine andere Mannschaft spielt", erklärte Carlo Ancelotti jüngst nach dem 4:0-Sieg über den FC Girona. Der im Umgang sonst so elegant und locker wirkende Italiener hatte dabei einen fast schon genervten Unterton.

Kein Wunder, begleitet ein möglicher Wechsel von Kylian Mbappé die Königlichen bereits seit Jahren. Nachdem dieser nun seinen Klub PSG über seinen Abschied im Sommer informiert haben soll, dürfte der Geräuschpegel eher noch lauter werden.

Doch Ancelotti ließ auch mit seinen weiteren Aussagen aufhorchen: "Wir haben bereits die besten Spieler der Welt hier", erklärte der 64-Jährige: "In dieser Reihenfolge: Vini Jr. an erster Stelle, Bellingham an zweiter, Rodrygo an dritter. Dann Kroos, Valverde, Camavinga ..."

Sätze, die so klingen, als hätte man in Madrid gar kein so großes Interesse mehr an Mbappé. Zumal Vinicius Júnior gerade in Topform ist. "Wenn er auf diesem Niveau spielt", betonte Ancelotti, "ist er für mich der beste Spieler der Welt." Auch RB Leipzig stellte der Flügelspieler in der Champions League unlängst vor die eine oder andere Herausforderung.

Es ist nicht unüblich, dass Trainer sich ungern über Spieler anderer Vereine äußern. Gleichwohl ging Ancelotti hier noch einen Schritt weiter. Was wiederum zwei große Fragen aufwirft: Ist Vinicius Júnior wirklich so gut? Und, wenn ja: Brauchen die Königlichen Mbappé überhaupt?

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Kylian Mbappé und Vinicius Júnior im Vergleich: Gemeinsamkeiten

Vergleicht man die Spielertypen Mbappé und Vinicius Júnior miteinander, lassen sich viele Gemeinsamkeiten feststellen. Beide sind auf verschiedenen Positionen und in verschiedenen Rollen in der Offensive zu Hause, können je nach Bedarf das Spiel etwas breiter machen oder im Zentrum für entsprechende Tiefe sorgen.

Vinicius Júnior hat jahrelang auf der Flügelposition gespielt, wurde aufgrund eines fehlenden Mittelstürmers von Ancelotti in dieser Saison aber häufig in vorderster Front eingesetzt. Für einen zentralen Stürmer beteiligt er sich sehr aktiv am Spiel der Königlichen - ebenso wie Mbappé bei Paris Saint-Germain. Beide kommen laut dem Datenverteiler FBref pro 90 Minuten auf rund 50 Ballkontakte. Zum Vergleich: Mittelstürmer wie Harry Kane (31,1) oder Erling Haaland (20,8) sind deutlich seltener am Ball.

Das Duo bringt damit eine gewisse taktische Variabilität mit, die jedem Trainer hilft. Gegen Leipzig agierte Vinicius Júnior in der Champions League beispielsweise in einer hybriden Rolle: Mal tauchte er sehr weit außen am Flügel auf, mal zog er deutlich stärker auf die Stürmerposition.

Oberflächlich betrachtet verfügen beide Spieler über ähnliche Stärken: Sie sind schnell, athletisch und bewegen sich technisch auf absolutem Top-Level. Sowohl der Brasilianer als auch der Franzose gehen oft ins Dribbling, Vinicius Júnior mit 9,26 Versuchen pro 90 Minuten nochmal deutlich häufiger als Mbappé (5,17).

Dass sie jeweils stärker ins Spiel eingebunden sind als klassische Mittelstürmer, zeigt ein Wert ganz besonders. Mbappé hat pro 90 Minuten 4,16 Aktionen, die zu einem Abschluss seines Teams führen. Solche Aktionen können klassische Zuspiele, ein Dribbling, ein Foulspiel des Gegners, eine Defensivaktion oder ein Schuss sein, der zu einem weiteren Abschluss führt. Vinicius Júnior kommt hier mit 4,29 Aktionen pro 90 Minuten sogar nochmal auf einen höheren Wert. Stürmer wie Kane (2,71) oder Haaland (2) sind in dieser Hinsicht deutlich weniger aktiv.

