BVB-Erkenntnisse zum Revierderby bei Schalke 04: Verletzung bei Jude Bellingham? Sebastian Kehls Antwort lässt tief blicken

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Borussia Dortmund hat die "bisher wichtigste Woche der Saison" hinter sich, eine Tendenz ist aber noch nicht wirklich zu erkennen. Raphael Guerreiro beweist, dass er kein Abwehrspieler ist und Jude Bellingham rennt seiner Topform hinterher. Die Erkenntnisse nach dem 2:2 des BVB im Revierderby auf Schalke.

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Der BVB und die "bisher wichtigste Woche der Saison"

2:1 gegen Leipzig gewonnen, 0:2 beim FC Chelsea verloren und aus der Champions League ausgeschieden, dazu das 2:2 im Revierderby beim FC Schalke 04 - wie geht es nun also für Borussia Dortmund weiter? Eine Frage, die sich die Dortmunder selbst stellten und die zumindest im Falle der Königsklasse eindeutig zu beantworten ist: dort nicht mehr.

"Wir haben uns nach dem Spiel gegen Hoffenheim zusammengesetzt und angesprochen, dass das jetzt vermutlich die bisher wichtigste Woche der Saison sein wird. In diesen drei Spielen wird eine Tendenz zu erkennen sein, wie es weitergehen wird", hatte BVB-Trainer Edin Terzic vor zehn Tagen gesagt. Nun ist die zuvor als möglicherweise wegweisend betitelte Woche mit den drei wichtigen Spielen vorbei und das Zeugnis für die Schwarzgelben fällt dürftig aus.

Der Sieg gegen Leipzig war schmeichelhaft, die Pleite gegen die Blues verdient und die zwei verlorenen Punkte beim Erzrivalen enorm unnötig - auch im Rennen um den Meistertitel gab es somit einen emotionalen Dämpfer ausgerechnet im Revierderby. Das Ergebnis dieser Woche ist somit definitiv ausbaufähig, aber ist der Status quo mit Blick auf die Liga nun wirklich schlecht?

"In den letzten Wochen kamen immer wieder Themen auf - wie zum Beispiel, ob wir für die Meisterschaft bereit sind", sagte Terzic bei Sky. "Wir haben immer gesagt, dass wir demütig bleiben müssen und selbst noch unsere eigenen Themen abstellen müssen."

BVB: Noch fehlt die ausgeprägte Siegermentalität

Der BVB ist in Deutschland 2023 zwar immer noch ungeschlagen und unter anderem deshalb ja auch überhaupt erst ein Kandidat für Platz eins geworden. Ein wirklich reifes Spitzenteam, das einen langen Atem und eine ausgeprägte Siegermentalität hat, ist die Borussia aber vermutlich (noch) nicht. Demut tut der Truppe also durchaus gut, wenngleich der Ärger am Samstagabend zu Recht überwiegt.

"Wir haben zwei Punkte verschenkt, ansonsten sind wir aber voll in der Spur", merkte auch Sportdirektor Sebastian Kehl an, nachdem er die zuletzt acht Siege in Serie noch einmal in Erinnerung rief. Dennoch hoffe er nicht, "dass uns diese zwei Punkte am Ende komplett wehtun".

Fragt sich, in welcher Hinsicht sie wehtun könnten. Schaut man auf Dortmunds Saisonziele, lässt sich aktuell noch kein Fazit ziehen, wie die Spielzeit am Ende bewertet werden könnte. Auf europäischer Ebene hat man sich nach dem peinlichen Vorjahr zumindest rehabilitiert und sich ein Stückchen verloren gegangenes Renommee wieder erarbeitet. Im Pokal zählt wenigstens der Finaleinzug, der vom bevorstehenden Auswärtsspiel bei RB Leipzig zweifelsfrei erschwert ist.

