"ManUnited ist meine Mannschaft"

Dagur Sigurdsson trifft mit dem DHB-Team zum WM-Auftakt auf Polen
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Dagur Sigurdsson steht vor seiner großen Bewährungsprobe als neuer DHB-Coach. Vor dem WM-Auftakt gegen Polen (Fr., 17 Uhr im LIVE-TICKER) spricht der 41-jährige Isländer über seinen Karriereweg, das DFB-Team als Vorbild und sein Ziel für Katar. Außerdem Thema: seine Fußballer-Karriere, sein Abenteuer in Japan und sein Rocker-Bruder.

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SPOX: Dagur, bevor wir zum Handball kommen, wie ist es eigentlich so, der Bruder von einem Star-Musiker zu sein?

Dagur Sigurdsson: (lacht) Es ist cool. Wobei ich nicht sagen würde, dass Bjarki schon ein Star ist. Aber es stimmt, mein Bruder spielt in Island in einer guten Band namens Mono Town. Sie waren im letzten Jahr schon sehr erfolgreich und sowohl für das beste Lied als auch für die beste Platte nominiert - und mein Bruder als bester Sänger. Es ist echt eine coole Band, da müsst Ihr mal reinhören.

SPOX: Das werden wir machen. Musik ist eine große Leidenschaft bei den Sigurdssons, Handball natürlich sowieso, was noch?

Sigurdsson: Golf ist bei uns auch noch ganz groß. Golf ist quasi unser Familiensport, wenn so etwas ansteht wie der Ryder Cup im letzten Jahr, ist das ein großes Thema bei uns. Jeder schaut dann zu und fiebert mit. Bei mir lief auf dem einen Bildschirm Handball, auf dem anderen Golf.

SPOX: Wenn wir zu Ihnen persönlich kommen, fällt einem auch sofort eine große Verbindung zum Fußball auf. Sie hätten vielleicht auch Profi-Fußballer werden können, oder?

Sigurdsson: Das stimmt, ich habe auch einige Länderspiele für unsere U-17-Nationalmannschaft gemacht. Ich war Innenverteidiger oder Sechser, ich konnte beides gut spielen. (lacht) In Island ist es so: Im Sommer wird Fußball gespielt und im Winter wird Handball gespielt, so ist es üblich. Bei mir ist es dann irgendwann in die Handball-Richtung gegangen. Wir hatten im Handballverein mehr Erfolg, es war ein toller Jahrgang, u.a. mit meinem Kumpel Olafur Stefansson, so hat es sich dann entwickelt. Aber ich bin immer noch ein großer Fußball-Fan und verfolge vor allem die Premier League. ManUnited ist meine Mannschaft. Unter Louis van Gaal geht es ja jetzt zum Glück wieder zumindest leicht aufwärts.

SPOX: Es tut sich ja auch was im isländischen Fußball, das hat zum Beispiel der Sieg gegen die Niederlande in der EM-Quali gezeigt.

Sigurdsson: Es hat so vor zehn Jahren angefangen, dass der Fußball in Island immer stärker wurde. Es wurden Fußballhallen gebaut, sodass auch im Winter gespielt werden konnte. Die Bedeutung hat stark zugenommen, auch ein bisschen auf Kosten des Handballs. Ich glaube auf jeden Fall daran, dass wir uns für die Fußball-EM in Frankreich qualifizieren können, auch wenn die Gruppe natürlich schwierig ist.

SPOX: Fußball ist im Kommen, aber Handball ist immer noch der große Nationalsport in Island. Jeder Isländer wird die WM in Katar schauen.

Sigurdsson: Ich habe ja mal gesagt, dass in Island jeder, der Augen hat, auch Handball schaut, das gilt immer noch. Bei großen Turnieren sind die Einschaltquoten enorm, der Marktanteil beträgt dann im isländischen Fersnehen 80, 85 Prozent, das ist schon Wahnsinn. Und jemand wie Olafur Stefansson ist bei uns vom Standing her vergleichbar mit Messi oder Ronaldo, das kann man definitiv so sagen.

SPOX: Mit Stefansson, mit dem Sie seit der E-Jugend zusammenspielten, sind Sie 1996 von Reykjavík gemeinsam nach Deutschland gekommen. Sie wechselten beide nach Wuppertal in die 2. Liga. Wie kam es dazu?

Sigurdsson: Es war ganz einfach: Wir wollten gemeinsam den Schritt nach Deutschland machen und bekamen ein gutes Angebot aus Wuppertal, der Verein war sehr ambitioniert und wollte unbedingt aufsteigen. Das haben wir dann auch sofort im ersten Jahr geschafft. Ich hatte vier tolle Jahre in Wuppertal.

SPOX: Sie sind dann auch mit 24 Jahren gleich Kapitän geworden. Eine Weltkarriere als Spieler, wie sie dann Olafur in der Folge machte, war Ihnen aber nicht vergönnt. War für sie früh klar, dass Sie die Trainerschiene einschlagen wollen?

Sigurdsson: So richtig klar war mir das nicht, es war eher Zufall. Ich hatte große Verletzungsprobleme, meine Knie haben riesigen Ärger gemacht. So ist dann auch 2000 mein Wechsel nach Japan zu Hiroshima zustande gekommen. Dort konnte ich die Belastung besser steuern.

SPOX: Sie sprechen es an, Sie sind mit 29 nach Japan aufgebrochen. Ein Abenteuer?

Sigurdsson: Ein ganz großes Abenteuer. Vor allem ein spannendes. Die japanische Liga war damals natürlich ziemlich klein, aber dann wurde richtig investiert. Es sind einige Stars wie die Franzosen Stephane Stoecklin oder Frederic Volle nach Japan gekommen, auch einige Russen waren dabei. Pro Mannschaft waren zwei Ausländer erlaubt. Es war für mich eine supertolle Zeit, aus der ich sehr viel mitgenommen habe. Ich versuche, auch heute immer noch den Kontakt nach Japan zu halten und dem Handball dort ein bisschen zu helfen. Ich verehre die japanische Kultur, weil sie wirklich überragend ist. Ob es die Musik war, das Theater, die Geschichte - Japan hat mich extrem fasziniert.

SPOX: Als nächster Schritt ging es weiter nach Bregenz, wo Sie Ihre ersten großen Erfolge als Trainer eingefahren haben. Neben nationalen Meistertiteln waren auch Paukenschläge wie ein CL-Sieg gegen Magdeburg dabei. Wie haben Sie die Zeit in Bregenz erlebt?

Sigurdsson: Bregenz war natürlich wieder eine völlig andere Welt als Japan, aber es war genau die richtige Entwicklungsmöglichkeit für mich. Der Verein wird wie ein ganz großer Klub geführt, extrem professionell, auf der anderen Seite geht es aber auch noch sehr familiär zu. Bregenz war eine perfekte Schule für mich.

Seite 1: Sigurdsson über seinen Rocker-Bruder, isländischen Fußball und Japan

Seite 2: Sigurdsson über das Ziel für Katar und den DFB als Vorbild

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