Robin Dutt vom VfL Bochum im Interview: "Der Kampf gegen eSports könnte verloren gehen"

Robin Dutt warnt vor dem Spannungsverhältnis zwischen eSports und realem Fußball.
© getty

Bevor Robin Dutt den VfL Bochum als Trainer übernahm und sportlich stabilisierte, arbeitete er als Berater einer eSports-Firma - ein Gebiet, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung nicht nur für den deutschen Fußballmarkt gewann.

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Im Interview spricht Dutt über das Spannungsverhältnis zwischen eSports und dem realen Fußball und erklärt, wie man dieser Entwicklung in Zeiten der Digitalisierung Rechnung tragen könnte.

Hier geht es zum ausführlichen Interview mit Robin Dutt - unter anderem über seine Zeit ohne Fußball und die Rückkehr zu seinen Wurzeln beim VfL Bochum.

SPOX: Herr Dutt, nach dem Ende Ihrer Tätigkeit beim VfB Stuttgart im Mai 2016 waren Sie unter anderem Mitglied im Beirat und Berater der Firma eSportsReputation GmbH, einer Berateragentur für FIFA-Videospieler. Wie beobachten Sie die aktuellen Diskussionen rund um das Thema eSports?

Robin Dutt: Ich bin immer wieder überrascht, wie Schwarz-Weiß das Thema im realen Fußball gesehen wird. Mancherorts müsste man sich vielleicht etwas mehr damit beschäftigen, um zu verstehen, was eSports für den realen Fußball in Zukunft bedeutet.

SPOX: Inwiefern?

Dutt: Ich selbst bin Real-Fußballer, mein Herz liegt auf dem grünen Rasen. Meine Motivation ist, dass dies natürlich bestehen bleibt. Ich gehe aber mit offenen Augen durch eine digitalisierte Welt. eSports ist eine Lawine, die kommt und zur heutigen Zeit gehört - mit der ganzen Bandbreite von Strategiespielen wie League of Legends, Dota 2 bis hin zu den Sportspielen a la FIFA. Gerade die sind die Schnittstelle zum realen Fußball. Der echte Fußball muss sich allein deshalb schon damit beschäftigen, weil dort unsere Fans von morgen sind, die wir auf der Tribüne sehen wollen.

SPOX: Man könnte einwenden: Bereits heute sind Fans im Stadion, die zu Hause eSports-Spiele spielen.

Dutt: Das stimmt, aber es geht nicht nur um Acht- bis Zwölfjährige, sondern um die Bandbreite, vom Erstklässler bis zu Menschen Ende 20. Die Zielgruppe ist da und hat eine gemeinsame Schnittstelle, denn sie spielen momentan noch unsere gemeinsamen Idole nach: Messi, Ronaldo, Neymar, Bayern gegen Barcelona und so weiter. Und an diesem Punkt muss man jetzt eben in alle Richtungen phantasieren.

SPOX: Auf welchem Stand der Dinge befindet sich denn die Fußballbranche in Sachen eSports?

Dutt: Klar ist: Die Sache wird immer größer, es kommt immer mehr Geld hinein. Bei einem internationalen FIFA18-Turnier sind zwar "nur" 200.000 Euro im Pott, bei League of Legends kann es aber auch um höhere Summen gehen. Ich weiß, dass viele Marketingabteilungen großer Firmen das notwendige Budget zur Verfügung haben. Zum Teil kommen auch Sponsoren auf die Klubs zu und sagen, dass ein Teil ihres Geldes zweckgebunden sei: für eSports.

SPOX: Apropos Geld: Gerade unter den FIFA-Spielern sind Vereinswechsel bereits an der Tagesordnung.

Dutt: Stimmt, es gibt längst Profispieler, die zu Manchester City oder RB Leipzig gehen. In ein paar Jahren werden diese Spieler Star- oder Kultpotenzial besitzen. Was aber viel entscheidender ist: Wenn du 13 oder 14 bist und eSports-Profi werden willst, dann kommst du viel schneller auf das höchste Level als ein 13- oder 14-Jähriger im echten Fußball. Es geht also um die Zielgruppe von morgen und die gemeinsamen Sponsoren auf einem gemeinsamen Markt. Daher wäre der Real-Fußball sehr clever, wenn er sein ganzes Knowhow und seine Strukturen dafür verwenden würde, einen gemeinsamen Weg in die Zukunft zu gehen.

Robin Dutt: Seine Stationen als Trainer und Sportdirektor

AmtszeitVereinFunktion
seit 2018VfL BochumTrainer
2015 - 2016VfB StuttgartVorstand Sport
2013 - 2014Werder BremenTrainer
2012 - 2013DFBSportdirektor
2011 - 2012Bayer LeverkusenTrainer
2007 - 2011SC FreiburgTrainer
2003 - 2007Stuttgarter KickersTrainer
2002 - 2003Stuttgarter Kickers IITrainer
1999 - 2002TSF DitzingenTrainer
1995 - 1999TSG LeonbergSpielertrainer

SPOX: Der Real-Fußball wäre in Ihren Augen also schlecht beraten, würde er eSports als Konkurrenten betrachten?

Dutt: Absolut. Dieser Kampf könnte nicht in fünf Jahren, aber in ein, zwei Jahrzehnten verloren gehen. DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte, der Fußball gehöre auf den Rasen. Da stimme ich zu, da gehört er auch hin - aber er ist inzwischen schlichtweg auch schon als eSports Realität zu Hause.

SPOX: In Frankreich und den Niederlanden sind die Erstligisten dazu verpflichtet, ein eSports-Team zu besitzen. Eine solche Regelung würde doch in Deutschland wieder nur zu Protesten der Fans führen, oder?

Dutt: Kann sein, dass es dann Widerstände geben könnte. Das sollte man aber von zwei Seiten diskutieren: Verkauft man dadurch die Tradition oder ist das eine Maßnahme zum Erhalt der Tradition? Man kann versuchen, sich vor der Digitalisierung zu verschließen, aber es hat doch nahezu jeder Fan inzwischen ein hochmodernes Smartphone in der Tasche und telefoniert nicht mit der Wählscheibe. Ich glaube sogar, dass der Großteil der Fans selbst zockt. Der Fan befindet sich ja auch im Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Digitalisierung.

SPOX: Spielen Sie eigentlich selbst?

Dutt: Ab und zu spiele ich FIFA. Ich kann es ein bisschen, doch das ist biedere Kreisklasse im Vergleich zu den richtigen Cracks. Mein Sohn spielt mich jedenfalls her.

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