Thesen zur La-Liga-Saison: Nicht nur Suarez' Meisterschaft - Mbappe würde Reals Probleme nicht lösen - Barca braucht keinen neuen Trainer

Ronald Koeman ist Trainer des FC Barcelona.
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Erstmals seit 2014 gewinnt nicht Real Madrid oder der FC Barcelona die spanische Meisterschaft. Der Triumph von Atletico Madrid verdeutlicht, dass die beiden Großen neue Impulse benötigen. Drei Thesen zur Meisterschaft.

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1. Nicht nur Suarez' Meisterschaft

Zehn Punkte Vorsprung waren es zwischenzeitlich mal. Aber was wäre Diego Simeones Atletico Madrid schon ohne Nervenkitzel? "Wir mussten leiden", sagte "El Cholo" mit heiserer Stimme nach dem Gewinn seiner zweiten Meisterschaft als Trainer der Colchoneros. "Aber das war es wert."

Das Fernduell mit Stadtrivale Real Madrid am Samstag entwickelte sich zu einem spannenden Herzschlagfinale. Simeones Elf ließ sich nach dem 0:1-Pausenrückstand bei Real Valladolid jedoch nicht beirren und drehte das Spiel. Ausgerechnet Luis Suarez erzielte das entscheidende 2:1 - derjenige, den die Verantwortlichen des FC Barcelona infolge der historischen 2:8-Klatsche gegen den FC Bayern in der vergangenen Saison für zu alt und schwach befunden und ablösefrei an den direkten Ligarivalen verscherbelt hatten.

"Man hat mich bei Barca nicht wertgeschätzt", sagte der 34-Jährige nach der Partie in Valladolid mit Tränen in den Augen. "Das war das Jahr, in dem meine Familie und ich am meisten gelitten haben. Ich bin Atletico, diesem großartigen Klub, immer dankbar, dass er mir diese Chance gegeben hat."

Suarez steuerte insgesamt 21 Treffer zur Meisterschaft bei. Es war aber nicht nur der Uruguayer, der Atletico erstmals seit 2014 den bedeutendsten Titel im spanischen Fußball bescherte.

Simeones Mannschaft erwies sich über weite Strecken der Saison hinweg als stabiles Kollektiv, das sich immer auf Torhüter Jan Oblak verlassen konnte, wenn die meist souveräne Abwehr um Stefan Savic einmal nicht zur Stelle war. Zugleich profitierte das Team aber auch von einem ausgereiften Mittelfeld um Kapitän Koke und Universalspieler Marcos Llorente sowie der individuellen Klasse von offensiven Edeltechnikern wie Joao Felix oder Yannick Carrasco.

2. Mbappe würde Reals Probleme nicht lösen

"Wir waren am Konstantesten - und deshalb sind wir zu Recht Meister", sagte Suarez. Zumindest in Barcelona wird ihm niemand widersprechen, hatten sich seine früheren Kollegen um Kumpel Lionel Messi nach mehreren desolaten Patzern gegen vermeintlich schlagbare Kontrahenten wie Granada oder Levante schon am drittletzten Spieltag endgültig aus dem Meisterrennen verabschiedet.

Stadtrivale Real hingegen mischte trotz etlicher, Corona- und verletzungsbedingter personeller Widrigkeiten bis zum Schluss mit, behielt auch im letzten Spiel gegen Villarreal mit 2:1 die Oberhand. Die Enttäuschung bei den Königlichen war hinterher aber noch ein Stückchen größer als bei den Katalanen. Denn: Für Real endete die Saison titellos, während Barca immerhin noch die Copa del Rey gewann.

In Vor-Corona-Zeiten hätte das wohl eine gewaltige Transfer-Offensive der Blancos nach sich gezogen. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist der Klub aber nicht zu großen Investitionen fähig. Um Superstars wie Kylian Mbappe oder Erling Haaland gibt es zwar immer wieder Gerüchte, doch bevor Transfers galaktischer Größenordnung realisiert werden könnten, müssten einige Spieler von der Gehaltsliste gestrichen und gewinnbringend verkauft werden. Eden Hazard und Luka Jovic zum Beispiel, die zusammen 180 Millionen Euro kosteten - und kolossal floppten. Doch wer möchte in der aktuellen Situation tief für solche Spieler in die Tasche greifen?