BVB: Das Restprogramm in der Bundesliga

SpieltagBVB
251. FC Köln (H)
26Bayern München (A)
27Union Berlin (H)
28VfB Stuttgart (A)
29Eintracht Frankfurt (H)
30VfL Bochum (A)
31VfL Wolfsburg (H)
32Borussia M'Gladbach (H)
33FC Augsburg (A)
34Mainz 05 (H)

BVB: Nächste Woche der Wahrheit nach der Länderspielpause

Die Siegesserie hat in der Liga geholfen, dass die unumgängliche CL-Qualifikation am Ende auch erreicht wird. Auf fünf Punkte könnte der Vorsprung auf Rang fünf zwar schmelzen, doch es scheint mehr als machbar, am Ende im Zielkorridor zu landen. Das wäre dann als ein ordentliches Jahr zu bewerten, da es die nötige Steigerung zur Vorsaison bedeuten würde und man sich in einem von vielen Verletzungen sowie auf zahlreichen Ebenen personellen Neubesetzungen geprägten Umbruch befindet.

Die Betonung in Terzics Satz vom 2. März lag schließlich auch auf dem Wort "bisher". Denn er fügte an: "Wir hoffen, dass es noch wichtigere Wochen geben wird." Klar ist bereits jetzt, dass diese Hoffnung erfüllt wird.

Nach der baldigen Länderspielpause warten drei Partien in sieben Tagen: Das Spitzenspiel bei den Bayern, besagtes Pokalduell in Leipzig sowie die Begegnung zu Hause gegen Verfolger Union Berlin. Die Chancen sind groß, dass anschließend deutlich mehr als eine Tendenz zu erkennen sein wird.

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BVB: Raphaël Guerreiro ist kein Abwehrspieler!

Matthias Sammer hat am Dienstag in seiner Rolle als TV-Experte bei Prime Video gesagt, man wisse es doch gut genug. Dortmunds externer Berater wurde auf Raphaël Guerreiro angesprochen, der gegen Chelsea wie gewohnt als Linksverteidiger auflief und nicht nur in den ersten 45 Minuten erhebliche Probleme auf seiner Seite hatte.

Sammer wollte gar keine konkrete Antwort abgeben. Was er sagte, klang eher nach dem Motto: Wir müssen doch nicht über die defensiven Schwächen von Guerreiro reden, die sind hinlänglich bekannt. Damit hat Sammer Recht, was allerdings nichts daran ändert, dass der Portugiese in seinen sieben Jahren, die er nun schon beim BVB spielt, in den allermeisten Fällen als Außenverteidiger fungiert. Und als solcher sollte man eher keine defensiven Schwächen aufweisen.

Thomas Tuchel war der erste und im Grunde einzige Dortmunder Trainer, der direkt wusste: Guerreiro ist kein Abwehrspieler. Tuchel setzte ihn im Mittelfeld im linken Halbraum ein, so dass Guerreiro auch immer in die Zentrale ziehen konnte. Dort glänzte er mit starken Leistungen - so wie er es auch am Samstag gegen Schalke tat.

Da spielte Guerreiro als halblinker Achter und erstmals in dieser Saison nicht als Linksverteidiger. Das Resultat: Der 29-Jährige schoss ein tolles Tor und bereitete die Führung vor. Es war seine fünfte Bude im Revierderby, was zusammen mit den nun drei Vorlagen keiner seit Beginn der Datenerhebung 2003/2004 in diesem speziellen Spiel schaffte.

BVB: Guerreiro fehlen die wichtigen Attribute gegen den Ball

"Er war aktiv in den Ballaktionen. Es war auch ein Spiel, in dem wir wegen der Mannorientiertheit der Schalker versuchen wollten, im Mittelfeld ein fußballerisches Element hineinzubringen. Das hat er nicht nur wegen seines Tores sehr, sehr gut gemacht", lobte ihn Sportdirektor Kehl.

Guerreiro wird mannschaftsintern seit Jahren als bester Fußballer im Kader genannt und es ist in der Tat eine Augenweide, mit welcher Technik der Nationalspieler den Ball behandelt. Er ist ein echter Zocker, der ein hohes Spielverständnis mitbringt und sich intuitiv mit freien Bewegungen Vorteile verschafft - aber eben vor allem in der Offensive.

Gegen den Ball agiert er unter dem Strich gewiss oft ordentlich bis solide, häufiger jedoch schläfrig und passiv. Da fehlen ihm die wichtigsten Attribute wie Zweikampfstärke, Gier und Unnachgiebigkeit.

