BVB - Marius Wolf bei Borussia Dortmund: Mehr als ein Hauch von Kevin Großkreutz

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Es war für Borussia Dortmund gänzlich unklar, wie Marius Wolf nach langer Pause und einer Operation am Herzen zurückkommen würde. Doch jetzt ist der 27-Jährige Stammspieler und weist beim BVB teamintern Top-Werte auf. Reicht das sogar für die Nationalelf?

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"Erstaunlich" ist das beste Wort, um den Fußballspieler Marius Wolf zu beschreiben. Es trifft auf ihn schlicht in so vielerlei Hinsicht zu. Erstaunlich war es, dass er es nach zahlreichen Rückschlägen zu einem frühen Zeitpunkt seiner Laufbahn überhaupt auf das aktuelle Niveau geschafft hat. Auch, wie er plötzlich bei Eintracht Frankfurt in der Saison des Pokalsiegs 2017/18 aufdrehte (17 Torbeteiligungen in 34 Pflichtspielen), war keine Selbstverständlichkeit.

Marius Wolfs ungewöhnlicher Werdegang - ein Interview aus dem Februar 2022

Dass es Wolf nun bei Borussia Dortmund in den vergangenen beiden Spielzeiten zu bislang 57 Partien brachte, darunter 31 in der Startelf, und derzeit klarer Stammspieler ist, hätten wohl die wenigsten prognostiziert - nachdem ihn der BVB ja bereits zweimal verliehen hatte, da keiner der Trainer wirklich auf ihn baute. Doch nun werden Wolfs Leistungen von Trainer Edin Terzic als "herausragend gut" bezeichnet.

In acht der elf Pflichtspiele des Jahres 2023 stand der 27-Jährige von Beginn an als Rechtsverteidiger auf dem Platz. Und dies - noch einmal Stichwort "erstaunlich" - nachdem er eine wochenlange Pause einzulegen hatte, als ein Vorhofflimmern im Oktober eine Operation am Herzen nötig machte. Es war anschließend gänzlich unklar, wann und vor allem wie Wolf zurückkommen wird. Doch seit seiner Rückkehr ins Mannschaftstraining im Januar "blüht er komplett auf", so Terzic.

Zwar profitiert Wolf wie in der Vorsaison auch von Verletzungen, Thomas Meunier fiel zuletzt beispielsweise lange aus, doch er hat zweifelsfrei auch einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Was man im Idealfall ja auch tut, wenn man regelmäßig Spielpraxis erhält, das Vertrauen des Trainers genießt und noch dazu in einem erfolgreichen Team spielt.

Marius Wolf, BVB
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BVB: Marius Wolf erinnert an Kevin Großkreutz

"Er hat sich deutlich im Defensivbereich verbessert und verstärkt", sagte Terzic zuletzt. "Wie er die innere Linie schließt, wie er das Timing aufnimmt, wie er lange Bälle antizipiert, um nicht in einer geschlossenen Position zu bleiben und um dann das Tempo direkt aufzunehmen. Auch, wie er in direkten Duellen Bälle erobert in allen Bereichen. Sei es die Tiefenverteidigung oder im letzten Drittel, wie er nachsetzt und mit seinem Gegenpressing die Bälle erobert. Das macht er die ganze Saison schon gut."

Neben diesen Verbesserungen ist es Wolfs seit jeher bekanntes Spielerprofil, das ihn zusammen mit seinem aktuell großen Selbstbewusstsein so wertvoll für die Mannschaft macht. Damit erinnert er an einen wie Kevin Großkreutz, der zur großen Zeit unter Jürgen Klopp zu einem Leistungsträger aufstieg, obwohl er in vielen fußballerischen Punkten auch limitiert und unkonventionell war. Doch wie einst Großkreutz macht Wolf das mit anderen Eigenschaften wett, die beim BVB ohnehin wieder verstärkt akzentuiert werden sollen.

Wolf ist robust im Zweikampf, enorm lauffreudig, physisch stark und spielt mit großem Herzen und viel Leidenschaft. Er ist verlässlicher Zuarbeiter und Teamplayer, der so polyvalent ist, dass ihm als gelernten Offensivspieler die unterschiedlichsten Positionen in vielen Grundordnungen zuzutrauen sind. Wolf kann einer Mannschaft dazu viel Energie geben und ist sich auch für die Drecksarbeit nicht zu schade.