Die beiden Profis von Real Madrid und PSG sind keine typischen Wandspieler, auch mit Flanken kommt man bei ihnen tendenziell eher nicht so weit. Dafür sind sie gut darin, die Schnittstellen des Gegners immer wieder mit schnellen Sprints klug zu attackieren und so Räume für sich oder Mitspieler zu öffnen.

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Kylian Mbappé und Vinicius Júnior im Vergleich: Unterschiede

Auch wenn sich ihr Spiel in einigen Aspekten ähnelt, gibt es jedoch auch klare Unterschiede. Ein ganz wesentlicher Punkt ist hier der Output in Form von Toren und Assists. Mbappé liefert hier auf einem sehr hohen Niveau seit Jahren konstant ab. Auch in dieser Saison kommt er mal wieder auf 1,35 Tore und Assists pro 90 Minuten, wobei vor allem die eigenen Treffer überwiegen (1,12 pro 90 Minuten).

Vinicius Júnior kommt seinerseits auf einen immer noch guten Wert von 0,91, bei 0,58 Toren und 0,33 Assists pro 90 Minuten. Ob er dieses Niveau in der Form halten kann, muss sich erst noch zeigen. Denn anders als Mbappé bringt er sich selbst nicht ganz so oft in vielversprechende Abschluss- oder Assistpositionen. Mit 0,45 Expected Goals und 0,2 Expected Assists pro 90 Minuten hat er immer noch hervorragende Werte bei der Qualität der eigenen und der von ihm aufgelegten Chancen. An Mbappé (0,98 xG und 0,21 xA) kommt er jedoch nicht heran.

Das zeigt sich letztendlich auch, wenn man sich die Verteilung seiner zwölf Tore und sieben Assists auf 21 Partien anschaut. In zehn davon, also fast der Hälfte aller Spiele, kam Vinicius Júnior auf keine Torbeteiligung. Im Champions-League-Achtelfinale gegen Leipzig tat sich der Brasilianer oft schwer. Im zweiten Durchgang hatte er jedoch zwei vielversprechende Aktionen, traf einmal den Pfosten und legte einmal mit etwas zu wenig Passschärfe quer.

Mbappé hatte in 29 Einsätzen nur neun ohne eigene Torbeteiligung, ist insgesamt also der Spieler, der in den entscheidenden Situationen etwas mehr Wucht und Präzision mitbringt. Insgesamt kommt er auf 30 Tore und sieben Assists. Der 25-Jährige ist ungefähr alle 68 Minuten direkt an einem Tor von PSG beteiligt, Vinicius Júnior alle 88 Minuten an einem von Real Madrid.

So ähnlich sich beide also in den Anlagen sind, so eindeutig gewinnt Mbappé das Duell, wenn es um den reinen Output geht. Hier macht ihm auf der Welt seit Jahren kaum jemand etwas vor.

Kylian Mbappé vs. Vinicius Júnior: Statistiken der Saison 2023/24

StatistikKylian MbappéVinicius Júnior
Pflichtspiele3022
Einsatzminuten2.5911.764
Tore3112
Vorlagen77
Gelbe Karten34
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Real Madrid: Was spricht für Kylian Mbappé?

Mbappé wäre auf vielen Ebenen ein Transfer mit ähnlichem Ausmaß wie einst Cristiano Ronaldo. Ein Transfer, der also wie gemacht ist für einen Klub, der sich selbst nicht nur als galaktisch inszeniert, sondern der im Weltfußball tatsächlich eine einmalige Stellung hat. Niemand anderes hat eine derartige Strahl- und Anziehungskraft.

