"Messi hat es gemerkt und zurückgegrinst": Österreichs Kevin Danso im Interview über die EM, Ralf Rangick, Lionel Messi und Kylian Mbappé

danso
© getty

Kevin Danso entwickelte sich bei RC Lens zu einem der besten Innenverteidiger der Ligue 1 - jetzt spielt er mit Österreichs Nationalteam sein erstes großes Turnier. Im Interview erzählt der 25-Jährige von Wortduellen mit Kylian Mbappé, wundersamen Aktionen von Lionel Messi, Ralf Rangnicks Kopfkissen-Empfehlung und Martin Hintereggers Vorliebe für Hull City.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Danso verbrachte große Teile seiner Jugend in England, ehe er 2017 beim FC Augsburg den Sprung zum Profi schaffte. Nach Leihstationen zum FC Southampton und Fortuna Düsseldorf wechselte er 2021 für 5,5 Millionen Euro nach Lens. Mittlerweile wird Danso mit absoluten Top-Klubs wie dem FC Bayern in Verbindung gebracht und ist Stammkraft im ÖFB-Team.

Herr Danso, Sie haben in der Ligue 1 schon gegen Lionel Messi, Neymar und Kylian Mbappé verteidigt - drei der besten Fußballer unserer Zeit. Gegen wen war es am schwierigsten?

Danso: Gegen Mbappé, er ist für mich aktuell der beste Spieler der Welt. Bei Messi fand ich beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit er kleine Sachen macht, die man vorher nicht für möglich hält. Ich kann mich genau erinnern, wie er bei meinem ersten Spiel gegen ihn auf mich zugelaufen ist. Er hat sozusagen die Hüfte aufgemacht, als ob er das lange Eck anvisiert und dann innen an mir vorbeigeschossen. Der Tormann, ich, alle sind einfach nur stehen geblieben und konnten nicht fassen, wie das möglich war. Zum Glück ist der Schuss nur an den Pfosten gegangen. Es ist immer das Größte, gegen solche Spieler zu spielen.

Waren Sie denn ein bisschen ehrfürchtig?

Danso: Bei meinem ersten Spiel gegen Messi habe ich ihn einmal ein paar Sekunden lang angeschaut und mir gedacht: Das ist Messi! Ich stehe auf dem selben Platz wie Messi, dem besten Spieler aller Zeiten! Wahnsinn! Er hat gemerkt, dass ich ein bisschen starstruck war und zurückgegrinst. Im Spiel bleibt aber nicht viel Zeit für solche Gedanken. Gegen solche Stars muss man auf dem Platz aber auch kleine Battles suchen und gewinnen.

Zum Beispiel?

Danso: Mit allen erlaubten Mitteln. Mit Mbappé versuche ich während Spielen ein Gespräch anzufangen, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Einmal habe ich ihm den Ball abgenommen und ihm danach zugerufen: "Mein Arm ist einfach zu stark für dich, du kommst an mir nicht vorbei!" Er meinte: "Doch, doch!" Dann habe ich gesagt: "Okay, versuch's noch einmal!" Solche Situationen geben mir Selbstvertrauen.

danso-mabppe
© getty

Superstars wie Messi, Neymar oder Mbappé sind bekannt dafür, die Defensivarbeit gerne zu vernachlässigen. Ist das Aufbauspiel als Innenverteidiger dann einfacher?

Danso: Man hat zwar weniger Druck, muss aber im Aufbau noch konzentrierter sein als sonst. Wenn man den Ball verliert, sind Spieler mit solcher Klasse meistens in der perfekten Position, um dir wehzutun.

Auf Mbappé treffen Sie auch bei der EM, in der Todesgruppe geht es mit Österreich gegen Frankreich, die Niederlande und Polen. Was rechnen Sie sich aus?

Danso: Es ist zwar eine schwierige Gruppe, aber wenn wir unsere Qualität abrufen, kommen wir auf jeden Fall weiter. Ein Vorrundenaus wäre eine Enttäuschung.

Österreichs Nationalteam ist in überragender Form, zuletzt gelangen drei souveräne Testspielsiege gegen Deutschland, die Slowakei und die Türkei.

Danso: Ralf Rangnicks Philosophie passt perfekt zu uns. Als er 2022 gekommen ist, haben wir zwar direkt gut gespielt, aber nicht immer gewonnen - mittlerweile gewinnen wir auch. Wir spielen gegen jeden Gegner mutig, völlig egal wie gut er ist. Wenn ich von hinten sehe, wie aggressiv meine Mitspieler vorne draufgehen, denke ich nur: Boah, gegen uns würde ich nicht gerne spielen!

Was zeichnet Rangnick aus?

Danso: Der Trainer und sein Staff bereiten uns auf jedes Spiel perfekt vor. Auf dem Platz wissen wir genau, worauf es ankommt. Rangnick strebt in jeglicher Hinsicht nach Perfektion und denkt immer an alles. Er will zum Beispiel, dass wir unsere eigenen Kopfkissen zur EM mitnehmen, weil wir daran gewöhnt sind und dann besser schlafen. Solche Themen spricht er oft an und holt so die letzten Prozentpunkte aus uns heraus. Als ich verletzt war, hat er viel mit mir gesprochen und mir Tipps gegeben, was ich tun kann, um das Risiko für weitere Verletzungen zu minimieren.

Rangnick stand im April kurz vor einem Wechsel zum FC Bayern. Hat er mit der Mannschaft darüber gesprochen?

