Tod mit 23 Jahren: Die tragische Geschichte von Juve-Glückskind Andrea Fortunato

Von Paolo Camedda
fortunato
© getty

Andrea Fortunato legte eine Bilderbuchkarriere hin, die ihn bis zu Juventus Turin und in die italienische Nationalmannschaft brachte. Doch dann schlug das Schicksal zu. Heute wäre er 52 Jahre alt geworden.

Cookie-Einstellungen

Ein Trikottausch ist immer auch Ausdruck einer besonderen Beziehung: Als sich Matteo Ruggeri und Giorgio Chiellini Ende November ihre Shirts in die Hände drücken, ist es aber viel mehr als das.

Es geht dabei gar nicht um das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Salernitana-Linksverteidiger und der Juventus-Ikone, sondern darum, dass zwei Spieler, die beide das Trikot mit der Drei tragen, einen anderen Spieler ehren, der ebenfalls die Drei auf dem Shirt hatte. Sie würdigen Andrea Fortunato, der aus Salerno stammte und für Juve spielte - und mit nur 23 Jahren starb.

Fortunato heißt auf deutsch 'glücklich', was im Fall des Linksfußes nur als Ironie des Schicksals verstanden werden kann. Zumindest für seine Jugend und den Anfang seiner Profi-Laufbahn passt das Wort aber, denn Fortunato hat das Glück, mit viel Fußball-Talent gesegnet zu sein.

Zwar probiert er sich zunächst beim Schwimmen und Wasserball aus, doch als er den Ball an seinen Füßen hat, wird er schnell entdeckt und darf mit 13 Jahren zu Probetrainings bei den Profiklubs im ganzen Land reisen.

Andrea Fortunato (m.) wurde nur 23 Jahre alt.
© getty
Andrea Fortunato (m.) wurde nur 23 Jahre alt.

Mit Panucci eines der besten Außenverteidiger-Pärchen

Er entscheidet sich für Como und feiert dort mit 18 Jahren sein Debüt in der ersten Mannschaft. Schnell wird er zum Stammspieler, was noch größere Teams auf den Plan ruft. Zwei Jahre später geht es zu Genoa, wo er mit Christian Panucci auf rechts eines der besten Außenverteidigerpärchen der Liga bildet. In der Saison 1992/93 rettet Fortunato seinen Klub am letzten Spieltag mit seinem Tor zum 2:2 gegen Milan vor dem Abstieg in die Serie B. "Wenn du uns hilfst, das Team zu retten, werden wir dich gehen lassen", lautete das Versprechen der Klub-Bosse - und sie halten Wort. Fortunato wechselt für die damals stolze Summe von zehn Milliarden Lire zu Juventus.

Bei den Bianconeri startet Fortunato auch sofort durch und wird schon nach knapp drei Monaten zum Nationalspieler: Er darf für die Squadra Azzurra in der WM-Quali beim 3:0 gegen Estland ran. "Ich werde immer alles geben und am Ende mit erhobenem Kopf vom Platz gehen, weil ich mich nicht geschont habe", verspricht Fortunato den Tifosi.

Ein echtes Glückskind, das einen steilen Aufstieg hingelegt hat. Doch plötzlich schlägt das Schicksal zu - und zunächst bemerkt es niemand so wirklich. Im Frühjahr 1994 werden Fortunatos Leistungen schlechter, er hat immer leichtes Fieber und wird es nicht los. Trotzdem spielt er - aber nicht gut, sodass ihn die Juve-Fans am Saisonende auspfeifen, weil sie ihm Faulheit und einen Dolce-Vita-Lebensstil vorwerfen.

Ende Mai 1994 wird Fortunatos Erschöpfung immer größer, sodass der Juve-Mannschaftsarzt beschließt, den Spieler zu Tests ins Krankenhaus zu bringen. Die erschütternde Diagnose der Ärzte dort lautet Leukämie, also Blutkrebs. Sofort bekommt Fortunato eine Chemotherapie und muss drei Wochen auf der Intensivstation verbringen.

Fortunato: "Man muss jeden Tag ganz bewusst leben"

Eine Knochenmarkspende soll ihm helfen, doch auf der ganzen Welt gibt es nur drei passende Spender, die allesamt zu weit weg wohnen, um helfen zu können. Also probieren die Ärzte einen anderen Weg und transplantieren gesunde Zellen von Fortunatos Schwester Paola, doch nach einiger Zeit erfolgt eine Abstoßungsreaktion, sodass keine schnelle Besserung in Sicht ist. "Mir ist klar, dass es keinen Sinn macht, langfristige Pläne zu machen. Man muss jeden Tag ganz bewusst leben", sagt Fortunato.

Und das tut er - und langsam verbessert sich sein Zustand. Im Oktober 1994 kann er das Krankenhaus verlassen, nimmt sogar das Training wieder auf und ist im Februar 1995 wieder ein Teil des Juve-Kaders. Alles sieht wieder gut für Fortunato aus, der in einem Interview nachdenklich und gleichzeitig glücklich Auskunft über die schwere Zeit gibt. "Man weiß, dass die Ärzte einem nicht alles sagen. Man versucht, die Lügen aufzudecken. Aber dann will man sich selbst wieder davon überzeugen, denn sonst wird man verrückt", erklärt Fortunato.

Kurze Zeit später folgt der Einbruch: Eine Lungenentzündung schwächt Fortunatos Immunsystem, sodass er am 25. April 1995 stirbt. Das Schicksal des Fußballers, der erst glänzte, dann litt und immer wieder hoffte, bewegt ganz Italien. Mehr als 5000 Menschen kommen zu seiner Beerdigung, auf der Juventus-Kapitän Gianluca Vialli sagt: "Wir hoffen, dass es im Himmel eine Fußballmannschaft gibt."

Und Richtung Himmel zeigt bei seinem Jubel dann auch Juves Giorgio Chiellini, als er bei Salernitana Ende November ins Tor trifft. Dass der Treffer, den er Andrea Fortunato widmen will, wegen einer Abseitsposition nicht anerkannt wird, passt irgendwie zur Geschichte des großen Talents, das vom Glück verlassen wurde.

Artikel und Videos zum Thema