Formel 1 - Fragen und Antworten zum Zoff bei Red Bull: Sucht Verstappen am Ende das Weite?

Von Christian Guinin
Christian Horner, Max Verstappen, Helmut Marko
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Die Titel in beiden Weltmeisterschaftswertungen vorzeitig eingesackt, dazu auf dem besten Weg eine Rekordsaison für die Ewigkeit abzuschließen - aus sportlicher Sicht läuft es für Red Bull in der Formel 1 derzeit mehr als rund. Doch hinter den Kulissen scheint es ordentlich zu rumoren. Zwischen den beiden starken Männern im Team, Christian Horner und Dr. Helmut Marko, gibt es anscheinend Zoff.

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Doch was ist überhaupt los? Wie gefährlich kann ein offen ausgetragener Streit für den Rennstall werden? Und welche Auswirkungen hat das alles auf Weltmeister Max Verstappen?

SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

Christian Horner, Helmut Marko
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Formel 1, Red-Bull-Zoff: Was genau ist passiert?

Anfang letzter Woche kamen erstmals Gerüchte auf, wonach intern bei Red Bull ein Machtkampf zwischen den beiden obersten Verantwortlichen toben solle. Auf der einen Seite Teamchef Christian Horner. Auf der anderen Seite Motorsportchef Dr. Helmut Marko.

Den Berichten zufolge sei es Horners Wunsch, seinen österreichischen Kollegen aus dem Team zu drängen, um die alleinige Verantwortung für die Geschicke des Rennstalls zu übernehmen. Horner wolle seinen Einflussbereich erweitern, heißt es - einerseits direkt im Red-Bull-Racing-Team, andererseits aber auch im milliardenschweren Mutterkonzern.

Helmut Marko, Christian Horner
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Formel 1, Red-Bull-Zoff: Wie kam es dazu?

Nach dem Tod von Red-Bull-Gründer und -Eigentümer Dietrich Mateschitz haben sich die Machtverhältnisse im Konzern drastisch geändert. Anstatt vor einer einzelnen Person müssen sich alle RB-Tochterunternehmen nun vor den diversen Anteilseignern verantworten. Das wäre zum einen Mateschitz' Sohn Mark, der 49 Prozent der Anteile hält, und der thailändische Milliardär Chalerm Yoovidhya, der die Mehrheit der Anteile im Unternehmen hält.

Die im Zuge dessen vorgenommenen Umstrukturierungsmaßnahmen haben auch den Rennstall Red Bull in direkter Weise betroffen. Den Berichten zufolge wittere Horner im Team ein Machtvakuum, welches er gerne füllen wolle. Marko solle deshalb aussteigen, um Horners Position weiter zu stärken.

Der 80-jährige Österreicher galt als enger Freund Mateschitz' und konnte stets auf dessen Unterstützung zählen. Nach dessen Tod sei die Rolle Markos aber zur Diskussion gestellt worden. Der neue Geschäftsführer und Sportchef der Red Bull GmbH Oliver Mintzlaff gilt nicht unbedingt als Freund des 80-Jährigen - schon unmittelbar nach dessen Amtsantritt gab es Sticheleien von Seiten Markos in Richtung des Deutschen.

Darüber hinaus soll es seit geraumer Zeit Unstimmigkeiten bezüglich der Zukunftsausrichtung des Juniorpartners AlphaTauri geben. Während das Engagements eines zweiten RB-Rennstalls in der Formel 1 in der neuen Führungsriege des Konzerns eher kritisch beäugt wird, würde Marko das B-Team gerne halten.

Ein weiterer Streitpunkt ist dem Vernehmen nach Alpha-Tauri-Pilot Yuki Tsunoda. Marko gilt als großer Fürsprecher des Japaners, will dem 23-Jährigen auch wegen der guten Beziehungen zum Motorenlieferanten Honda weiter das Vertrauen schenken. Horner hingegen sieht in Tsunoda zu wenig Potenzial für eine Weiterführung der Zusammenarbeit und würde das Cockpit gerne mit einem jüngeren Nachwuchsfahrer besetzen.

Dass Marko nach wie vor im Unternehmen Einfluss besitzt, zeigte dann die Vertragsverlängerung des Japaners gegen den Willen Horners vor wenigen Wochen. Gleichzeitig schürte es aber auch einen weiteren Konfliktherd.

