Ist der Kader des FC Bayern zu dünn? Auch Barcelona und Real Madrid haben Problemstellen

Von Oliver Maywurm
Jules Koundé
© getty

Trainer Thomas Tuchel vom FC Bayern wies zuletzt auf einen teilweise dünnen Kader beim deutschen Rekordmeister hin. Gibt es Top-Teams, die ähnlich knapp aufgestellt sind?

Cookie-Einstellungen

Joao Palhinha und Armel Bella-Kotchap sollten am Deadline Day eigentlich noch zum FC Bayern München kommen. Aus beiden Transfers wurde aber letztlich bekanntlich doch nichts, zudem wurden in den letzten zwei Wochen der Wechselperiode unter anderem noch Benjamin Pavard, Ryan Gravenberch und Josip Stanisic abgegeben.

Pavard sollte eigentlich nur ziehen gelassen werden, wenn man noch Ersatz für ihn findet. Daraus wurde aber am Ende nichts. Und Gravenberch durfte gehen, obwohl in Palhinha ein potenzieller neuer Mann für das Mittelfeldzentrum dann ja doch nicht geholt wurde.

"Der Kader ist ein bisschen dünn, ein bisschen wenig", sagte Bayern-Trainer Thomas Tuchel rund um das Bundesligaspiel in Mönchengladbach Anfang September bei Sky. "Wir werden unser Bestes tun und den Kader pushen. Es ist ein guter Kader, aber auf manchen Positionen ein bisschen mutig."

Rein zahlenmäßig betrachtet steht der FCB mit 22 Kaderspielern (zählt man die Talente Tom Hülsmann, Frans Krätzig und Aleksandar Pavlovic nicht dazu) im Vergleich zu anderen europäischen Top-Teams tatsächlich recht dünn dar. Aber: Der spanische Meister FC Barcelona (21 Spieler) und dessen Erzrivale Real Madrid (23 Spieler) beispielsweise haben numerisch gesehen ähnliche Voraussetzungen.

SPOX stellt daher mal einen Vergleich zwischen den Kadern von Bayern, Barça und Real an.

Kepa Arrizabalaga
© getty

TOR

Bei Barça steht hinter Marc-André ter Stegen mit Inaki Pena offiziell nur ein weiterer Torhüter im Kader. Sollte ter Stegen also mal verletzt ausfallen, müsste Trainer Xavi mit U19-Keeper Diego Kochen oder Ander Astralaga aus der zweiten Mannschaft auffüllen.

Bayern ist hier in der Breite seit der Verpflichtung von Daniel Peretz besser aufgestellt. Sobald Manuel Neuer von seiner Verletzung zurückkehrt, hat man mit Peretz und der derzeitigen Nummer eins Sven Ulreich zwei gute Keeper in der Hinterhand.

Real indes musste zuletzt auf die schwere Verletzung von Stammtorhüter Thibaut Courtois reagieren, dessen Comeback erst für das Frühjahr 2024 erwartet wird. Die Königlichen holten mit Kepa Arrizabalaga einen erstklassigen Ersatz auf Zeit, liehen den Spanier vom FC Chelsea aus. Zudem hat man noch den 24-jährigen Ukrainer Andriy Lunin in der Hinterhand.

Breite auf der Torwartposition: Real Madrid > FC Bayern > FC Barcelona

Joao Cancelo
© getty

RECHTSVERTEIDIGUNG

Mit Stanisic und Pavard hat Bayern gleich zwei Spieler abgegeben, die Rechtsverteidiger spielen können - und ein Ersatz kam nicht.

Damit stehen mit Noussair Mazraoui und Bouna Sarr nur noch zwei Akteure im Kader, die auf dieser Position zuhause sind. Sarr spielt beim FCB aber bekanntlich schon länger überhaupt keine Rolle mehr, vergangene Saison kam er auf einen einzigen Kurzeinsatz.

Somit bleibt eigentlich nur noch Mazraoui. Als dessen Backup setzte Tuchel zuletzt auf Konrad Laimer, der ja eigentlich für die Mittelfeldzentrale geholt wurde. In Notfällen wäre natürlich auch Joshua Kimmich eine Option für rechts hinten.

Bei Barcelona ist man auf der Rechtsverteidigerposition deutlich besser aufgestellt. Sergi Roberto und Neuzugang Joao Cancelo sind die beiden ersten Optionen. Hinzu kommen mehrere weitere Lösungen wie Alejandro Balde, Ronald Araujo oder Jules Koundé, deren Hauptposition zwar eine andere ist, die aber auch rechts hinten problemlos spielen können.