Marius Wolf beim BVB in einigen Kategorien weit vorne

Beim 2:0-Sieg in Leverkusen, seinem ersten Spiel von Beginn an im neuen Jahr, war es Wolfs Pressing-Aktion, die das 1:0 einleitete und seine scharfe Hereingabe, aus der das Eigentor zum zweiten Treffer resultierte. Seinem Traumtor gegen Hoffenheim vier Wochen später, als er den Ball von der rechten Strafraumkante wuchtig unter die Latte knallte, wurde nur aufgrund eines Foulspiels mehrere Sekunden zuvor die Anerkennung verweigert.

Vergleicht man ihn mit seinen Dortmunder Mitspielern, landet Wolf in einigen Kategorien weit vorne. So schlägt er pro 90 Minuten die meisten Flanken aus dem Spiel (3,3). Auch bei den Schussvorlagen haben nur Julian Brandt (1,7), Karim Adeyemi (1,5) und Raphael Guerreiro (1,5) einen besseren Durchschnitt vorzuweisen als Wolf (1,1).

Im teaminternen Duell mit den anderen Außenverteidigern Guerreiro, Thomas Meunier und Julian Ryerson ist es Wolf, der die höchste Geschwindigkeit (34,5 km/h) und beste Zweikampfquote (60 Prozent) aufweist. Nur Nico Schlotterbeck (66 Prozent), Emre Can (64 Prozent) und Mats Hummels (61 Prozent) gewinnen mehr direkte Duelle. Auch top: Wolf läuft im Schnitt 11,6 Kilometer pro Spiel, das ist nach Meunier (12,4) und Ryerson (11,7) der drittbeste Wert beim BVB.

Marius Wolf, BVB, Bundesliga, Borussia Dortmund
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Schafft es Marius Wolf in die Nationalmannschaft?

Wo er noch zulegen und effektiver werden muss, ist bei der Genauigkeit seiner Zuspiele. Wolfs Passquote von 77 Prozent wird nur von Meunier (73 Prozent) sowie den beiden Mittelstürmern Youssoufa Moukoko (72 Prozent) und Anthony Modeste (60 Prozent) unterboten. Wolf ist kein Edel-Techniker, aber am Ball durchaus solide - allerdings spielt er zu viele Fehlpässe und agiert vor dem Tor zu ungenau. Terzic lobt dennoch: "Marius hat am Ball einen guten technischen Ablauf und bleibt in Drucksituationen sehr ruhig. Er schlägt exzellente Flanken, was sehr hilft, wenn man einen großen Stürmer auf dem Platz hat."

Ob Wolf in dieser Saison mit der Borussia einen der zwei noch möglichen Titel einfährt, bleibt weiter abzuwarten. Denkbar ist dagegen, dass er schon in Bälde einen persönlichen Erfolg feiern kann. "Dass die Nationalmannschaft ein Thema wird, würden wir ihm sehr wünschen", sagt sein Trainer. Mit Blick auf die Länderspiele Ende März gegen Peru und Belgien und der Aussage von Bundestrainer Hansi Flick, dort ein paar Neulinge nominieren zu wollen, erscheint es nicht abwegig, dass Wolf erstmals dabei sein könnte.

Zumindest ist die Position des Rechtsverteidigers eine im DFB-Team, bei der man noch weit von einer Idealbesetzung entfernt ist. Niklas Süle und Joshua Kimmich werden andernorts gebraucht, Thilo Kehrer überzeugte selten. Man könnte durchaus einen Testlauf mit Wolf wagen, der dahingehend ligaintern Konkurrenz durch Bremens mit Algeriens Nationalteam liebäugelnden Mitchell Weiser haben könnte. Mit seiner Mischung aus harter Arbeit, Durchsetzungsvermögen und Mentalität stünde Wolf jedenfalls für die Art Spieler, die man sich beim DFB wünscht, um künftig wieder mehr Anerkennung und Identifikation zu generieren.

BVB-Trainer Edin Terzic lobt Marius Wolfs Entwicklung

"Wenn Marius Wolf kein Nationalspieler wird, höre ich auf", sagte einmal Wolfs enger Kumpel und Ex-Mitspieler in Frankfurt Kevin-Prince Boateng, der nach der Saison nun tatsächlich aufhören wird. Terzic urteilte: "Er ist einer von denen, die gezeigt haben, dass man sich mit harter Arbeit und Fleiß alles bei uns erarbeiten kann."

Warum also nicht auch die Nationalelf? Allein schon in ihrem Dunstkreis aufgetaucht zu sein, darf Wolf als Erfolg werten. Würde er tatsächlich nominiert, es wäre nichts anderes als erstaunlich.

BVB: Marius Wolf und seine Leistungsdaten bei Borussia Dortmund seit 2018

SaisonPflichtspieleToreVorlagen
2018/19221-
2019/20 (Leihe Hertha)1--
2020/21 (Leihe Köln)---
2021/223532
2022/232212
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