Daher ist Stand jetzt nur mit einer Verpflichtung von David Alaba zu rechnen. Der Noch-Münchner dürfte Reals Probleme aber ebenso wenig wie Mbappe oder Haaland im Alleingang lösen. Es mangelt schon länger an einer ausgeklügelten Spielidee. Darüber hinaus haben sich sündhaft teure Hoffnungsträger wie Vinicius Junior und Rodrygo seit ihrer Ankunft in Madrid taktisch und spielerisch kaum weiterentwickelt.

Der zu erwartende Abschied des an Amtsmüdigkeit leidenden Trainers Zinedine Zidane kann insofern eine Chance sein. Andererseits sind des Franzosen Charisma und Bezug zu einigen Spielern nicht zu unterschätzen, zumal mit dem nur noch bis 30. Juni an den Klub gebundenen Kapitän Sergio Ramos ein weiterer Eckpfeiler zu gehen und damit die Hierarchie in der Mannschaft völlig auf den Kopf zu stellen droht.

3. Barca braucht keinen neuen Trainer

Viele ungeklärte Fragen gibt es auch in Barcelona. Anführer Messi soll - anders als Ramos bei Real - mittlerweile zwar zu einer Vertragsverlängerung tendieren, der 33 Jahre alte Argentinier braucht aber wieder Spieler um sich, die ihn besser machen.

Während die Abwehr um den teils desolaten Clement Lenglet weiterhin wackelt und sich Transfers wie von Miralem Pjanic als völlig sinnfrei erwiesen haben, klafft nach Suarez' Abgang eine riesige Lücke im Sturmzentrum. Gut möglich, dass Messis Nationalmannschaftskollege Sergio Agüero sie schließt, der neue alte Präsident Joan Laporta wird aber trotzdem zu weiteren Investitionen gezwungen sein, wenn Barca in der neuen Saison wieder um alle Titel mitspielen möchte. Aber auch bei den Cules gilt: Ohne Verkäufe keine Käufe.

Auf dem Trainerposten bei Barca hingegen ist eine Veränderung nicht erforderlich. Wenngleich Ronald Koeman, der nach eigenen Angaben "in letzter Zeit nicht mehr das Vertrauen der Verantwortlichen gespürt" hat, alles andere als fest im Sattel sitzt: Der Niederländer hat die schwierige erste Phase des Umbruchs eingeleitet und viele junge Spieler wie Pedri, Ronald Araujo oder Ilaix Moriba nachweislich gefördert.

Der Altersdurchschnitt von Barcas aktuellem Kader (25,8 Jahre) ist sogar niedriger als der von Real (27,5) und Atletico (27,8). Koeman lag aber nicht falsch, als er kürzlich sagte: "Dieser Kader hat nicht die Qualität, den wir hier bei Barca wollen." Es braucht neue Impulse - sonst wären weitere Atletico-Triumphe in nächster Zeit nicht überraschend.

Simeones Truppe bleibt in weiten Teilen so zusammen wie bisher. Die Mission ist nicht beendet - schon gar nicht die von Suarez. "Ich bleibe - und möchte weiter Geschichte schreiben", kündigte "El Pistolero" am Tag nach dem Gewinn des Meistertitels an.

La Liga: Die Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Atlético Madrid3867:254286
2.Real Madrid3867:283984
3.FC Barcelona3885:384779
4.FC Sevilla3853:332077
5.Real Sociedad3859:382162
6.Betis Sevilla3850:50061
7.FC Villarreal3860:441658
8.Celta de Vigo3855:57-253
9.Athletic Bilbao3846:42446
10.FC Granada3847:65-1846
11.CA Osasuna3837:48-1144
12.Cádiz3836:58-2244
13.FC Valencia3850:53-343
14.Levante3846:57-1141
15.Getafe3828:43-1538
16.Deportivo Alavés3836:57-2138
17.Elche3834:55-2136
18.Huesca3834:53-1934
19.Real Valladolid3834:57-2331
20.SD Eibar3829:52-2330
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