Bei Real ist Dani Carvajal die Stammbesetzung rechts hinten. Mit Lucas Vazquez haben die Königlichen einen verlässlichen Backup, zudem kann Kapitän Nacho Fernandez immer rechts hinten aushelfen. Und auch Eder Militao, der zwar noch lange verletzt ausfällt, kann statt innen auch auf der rechten Seite spielen.

Breite auf der Rechtsverteidigerposition: FC Barcelona > Real Madrid > FC Bayern

Jules Koundé
© getty

INNENVERTEIDIGUNG

Auch im Abwehrzentrum gingen Bayern mit Stanisic und Pavard zwei Optionen verloren. Rein von der Qualität her hat der FCB mit Dayot Upamecano, Matthijs de Ligt und Min-jae Kim natürlich trotzdem drei absolute Top-Innenverteidiger im Kader. Quantitativ kommt dann aber lediglich noch der 18-jährige Tarek Buchmann hinzu, dem es an Erfahrung auf höchstem internationalen Level natürlich noch fehlt.

Barcelona hat mit Ronald Araujo, Andreas Christensen und Jules Koundé auch drei absolute Top-Innenverteidiger zur Verfügung. Dahinter steht bei den Katalanen noch Inigo Martinez, der als 20-maliger spanischer Nationalspieler mit viel Erfahrung stets auch auf höchstem Niveau immer reingeworfen werden kann. Die Breite ist also bei Barça wohl etwas besser als bei Bayern.

Und Real? Wenn alle fit sind, hat Real wohl auch eine bessere Breite als Bayern. Allerdings fällt Eder Militao ja wie erwähnt mit Kreuzbandriss lange aus. Das heißt, dass Carlo Ancelotti mit Antonio Rüdiger und David Alaba derzeit nur auf zwei Innenverteidiger von internationalem Top-Format zurückgreifen kann. Sollte einer der beiden ausfallen, hat man mit Nacho Fernandez natürlich einen absolut soliden Ersatz - aber auf höchstem Niveau ist der 33-Jährige eben keine 1a-Variante.

Breite in der Innenverteidigung: FC Barcelona > FC Bayern > Real Madrid

Jules Koundé
© getty

LINKSVERTEIDIGUNG

Die Linksverteidigerposition meinte Tuchel mit seinen Aussagen zum Kader ziemlich sicher nicht. Mit Alphonso Davies und Raphael Guerreiro kann er hier auf zwei absolute Topspieler zurückgreifen. Und sollten beide mal ausfallen oder eine Pause brauchen, könnte er auch mal Talent Frans Krätzig eine Chance geben - oder auf Mazraoui setzen, der theoretisch auch links spielen kann.

Bei Barça ist die Besetzung ähnlich: Eine starke Stammkraft in Alejandro Balde, dazu eine gute Alternative in Marcos Alonso. Zudem kann Neuzugang Joao Cancelo theoretisch auch auf links auflaufen.

Bei Real indes ist man auf der Linksverteidigerposition wohl nicht ganz glücklich mit der Kaderbesetzung - und soll deshalb Bayerns Davies auf dem Zettel haben.

Die erste Wahl bei den Königlichen soll eigentlich Ferland Mendy sein, der Franzose fiel aber vergangene Spielzeit länger verletzt aus und verpasste auch die ersten Spiele der neuen Saison. Aktuell ist daher Fran Garcia hinten links gesetzt, der von Rayo Vallecano zu den Blancos zurückkehrte.

Erste Alternative in Mendys Abwesenheit ist derzeit Allrounder Nacho. David Alaba ist natürlich auch ein Weltklasse-Linksverteidiger, wird aber unbedingt innen gebraucht. Eine weitere mögliche Lösung wäre Mittelfeldmann Eduardo Camavinga, der vergangene Saison ja häufiger links hinten aushalf.

Breite auf der Linksverteidigerposition: FC Bayern = FC Barcelona > Real Madrid

Jude Bellingham
© getty

ZENTRALES MITTELFELD

Es wurde schon anfangs thematisiert: Joao Palhinha war schon in München, musste dann aber doch wieder zurück zu Fulham, weil die Engländer keinen Ersatz finden konnten.

Kurz nach dem geplatzten Transfer des Portugiesen wurde dann der Abgang von Ryan Gravenberch zum FC Liverpool offiziell. Damit bleiben Tuchel im Mittelfeldzentrum mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Konrad Laimer nur drei Spieler, was bei den vielen Spielen natürlich tatsächlich ziemlich wenig ist. Aber: Sollten mal zwei der drei gleichzeitig nicht zur Verfügung stehen, hat Tuchel durchaus Gelegenheit, kreativ zu werden. Raphael Guerreiro kann beispielsweise auch im zentralen Mittelfeld spielen, auch ein Zurückziehen Jamal Musialas auf die Doppelsechs ist durchaus möglich.

