Ach, das Tor von Aleksandar Pavlovic? Nun ja. "Wenn er den Ball so butterweich serviert bekommt, dann muss er ihn auch machen", sagte Thomas Müller und grinste verschmitzt. Tatsächlich spielte das ältere Eigengewächs (34) dem jüngeren Eigengewächs (19) den Ball ziemlich formidabel zu. Aber jeder macht den nicht. Frag' nach bei Leroy Sané, der zuvor zwei ähnlich große Chancen vergeben hatte.
Pavlovic traf jedenfalls kurz vor der Pause zum 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach. Zum psychologisch wichtigen Zeitpunkt also, wie es so schön heißt. Nach dem Seitenwechsel drehte der FC Bayern das Spiel und gewann dank weiterer Treffer von Harry Kane und Matthijs de Ligt mit 3:1. Weil auch Tabellenführer Bayer Leverkusen siegte, beträgt der Rückstand des FC Bayern vor dem direkten Duell am Samstag weiterhin zwei Punkte.
In Abwesenheit des an der Schulter verletzten Stammsechsers Joshua Kimmich bildeten Pavlovic und Leon Goretzka gegen Gladbach erneut eine überzeugende Schaltzentrale im defensiven Mittelfeld. Wie schon beim 3:2-Sieg gegen den FC Augsburg am vergangenen Wochenende, als Pavlovic ebenfalls das wichtige erste Tor erzielte.
"Echt klasse": Herbert Hainer und Thomas Müller loben Aleksandar Pavlovic
Nach dem Gladbach-Spiel sprach Trainer Thomas Tuchel Pavlovic ein "dickes Kompliment" aus. "Aleks ist ein feiner Fußballer und noch viel wichtiger: auch ein super feiner Kerl. Er spielt sehr selbstbewusst. Er spielt so, wie er trainiert." Und das soll beim FC Bayern aktuell etwas heißen, kritisierte Tuchel doch zuletzt die Diskrepanz zwischen Trainings- und Spiel-Leistungen.
Müller wollte Pavlovic unterdessen explizit nicht für seine Tore loben, die bekommt schließlich ohnehin jeder mit. "Auf seiner Position hat er eigentlich andere, wichtigere Aufgaben - und die erledigt er auch gut", sagte Müller. Explizit nannte er seine Laufstärke, aber auch im Passspiel glänzte Pavlovic. Gegen Gladbach kamen 97 Prozent seiner Zuspiele an, das war der beste Wert aller Startelf-Spieler. Für sein Alter strahlt er eine beeindruckende Ruhe und Souveränität aus.
"Der Pavlovic ist echt klasse", sagte Präsident Herbert Hainer. "Jedes Mal, wenn er rein kommt, zeigt er, dass es wert ist, ihn aufzustellen." Bisher spielte das 19-jährige Eigengewächs in dieser Saison immer nur dann, wenn ausreichend Konkurrenten auf seiner Position unpässlich waren - anschließend kehrte er wieder auf die Bank zurück. Nach seinen beiden starken Auftritten samt Treffern gegen Augsburg und Gladbach spricht mittlerweile aber kaum etwas dafür, Pavlovic für das Spitzenspiel gegen Leverkusen aus der Startelf zu nehmen.
Neun Einsätze, neun Siege: Aleksandar Pavlovic ist der Sieggarant des FC Bayern
Statistisch ist er darüber hinaus der absolute Sieggarant des FC Bayern: Neunmal kam Pavlovic in dieser Bundesligasaison zum Einsatz, neunmal gewannen die Münchner. Meist vertrat er dabei Kimmich. Der 28-jährige Platzhirsch fehlte im November gesperrt, im Dezember krank und nun eben verletzt. Alle sechs Bundesligaspiele dieser Saison ohne Kimmich gewann der FC Bayern übrigens, bei den vier sieglosen stand er jeweils in der Startelf.