Danso: Nein. Wenn es wirklich konkret gewesen wäre, hätte er zum richtigen Zeitpunkt sicher etwas zu uns gesagt. Wir freuen uns alle sehr, dass er bei uns bleibt. Hier ist etwas Besonderes entstanden.

Fußball, Europacup, CL, Champions League, RB Leipzig, Ralf Rangnick, Abschied, Meldung
© getty

Im Winter gab es Gerüchte, wonach der FC Bayern auch an Ihnen interessiert sei.

Danso: Damit beschäftige ich mich nicht. Natürlich ist es schön, sowas zu hören. Aber ich weiß nicht, ob die Gerüchte gestimmt haben. Darum kümmert sich mein Berater. Mein Fokus liegt auf meiner Leistung.

Sie haben in dieser Saison mit Lens erstmals Champions League gespielt, in der Meisterschaft stand am Ende Platz 7. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Danso: Es gab viele Höhen und Tiefen. Aber das ist normal, wenn man zum ersten Mal Champions League spielt. Die Saison war zwar nicht so optimal wie die vorherige, aber auch nicht schlecht. In solchen Phasen lernt man am meisten.

Sie sind 25 Jahre alt, wie sieht Ihr weiterer Karriereplan aus?

Danso: Es ist mein Ziel, künftig immer international zu spielen.

Haben Sie eigentlich einen Lieblingsklub?

Danso: Mein Bruder und mein Vater sind Manchester-United-Fans. Ich hatte früher keinen Lieblingsklub, sondern war immer Fan von Didier Drogba.

Als Innenverteidiger hatten Sie einen Stürmer als Vorbild?

Danso: In der Jugend bei den MK Dons in England musste ich jede Position spielen. Die Philosophie des Klubs lautet, zuallererst einen Fußballer zu kreieren - nicht einen Stürmer oder einen Verteidiger. Einmal musste ich sechs Wochen lang Linksverteidiger spielen, in der Zeit habe ich meinen linken Fuß stark verbessert. Bei Augsburg habe ich in der Jugend meistens im Mittelfeld gespielt, aber teilweise auch Stürmer oder Innenverteidiger.

danso
© getty

Was hat Sie an Drogba fasziniert?

Danso: Ich fand es beeindruckend, dass er in den entscheidenden Spielen immer den Unterschied gemacht hat. Ich halte ihn für einen der größten Spieler aller Zeiten. Er ist aber nicht nur als Fußballer, sondern auch als Mensch mein Vorbild. Als in der Elfenbeinküste Krieg herrschte, ist er hingefahren und hat zwischen den Parteien vermittelt. Außerdem hat er eine Stiftung, mit der er seinen Landsleuten hilft.

Sie treiben ebenfalls soziale Projekte voran, im Heimatland Ihrer Eltern Ghana und in Ihrem österreichischen Geburtsort Voitsberg.

Danso: Gemeinsam mit meinem Bruder baue ich in einem Dorf in Ghana eine Fußball-Akademie auf, wir haben dort auch schon einen Wasserbrunnen gebaut. In Voitsberg haben wir mit "DANnSo" einen Verein zur Potenzialentfaltung für Kinder. Meine Familie und ich machen diese Projekte von Herzen und möchten damit etwas zurückgeben.

Zurück zu Drogba: Hatten Sie schon mal Kontakt mit ihm?

Danso: Leider noch nicht, aber zwei meiner Mitspieler aus Lens, Brice Samba und Neil El Aynaoui, haben ihn bei der Ballon d'Or-Zeremonie getroffen. Ich war ziemlich neidisch und habe sie danach komplett ausgefragt über ihn.

Von Didier Drogba zu Martin Hinteregger, mit dem Sie in Augsburg zusammengespielt haben. Es gibt da eine nette Anekdote aus Söll am Wilden Kaiser ...

Danso: (lacht) Ja, wir sind damals in die Berge gefahren, um ein bisschen runterzukommen. Dann hat es plötzlich stark geschneit und die Straße zurück ins Tal wurde wegen Lawinengefahr gesperrt. Drei, vier Stunden standen wir vor der Blockade und kamen deshalb nicht rechtzeitig zum Training nach Augsburg. Ich hatte davor noch nie ein Training verpasst und habe richtig gezittert. Hinti fand das alles sehr lustig und hat sich einen Spaß daraus gemacht. Zum Glück hatte der Trainer Verständnis.

danso-hinti
© imago images

War Hinteregger als älterer Landsmann in Augsburg eine besondere Bezugsperson für Sie?

Danso: Als ich zu den Profis gekommen bin, hat er mich unter seine Fittiche genommen. Ich habe viel von ihm gelernt. Vor allem, bei aller Professionalität lockerer zu werden im Leben. Das ist ein wichtiger Ratschlag, den ich bis heute beherzige.

Klapphandy, Jagdausrüstung in der Kabine, Helikopterflüge: Zu Hinteregger gibt es allerhand kuriose Anekdoten. Haben Sie noch eine neue parat?

Danso: Wir haben auf der Playstation oft gegeneinander FIFA gespielt. Ich habe eigentlich immer gewonnen. Weil er nicht gut war und außerdem immer komische Mannschaften gewählt hat - meistens Hull City. Hinti liebt Hull und keiner weiß warum.

Kevin Danso: Von Augsburg über Southampton und Düsseldorf nach Lens

ZeitraumKlubSpiele
2017 bis 2019FC Augsburg44
2019 bis 2020FC Southampton (Leihe)10
2020 bis 2021Fortuna Düsseldorf (Leihe)33
seit 2021RC Lens114