Kommentar: Der DFB hat sich mit dem Sieg gegen Frankreich sogar ein neues Problem geschaffen

Rudi Völler
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Beim Sieg gegen Frankreich sorgte die deutsche Nationalmannschaft unter Interimstrainer Rudi Völler erstmals seit Monaten - oder gar Jahren? - für echte Begeisterung. Aber der DFB wäre nicht der DFB, wenn daraus kein neues Problem resultieren würde. Ein Kommentar.

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Nachdem sich Deutschland am Samstag 1:4 gegen Japan blamiert hatte, offenbarte sich eine durchaus kuriose Situation. Insgeheim war klar: Ein Sieg gegen Frankreich würde die Trainerfrage verkomplizieren - egal in welcher Konstellation.

Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft mit Bundestrainer Hansi Flick gab es zu diesem Zeitpunkt keine mehr, daran hätte auch ein Erfolg gegen den Vize-Weltmeister nichts geändert. In diesem Fall wäre eine Entlassung aber schwieriger zu kommunizieren gewesen. Verständlicherweise zog der DFB deshalb die äußerst ungewöhnliche Maßnahme, während einer laufenden Länderspielphase den Trainer zu wechseln. Zumal es für den DFB auch noch die erste Entlassung eines Bundestrainers überhaupt war.

Externe Lösung war in der Kürze der Zeit natürlich keine zu finden, also kürte sich Sportdirektor Rudi Völler kurzerhand selbst zum Interimstrainer. Begeistert war der 63-Jährige davon nicht und übrigens: Er stehe auch nur für dieses eine Spiel zur Verfügung. Es kam wie es kommen musste: Das DFB-Team präsentierte sich gegen Frankreich (auch dank erleichternder Umstände) stark verbessert und gewann erstmals seit März ein Spiel. Damit wurde deutlich, dass die Mannschaft Probleme mit Flick hatte, anders ist diese plötzliche Steigerung vor allem in Sachen Engagement nicht zu erklären. Völler und sein potentieller Nachfolger haben nun aber ein Problem.

Zunächst muss sich Völler mit einer Kampagne herumschlagen, auf die er eigentlich gar keine Lust hat und der er auch direkt nach dem Frankreich-Spiel eine Absage erteilt hat: Er wird bekniet, doch weiterzumachen. "Rudi, gib dir einen Ruck", prangte bereits bei der Bild. TV-Chefexperte Lothar Matthäus hatte schon vor dem Spiel betont: "Wenn Rudi gewinnt, dann darf er die Euphorie nicht kaputtmachen und muss bleiben." Im Hinterkopf hallen auch noch die Rudi-Völler-Sprechchöre aus dem Dortmunder Stadion.

Sofern sich Völler nicht doch noch überreden lässt - es wäre nicht das erste Mal in seiner Karriere -, würde er seinem Nachfolger eine undankbare Gemengelage hinterlassen: Bei jedem sportlichen Negativerlebnis dürften Rufe nach Völler laut werden, als Sportdirektor wäre er ein omnipräsenter Schatten-Bundestrainer.

Rudi Völler
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DFB-Team: Wer kommt als Völler-Nachfolger in Frage?

Bis zur anstehenden Länderspielphase im Oktober will Völler gemeinsam mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Vize Hans-Joachim Watzke einen neuen Bundestrainer gefunden haben. Die Traumlösung Jürgen Klopp hat einmal mehr abgesagt. Als Favorit gilt nun Julian Nagelsmann, doch dessen Verpflichtung wäre mit Risiko verbunden - auf beiden Seiten.

Nagelsmanns Zeit beim FC Bayern München ging auch wegen Unstimmigkeiten mit Teilen der Mannschaft zu Ende, vor allem Manuel Neuer und Thomas Müller sollen ihn kritisch gesehen haben. Mit beiden würde Nagelsmann beim DFB-Team erneut aufeinandertreffen. Neuer ist weiterhin nomineller Kapitän und dürfte nach seiner Reha bald zurückkehren, Müller gilt spätestens seit seiner Gala-Vorstellung gegen Frankreich als Hoffnungsträger. Sollte Nagelsmann das Himmelfahrtskommando annehmen und scheitern, würde er seiner jungen Trainerkarriere unterdessen entscheidend schaden.

Völlers Co-Trainer vom Frankreich-Spiel, der impulsive Sandro Wagner und der analytische Hannes Wolf, geben zwar ein stimmiges Duo. Ihre Inthronisierung als Dauerlösung wäre aufgrund fehlender Erfahrung auf höchstem Trainer-Niveau jedoch ebenfalls riskant. Gewissermaßen würden sie außerdem für das seit Jahren regierende DFB-Klüngel stehen - ähnlich wie der ebenfalls gehandelte ehemalige U21-Trainer Stefan Kuntz. All der Rudi-Hype seitens der Spieler und Fans offenbarte außerdem das Bedürfnis nach einer allumfassenden Koryphäe.

Für eine solche warben im Zuge des Frankreich-Spiels mit Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger zwei Weltmeister von 2014: Louis van Gaal. Der 72-jährige Niederländer selbst signalisierte bereits generelle Bereitschaft, Neuendorf wollte einen Ausländer explizit nicht ausschließen. Van Gaal hat schon bewiesen, innerhalb kürzester Zeit und unter schwierigen Bedingungen erfolgreiche Mannschaften bauen zu können. Mit seiner streitbaren Art sorgt er zwar gerne für Krawall, aber für ein Dreivierteljahr könnte es gut gehen - und ganz sicher würde niemand mit Rufen nach Völler so schlagfertig umgehen wie der Tulpengeneral.

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