Jemand wie Mbappé würde da optimal reinpassen. Es gibt wohl kaum jemanden, der daran zweifeln würde, dass er die Zahlen, die er aktuell für PSG liefert, auch in Spanien abliefern kann. Als Fixpunkt im Angriff, auf den sich das System zuspitzt, hätte er das Potenzial, in die Nähe des Ballon d'Ors zu kommen, der ihm noch fehlt.

Real Madrid fehlt trotz Vinicius Júnior ein Star in der Offensive, der diese Strahlkraft hat. Einer, der aus den Königlichen wieder Galaktische machen kann. Kommt Mbappé, wird sich vieles auf ihn fokussieren. Das kann für die Mitspieler auch eine befreiende Wirkung haben.

Es ist nun gewiss nicht so, dass Real Madrid keine Stars hätte. Gerade an diesen mangelt es ihnen so gar nicht. Doch unabhängig davon, wie man die bisherige Karriere von Mbappé bewerten mag: Als Spieler hat er eine einmalige Qualität und würde den schon prominent besetzten Kader noch einmal aufwerten.

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Ist Real Madrid ohne Kylian Mbappé besser dran?

Auf der anderen Seite steht die ganz große Frage: Will man wirklich wieder galaktisch werden? Die Ära der Galaktischen rund um Luis Figo, Zinédine Zidane, David Beckham oder auch Ronaldo brachte ihnen einen Champions-League-Titel ein. Die Erwartungen aber waren einst andere.

Viele Superstars bedeuten schließlich nicht automatisch Erfolg. Was Real Madrid in den 2010er Jahren und auch aktuell auszeichnet, ist der Zusammenhalt innerhalb des Teams. Die Chemie zwischen den Spielern und auch die Mischung zwischen jungen Talenten und erfahrenen Stars stimmt.

Das Gegenstück dazu ist seit Jahren Paris Saint-Germain - und Mbappé ist ein Sinnbild dafür. Geld, Macht, Privilegien - die Baustellen rund um den Angreifer sind riesig. Auch in Madrid würde er Ansprüche stellen und wahrscheinlich eine Sonderrolle einfordern. Ist er die bei allem fußballerischen Talent wirklich wert?

Es droht das Risiko, dass die herausragende Balance innerhalb des Teams zerstört würde, sollte es sich ein Mbappé herausnehmen, nicht konsequent zu verteidigen oder sich über Mitspieler zu stellen. Gerade letzteres ist ein Problem, das es in Paris verschiedenen Medienberichten zufolge schon gab.

Das Beispiel Cristiano Ronaldo hat gezeigt, dass das auch erfolgreich sein kann. Dass es möglich ist, solche Superstars zu integrieren, ohne die Balance innerhalb des Teams gänzlich zu verlieren. Letztendlich hat Carlo Ancelotti aber nicht Unrecht, wenn er darauf hinweist, wie gut die Offensive der Königlichen aktuell harmoniert und funktioniert. Vielleicht wäre es sogar die klügere Entscheidung, auf einen Spieler wie Erling Haaland zu warten, dessen Umfeld in der Vergangenheit oft angedeutet hat, dass Manchester City womöglich nicht seine letzte Station sein könnte. Was käme nach Pep Guardiolas Erfolgsmaschine noch? Eigentlich nur Real Madrid.

Mbappé mag den direkten Vergleich mit Vinicius Júnior recht klar für sich entscheiden. Aber reicht das, um einen Transfer dieser Größenordnung bei Betrachtung all seiner Laster zu rechtfertigen? Oder ist Real Madrid am Ende womöglich sogar besser dran, wenn man das Geld anderweitig investiert und dort weitermacht, wo man in den letzten Transferperioden angefangen hat: ein Team aufzubauen, das nicht abhängig von einem einzelnen Superstar ist.

Letztendlich wäre Mbappé ein sehr teures und pflegebedürftiges Upgrade zu Vinicius Júnior. In Madrid wird man abwägen müssen, ob die Größe des Upgrades all die Kosten, Mühen und Risiken wert ist.

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