Sobald Kimmich nach seinen bisherigen Pausen wieder einsatzbereit war, stellte ihn Tuchel dennoch stets direkt in die Startelf. Auch, nachdem Goretzka und Konrad Laimer in der Hinrunde beim 4:0-Sieg bei Borussia Dortmund im defensiven Mittelfeld geglänzt hatten. Beim darauffolgenden Spiel gegen Galatasaray Istanbul zeigte Kimmich seine wohl beste Leistung dieser Saison.
Noch ist ein möglicher Einsatz Kimmichs gegen Leverkusen ungewiss, aktuell arbeitet er an seinem Comeback. "Er wirkt sehr positiv und kann sowieso gut mit Schmerzen umgehen. Er kann schon einige Übungen machen. Wir müssen von Tag zu Tag schauen", sagte Sportdirektor Christoph Freund am Freitag. Sofern Kimmich bis Samstag wieder fit ist, steht Tuchel vor einer kniffligen Frage: Sprengt er das Duo Pavlovic/Goretzka oder lässt er Kimmich auf der Bank?
Abgesehen von den plakativen Sieg-Statistiken gibt es statistische Argumente für jeden der drei: Kimmich kommt in der bisherigen Saison auf die beste Zweikampfquote (56,25 Prozent), die meisten Ballaktionen (105,86) und kreierten Chancen (2,69) pro 90 Minuten - verzeichnet dafür mit Abstand die meisten Ballverluste pro 90 Minuten (14,21). Pavlovic liegt bei der Passquote vorne (93,72 Prozent) und Leon Goretzka bei den Ballgewinnen pro 90 Minuten (7,47).
FC Bayern: Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Aleksandar Pavlovic im Vergleich
Kategorie | Joshua Kimmich | Leon Goretzka | Aleksandar Pavlovic |
Einsatzminuten | 1875 | 1614 | 520 |
Ballaktionen pro 90 Minuten | 105,86 | 81,26 | 81,8 |
Passquote in Prozent | 91,17 | 89,63 | 93,72 |
Zweikampfquote in Prozent | 56,25 | 50,7 | 43,55 |
Kreierte Chancen pro 90 Minuten | 2,69 | 1,06 | 0,87 |
Ballgewinne pro 90 Minuten | 6,63 | 7,47 | 6,24 |
Ballverluste pro 90 Minuten | 14,21 | 8,87 | 8,5 |
FC Bayern: Verzicht eines Sechser-Transfers unabhängig von Pavlovics Entwicklung?
Tuchel lobte Goretzka und Pavlovic nach dem Gladbach-Spiel explizit. Auch Müller fand, dass sich die beiden "sehr gut" ergänzt hätten: "Sie verstehen sich gut, harmonieren gut miteinander."
Sollte Kimmich rechtzeitig genesen, könnte Tuchel statt Pavlovic theoretisch auch Goretzka opfern und Kimmich den offensiveren Part der Doppelsechs überlassen. Dort sieht ihn Tuchel ohnehin stärker - dort sieht er der Vollständigkeit halber aber auch Pavlovic und alle anderen zentralen Mittelfeldspieler stärker. "Pavlo ist eher ein spielender Sechser, ein sehr mobiler Sechser", sagte Tuchel. "So wie Konny (Laimer), Leon (Goretzka und Josh (Kimmich) auch."
Unabhängig von Pavlovics Entwicklung und der kniffligen Startelf-Frage vor dem Leverkusen-Spiel hofft Tuchel weiterhin auf die Verpflichtung eines defensivstarken Sechsers. Einen wie Joao Palhinha (28) vom FC Fulham oder Martin Zubimendi (25) von Real Sociedad San Sebastian. Dass der FC Bayern im Winter nicht bereits einen derartigen Spielertypen verpflichtet hat, lag laut des Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen übrigens nicht an Pavlovic. "Da bringt man zwei Dinge in einen Zusammenhang. Das kann man so herleiten, ist aber nicht richtig."
Im Sommer könnte Tuchels Wunsch doch noch erfüllt werden, womöglich verlässt Kimmich dann den Klub. Sein Vertrag beim FC Bayern läuft 2025 aus, bisher gab es noch keine konkreten Verhandlungen über eine Verlängerung. Der FC Barcelona, Manchester City und auch Paris Saint-Germain sollen hochgradig interessiert sein.