Bei Barça spielt Xavi bekanntlich bevorzugt im 4-3-3, benötigt also drei zentrale Mittelfeldspieler für seine Startelf. Sollte Pedri bald wieder fit sein, hat er dafür vier absolute Top-Stars im Kader (neben Pedri noch Gavi, Frenkie de Jong und Ilkay Gündogan). Hinzu kommen der routinierte Neuzugang Oriol Romeu und das hochveranlagte Eigengewächs Fermin Lopez. Barças Breite ist auf dieser Position also größer als jene der Bayern.

Und Real hat in der Mittelfeldzentrale beinahe schon ein Überangebot: Jude Bellingham, Federico Valverde, Eduardo Camavinga, Luka Modric, Toni Kroos, Aurelien Tchouameni, Dani Ceballos. Sieben Topspieler für drei bis vier Positionen - da droht Ancelotti eher das Problem, zu viele Härtefälle auf die Bank setzen zu müssen.

Breite im zentralen Mittelfeld: Real Madrid > FC Barcelona > FC Bayern

Jamal Musiala
© getty

OFFENSIVES MITTELFELD

Im offensiven Mittelfeld hat Tuchel neben viel Klasse auch mehr als genügend Masse zur Verfügung. Leroy Sané, Serge Gnabry, Jamal Musiala, Thomas Müller und Kingsley Coman streiten sich um drei Positionen. Zudem könnten Mathys Tel, Raphael Guerreiro oder Eric Maxim Choupo-Moting bei Bedarf auch auf diesen Positionen aushelfen. Hier sollte Bayern keine Probleme mit der Breite bekommen.

Barcelona ist da durchaus dünner besetzt - und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ. Mit Lamine Yamal haben die Katalanen natürlich ein Ausnahmetalent in ihren Reihen, dem aber eben noch nicht dauerhaft die Hauptlast der Verantwortung übertragen werden sollte. Bei Joao Felix muss man indes abwarten, ob er sein enormes Potenzial abrufen kann, hinzu kommen Raphinha und Ferran Torres. Zuletzt zog Xavi auch mal Gavi vom Zentrum in die offensive Dreierreihe nach vorne. Die Blaugrana haben also richtig gute Spieler für die Offensive, Bayern ist hier aber besser aufgestellt.

Auch bei Real ist die Breite im Offensivbereich nicht ganz so gut wie beim deutschen Meister. Die Qualität ist mit Bellingham, der bisher stets als Zehner agierte, Rodrygo und Vinicius in der Spitze natürlich riesig. Darüber hinaus stehen aber lediglich noch Türkei-Talent Arda Güler und Brahim Diaz im Kader. Auf diesen Positionen könnte den Königlichen bei Verletzungspech also durchaus ein Problem drohen.

Breite im offensiven Mittelfeld: FC Bayern > FC Barcelona = Real Madrid

Harry Kane
© getty

MITTELSTURM

Was die Mittelstürmerposition angeht, hat Bayern klare Vorteile gegenüber Barcelona und Real.

Mit Harry Kane ist beim FCB ein Weltklasse-Mann gesetzt - und dahinter hat Tuchel mit dem talentierten Mathys Tel und dem erfahrenen Eric Maxim Choupo-Moting zwei hochklassige Alternativen zur Verfügung.

Barça hat mit Robert Lewandowski indes auch einen Weltstürmer im Kader. Eine zweite echte Nummer 9 als Backup fehlt den Katalanen aber. Bei einem Ausfall von Lewandowski müsste Xavi ganz vorne auf Joao Felix oder Ferran Torres setzen, die aber beide keine klassischen Mittelstürmer sind.

Bei Real ist die 9 derweil noch dünner besetzt. Karim Benzema ist weg, neu dazu geholt wurde lediglich Joselu. Der 33-Jährige hat natürlich gute Qualität, verkörpert aber eigentlich nicht das Niveau eines Neuners von Real Madrid. Ein zweiter echter Mittelstürmer fehlt den Blancos, die in den ersten Saisonspielen aber ohnehin meist auf eine Doppelspitze aus Rodrygo und Vinicius setzten.

Breite auf der Mittelstürmerposition: FC Bayern > FC Barcelona > Real Madrid

Artikel und Videos zum Thema