Javi Martinez beschert dem FC Bayern den Supercup: Das perfekte Drehbuch

Javi Martinez erzielte den Siegtreffer des FC Bayern gegen den FC Sevilla.
© imago images / Sven Simon

Ausgerechnet Javi Martinez beschert dem FC Bayern das zweite Quadruple. Das goldene Kopfballtor im Finale gegen den FC Sevilla dürfte zugleich das Abschiedsgeschenk des 32-jährigen Spaniers gewesen sein (die Highlights im Video). Wohin es ihn zieht, ist weiterhin offen.

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In der ersten Saison das Triple, in der letzten Saison das Triple: Das Drehbuch über die Zeit von Javi Martinez beim FC Bayern las sich schon nach dem 23. August 2020 wie eine der etwas schnulzigeren Schnulzen des Fußballs.

Dass der Mittelfeldspieler bei den Triumphen in der Bundesliga, im DFB-Pokal und der Champions League eine eher untergeordnete Rolle in der Siegermannschaft von Hansi Flick einnahm, interessierte niemanden. Auch er selbst schien sich mit dem Gedanken abgefunden zu haben, in Lissabon seine letzten Tage als Bayern-Spieler erlebt zu haben. Bei der Hülle und Fülle der Angebote aus dem Ausland war es für die Verantwortlichen des FCB nur eine Frage der Zeit, bis er wechseln würde.

Nun steht Martinez einen Monat nach dem epochalen 1:0-Sieg über Paris Saint-Germain noch immer bei den Münchnern unter Vertrag. Seine geplante Rückkehr zu Athletic Bilbao ist aus finanziellen Gründen ins Stocken geraten. Für Martinez offensichtlich kein Drama. Er verzichtete zwar zu Beginn der Woche auf den traditionellen Lederhosen-Fototermin mit seinen Kollegen bei einem Biersponsor, entschloss sich aber dazu, sportlich noch einmal in Erscheinung zu treten.

"Ich bin froh, dass ich ihn dabei habe", sagte Trainer Flick vor dem Supercup gegen den FC Sevilla, gab aber zu, dass er selbst verdutzt über Martinez' Anwesenheit sei. "Gestern habe ich noch gelesen, dass er auf dem Weg nach Bilbao ist."

Javi Martinez wird zum Helden des FC Bayern: "Ein Traum"

Vielleicht wollte das Urgestein einfach noch ein weiteres Siegerfoto für seine Sammlung, die Trophäe Nummer 21 als baskischer Bayer einheimsen - so dachte man, so dachte Martinez wohl zu einem gewissen Teil selbst. Tatsächlich sollte er am Ende zum entscheidenden Mann des Triumphes von Budapest avancieren. Noch mehr als 2013, als er in der Nachspielzeit der Verlängerung dem FC Chelsea das späte 2:2 eingeschenkt und so das Elfmeterschießen möglich gemacht hatte, das die Münchner mit fünf von fünf erfolgreichen Schüssen für sich entscheiden sollten.

Diesmal, sieben Jahre später, erzielte Martinez fünf Minuten nach seiner Einwechslung in der 99. Minute den umjubelten Siegtreffer. Nach einem Eckstoß, den die tapfer kämpfenden Andalusier nicht konsequent genug verteidigten, lauerte er am Elfmeterpunkt und köpfte den Ball infolge eines geblockten Schusses von David Alaba mit all seiner Wucht rein in die Maschen, rein ins Glück. Die Bayern gewannen 2:1 nach Verlängerung und die Schnulze wurde um ein weiteres schnulziges Kapitel reicher.

"Das ist ein Traum", sagte Martinez nach dem Abpfiff bei Sky. "Ich versuche immer 100 Prozent zu geben, wenn ich in diesem Trikot spiele, auch wenn es nur zehn oder 15 Minuten sind. Das habe ich auch heute gezeigt."

Martinez bekommt den Pokal in die Hände gedrückt

Viel mehr wollte er in der Öffentlichkeit nicht von sich geben. Auch bei der Siegerehrung drängte er sich nicht in den Mittelpunkt. Im Gegenteil: Martinez stand geradezu abseits des Geschehens, so als würde er sich freiwillig mit der Rolle des stillen Genießers zufriedengeben und noch einmal die schwierigen Momente in der jüngeren Vergangenheit Revue passieren lassen.