Helmut Marko, Max Verstappen
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Formel 1, Red-Bull-Zoff: Ist die Zukunft von Helmut Marko damit besiegelt?

Dass Marko seinen Posten kampflos aufgeben wird, gilt als ausgeschlossen. Der 80-Jährige möchte seine Arbeit bei Red Bull mindestens noch ein paar Jahre fortsetzen - trotz seines bereits fortgeschrittenen Alters ist ihm der Erfolgshunger und die Freude am aktuellen Lauf des Teams anzumerken.

Das machte er nach Bekanntwerden der Gerüchte auch unmissverständlich klar: "Ich habe einen Vertrag bis Ende 2024 und am Ende ist es die Entscheidung der Shareholder, nicht die von Christian Horner und letztendlich entscheide ich über mich", so Marko bei Motorsport-Total.com.

Dass es generelle Spannungen jedoch gebe, wollte Marko nicht direkt verneinen. "Durch die neue Konstellation ist alles anders. Da versuchen Leute ihre Befugnisse neu abzustecken", sagte der der RB-Motorsportchef vor der Abreise in die USA bei Österreich.

Inwiefern es für Horner einfach oder schwierig sein wird, Marko gegen dessen Willen des Amtes zu entheben, ist unklar. Marko ist schließlich nicht direkt beim Rennstall, dessen Führung Horner inne hat, angestellt. Das Gehalt des Österreichers zählt somit auch nicht mit zur Budgetgrenze, weil er offiziell von der Red Bull GmbH bezahlt wird, bei der Horner keine direkte Macht hat.

Darüber hinaus kann sich Marko eines mächtigen Verbündeten sicher sein: Max Verstappen. Der Niederländer hat zu seinem ehemaligen Förderer ein äußerst enges und freundschaftliches Verhältnis, welches er als Grundstein für seinen aktuellen Erfolg sieht. Für Sky-Experte Ralf Schumacher ist Verstappen deshalb auch der große Trumpf, welchen Marko in der Hand hält.

"Ich glaube, dass Christian Horner gut beraten ist, keinen weiteren Druck auszuüben, weil ich glaube, das würde für ihn nicht gut ausgehen", sagte Schumacher am Rande des USA-GPs in Austin. "Man darf nicht die Verbindung zwischen Helmut Marko und Max Verstappen, der ja doch sehr früh von Helmut Marko gefördert wurde, unterschätzen. Man hört, dass Max Verstappen es nicht dulden würde, sondern eher auf Christian Horner verzichten könnte."

Fakt ist: Ein Rausschmiss Markos würde nur mit einer extremen Verstimmung Verstappens einhergehen. Dass Red Bull dieses Wagnis eingeht, ist mehr als unwahrscheinlich, schließlich ist der Niederländer das erklärte Zugpferd des Teams. Den aktuell besten Piloten des Feldes in den eigenen Reihen zu wissen, auf welchen die Arbeit des kompletten Rennstalls ausgerichtet ist, hat sich für die Österreicher in den letzten Jahren mehr als ausgezahlt.

In der laufenden Saison knackte die Kombination Verstappen-Red-Bull mehrere Rekorde, unter anderem wurde die längste Siegesserie in der Geschichte der Formel 1 aufgestellt. Zudem ist Verstappens Einfluss im Team groß, sein Wort hat durchaus Gewicht.

Christian Horner, Max Verstappen, Helmut Marko
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Formel 1, Red-Bull-Zoff: Wie geht es weiter?

Nach dem Bekanntwerden der Gerüchte um interne Spannungen waren die Beteiligten darum bemüht, schlichtende Worte anzustimmen. Von einem Putschversuch wollte Horner nichts wissen. "Er (Helmut Marko; Anm. d. Red.) spielt immer noch eine sehr wertvolle Rolle im Team und es gibt absolut keine Absicht oder den Wunsch von mir oder irgendjemandem im Team, dass sich das ändert. Solange er weitermachen will - er ist mit seinen 80 Jahren immer noch sehr rüstig - sehe ich keine Veränderung in unserer Arbeitsweise", sagte der Brite dem Mirror über sein Verhältnis zu Marko.