Guerreiros Vertrag läuft am Saisonende aus. Mit der bevorstehenden Verpflichtung von Gladbachs Ramy Bensebaini und dem Winter-Transfer von Julian Ryerson ist es sehr gut möglich, dass Guerreiro am Samstag sein letztes Derby gespielt hat.

Er war für den BVB ein gutes Geschäft, keine Frage. Doch das Phlegma, das er nie ablegen konnte, wird ihm beim Aufbau der "neuen" Borussia vermutlich zum Verhängnis. Bis es soweit ist, sollte Terzic allerdings gut überlegen, ob er Guerreiro nach Möglichkeit nicht weiter im Mittelfeld belässt.

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BVB: Jude Bellingham rennt seiner Topform hinterher

Nur Nico Schlotterbeck stand häufiger für Dortmund in dieser Saison auf dem Feld als Jude Bellingham: Schlappe 52 Minuten Vorsprung hat der Innenverteidiger. Mit zehn Pflichtspieltreffern liegt Bellingham in der vereinsinternen Torschützenliste aber auf Platz eins und es ist freilich unbestritten, dass er eine herausragende Saison spielt, in der ihm ein weiterer Sprung nach vorne gelungen ist.

Neun dieser zehn Tore schoss der Engländer im vergangenen Halbjahr. Der Bellingham aus der ersten Hälfte der Spielzeit ist zuletzt nach und nach ein wenig verloren gegangen. Man merkt ihm trotz seines kaum enden wollenden Einsatzwillens bisweilen an, dass er in der aktuellen Phase der Saison den Belastungen und der hohen Intensität seiner Spielweise Tribut zollen muss.

"Natürlich hat er sehr viel gespielt", sagte Trainer Terzic, stellte eine Frage und beantwortete sie gleich selbst. "Und warum? Weil er einfach gut ist." Auch Kehl äußerte sich zu Bellingham: "Womöglich fehlt ihm an der einen oder anderen Stelle jetzt mal ein Tor, das er in der Hinserie noch häufiger gemacht hat. Er ackert, er macht und tut, er möchte und will. Trotzdem gibt's auch mal Phasen, in denen das auch okay ist. Man muss auch zugestehen, dass ein Spieler nicht immer auf allerhöchstem Niveau spielt. Ich weiß bei ihm, dass er hart an sich arbeitet und dann geht es weiter."

BVB: Bellingham plagt sich mit Knieproblem herum

Was dem 19-Jährigen zudem immer mal wieder abgeht, ist die nötige Klarheit in seinem Spiel. Er wird dann in Ballbesitz zu lässig und versucht das Besondere, anstatt den einfachen, offensichtlichen Pass zu spielen. Diese Verspieltheit treibt ihn teils in Aktionen, bei denen er gegen mehrere Mitspieler mit dem Kopf durch die Wand will - und das gelang zuletzt eben nicht mehr ganz so häufig.

Womöglich hängt die Tatsache, dass Bellingham seiner Topform hinterherrennt, auch mit einer Blessur zusammen. Seit dem Hinspiel gegen Chelsea trägt er eine Bandage um das linke Knie. "Er macht sie jetzt seit ein paar Tagen dran", beschwichtigte Kehl, wurde dann aber deutlicher: "Er lässt sich ehrlich gesagt in den letzten Wochen auch immer schon mal regelmäßig behandeln. Das mag womöglich am Ende auch ein, zwei Prozent kosten. Wir hoffen, dass wir das schnell in den Griff kriegen."

Auf die Nachfrage, ob es sich um eine Verletzung handele, dachte Kehl eine kurze Weile nach und atmete dann tief durch. "So lange er spielen kann, ist alles in Ordnung", sagte der Sportdirektor. Vielleicht wäre es mit Blick auf die Länderspielpause, in der Bellingham mit England in zwei Partien gefordert sein wird, sowie den anschließenden Kracher gegen den FC Bayern sinnvoll, dem Mittelfeldspieler in der kommenden Begegnung gegen Köln eine Pause zu gönnen.

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