Die vielen Verletzungen, die ihn ausbremsten. Die vielen Spiele als Reservist, wie etwa vor einem Jahr unter Ex-Trainer Niko Kovac, als er auf der Ersatzbank mit den Tränen kämpfte und der damalige Assistenzcoach Flick ihn tröstete.

Am Ende mussten ihm seine Mitspieler den Pokal sogar in die Hände drücken, damit er ihn noch einmal den mitgereisten Fans präsentierte. Das Narrativ vom zurückhaltenden und bescheidenen Martinez wollte einer seiner engsten Kollegen nach der Corona-bedingten Mini-Sause in der Puskas-Arena aber nicht stehen lassen. "Der Javi ist schon auch ein verrückter Vogel", flachste Thomas Müller.

Thomas Müller über Javi Martinez: "Die Kirsche auf der Sahne"

Müller und Martinez kennen sich seit 2012. Der FCB holte den Spanier damals auf Geheiß von Jupp Heynckes für die Rekordsumme von 40 Millionen Euro aus Bilbao und erntete dafür hier und da Kritik. Schließlich war Martinez zu jenem Zeitpunkt nicht unbedingt in der Kategorie "Weltklasse" anzusiedeln.

Schon in seiner ersten Saison aber sollte er seine Kritiker Lügen strafen. Neben Bastian Schweinsteiger war er der Stabilisator im Mittelfeld, der Mann für die Drecksarbeit, der seine Gegenspieler nervte und Räume zulief, die andere nicht zuliefen. Auch dank ihm gewann der FCB zum ersten Mal das Triple. Was im Fußball aber oft haften bleibt, ist das Ende, der letzte Eindruck. Und nach Donnerstagabend dürften sich alle, die es mit den Bayern halten, noch einmal bestätigt darin fühlen, dass die 40 Millionen Euro in Martinez nicht schlecht angelegt waren.

"Er hat dem Verein viel gegeben", sagte Müller, das Tor im Supercup sei nur "die Kirsche auf der Sahne" gewesen. "Man kann sich immer auf ihn verlassen. Wenn er gebraucht wird, ist er einfach zu 100 Prozent da", schwärmte auch Flick von der Vereinslegende. Martinez sei "ein Spieler, der auf dem Platz mit seiner Erfahrung und seiner Mentalität auch wie heute Spiele gewinnt".

FC Bayern: Abschied von Javi Martinez rückt näher

Es war aller Voraussicht nach sein letztes für die Bayern. Er will wieder häufiger spielen, was aufgrund der hohen Konkurrenz in München derzeit schwierig ist. Sollte sein Wechsel nach Bilbao scheitern, bieten sich ihm dem Vernehmen nach noch genügend andere Optionen. Aus Katar, Saudi-Arabien, aber auch den USA sollen ihm Anfragen vorliegen.

In Spanien kursiert außerdem das Gerücht, wonach ein asiatischer Klub bereit sei, Martinez einen hoch dotierten Vertrag zu offerieren, der seinem aktuellen in München in nichts nachstehe. "Ich denke, das ist kein Thema für jetzt. Er muss das in den nächsten Tagen entscheiden", sagte Flick vor der Abreise aus Budapest.

Bis zum 5. Oktober hat das Transferfenster in Deutschland noch geöffnet. "Ich weiß nicht, was in den nächsten Tagen passiert, aber wenn ich mich so verabschiede, ist das natürlich ein Traum, etwas Unglaubliches", sagte Martinez im spanischen Fernsehen. Für den Moment liege sein Fokus auf Sonntag, wenn die Bayern am zweiten Bundesliga-Spieltag bei der TSG Hoffenheim ran müssen. "Wenn ich dabei bin", versprach der Matchwinner, "werde ich alles geben". Wie man es von ihm kennt.

Javi Martinez im Steckbrief

geboren02. September 1988 in Estella-Lizarra (Spanien)
Größe1,92 m
Gewicht86 kg
PositionDefensives Mittelfeld, Innenverteidigung
starker Fußrechts
StationenCA Osasuna Jugend, CA Osasuna B, Athletic Club, FC Bayern München