Stattdessen betonte Horner, nach wie vor sehr konstruktiv mit dem Österreicher zusammenzuarbeiten. "Wir sprechen sehr regelmäßig über alle Aspekte. Für Helmut ist es seit dem Tod seines Freundes und Kollegen Dietrich [Mateschitz] ein bisschen anders, aber er spielt immer noch eine sehr wertvolle Rolle im Team." Operativ würde der Rennstall zwar von Horner geführt werden, bei wichtigen Entscheidungen spreche man sich "aber untereinander ab. Egal ob es um Fahrer oder strategische Entscheidungen geht. Das ist eine Partnerschaft, die seit vielen, vielen Jahren funktioniert. Jeder spielt seine Rolle und hat seine Aufgabe."

Darüber hinaus gebe es laut Horner keinerlei Gründe, etwas an der Herangehensweise im Team zu ändern: "Das Unternehmen ist kerngesund und in bester Verfassung. Wir sind auf dem Weg zu einem weiteren Rekordjahr. Das ist das Ergebnis der Arbeit aller 22 Abteilungen in unserem Business. Sie müssen alle harmonisch zusammenarbeiten, sonst kann man nie solche Ergebnisse erzielen, wie wir sie erzielt haben."

Unverständnis über die Gerüchte brachte auch Verstappen auf. "Die Leute reden von außerhalb irgendeinen Bullshit", sagte der Formel-1-Champion und erklärte mit Nachdruck: "Die Stimmung im Team ist sehr gut. Natürlich war es im vergangenen Jahr traurig, als Dietrich (Mateschitz; Anm. d. Red.) gestorben ist. Aber wir versuchen, dieses Vermächtnis weiterzuführen. Jeder, den wir aktuell im Team haben, ist sehr wichtig für den Erfolg, den wir haben." Dass der Niederländer in Austin die Gerüchte über den Machtkampf beiseiteschob ("Es gibt keine Änderungen für die Zukunft"), konnte auch als Signal an Horner verstanden werden.

Eine schnelle Entscheidung im Machtkampf bahnt sich dementsprechend nicht an. Marko wird aller Voraussicht nach seinen Vertrag bis Ende 2024 erfüllen, was danach passiert entscheiden einerseits die Anteilseigner, andererseits aber auch er selbst. Nach Ansicht Schumachers wird sich das Problem ohnehin von alleine regeln. "Helmut Marko wird nicht ewig diesen Stress haben wollen, auf die Rennstrecke zu fliegen." Dass sich der 80-Jährige nach und nach aus dem operativen Geschäft zurückziehen wird, ist deshalb nur eine Frage der Zeit.

Max Verstappen
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Formel 1, Red-Bull-Zoff: Welche Auswirkungen hat das auf Max Verstappen?

Bleibt alles so wie es ist, wird sich für den amtierenden Weltmeister nicht viel ändern. In Marko hätte Verstappen weiterhin eine vertraute Bezugsperson an seiner Seite, welche ihm den Rücken freihält, damit er sich aufs Sportliche konzentrieren kann.

Sollte jedoch der Fall eintreten, dass Marko tatsächlich aus dem Unternehmen gedrängt wird, stellt sich die Frage, wie Verstappen damit umgeht. Bislang starteten andere Teams nicht wirklich Versuche, den 26-Jährigen aus seinem RB-Vertrag herauszulocken, wohl wissend, dass Verstappen und Red Bull eine eingespielte Einheit bilden, die weiß, was sie voneinander hat.

Bei einem Marko-Aus könnte sich das ändern. Auch der impulsive Niederländer könnte plötzlich Interesse an einem Wechsel zu einem anderen Rennstall zeigen. Seit Jahren wird Ferrari Interesse an ihm nachgesagt, zumindest vom Namen und der Strahlkraft könnte ein Engagement bei den Roten auch für Verstappen verlockend wirken.

Letztlich kommt es für den Niederländer aber vor allem auf die Konkurrenzfähigkeit an. Mehr als alles andere möchte der Verstappen Rennen und Titel gewinnen und sich einen Rekord nach dem anderen einverleiben. Kommt das richtige Angebot vom richtigen Team zur richtigen Zeit, ist ein Ausbruch aus dem Red-Bull-Kosmos aber durchaus denkbar.

Max Verstappen
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