FC Chelsea unter Frank Lampard: Mit der Bilanz eines Zug-Sitzplans

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Man dachte beim FC Chelsea, dass es gar nicht mehr schlimmer werden kann - doch dann kam Frank Lampard. Über die verheerende Gesamtsituation beim Champions-League-Sieger von 2021.

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Nach der Entlassung von Graham Potter übernahm Frank Lampard Anfang April interimistisch das Traineramt beim FC Chelsea und hat seitdem alle sechs Pflichtspiele verloren. Die neueste Episode: ein kraftloses 1:3 gegen den Stadtrivalen FC Arsenal am Dienstag, woraufhin sämtliche sogenannte Experten genüsslich über Chelsea herfielen.

Abgesehen davon sorgte Lampards bisherige Bilanz "LLLLLL" bereits für einigen durchaus kreativen Spott. Da gibt es unter anderem den Witz, dass sie dem Sitzplan eines Zuges nachempfunden sei. Der englische Guardian nannte Lampard den Trainer mit mehr Ls als die walisische Stadt Llanfairpwllgwyngyll.

Tatsächlich ist Llanfairpwllgwyngyll nur die Abkürzung für den kompletten Stadtnamen Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch, mit 58 Buchstaben der längste des Planeten. Auf so viele Ls wird selbst Lampard in dieser Saison nicht mehr kommen. Fünf Spiele stehen noch aus. Sollten alle Rivalen ihre Spiele gewinnen, braucht Chelsea für den Klassenerhalt noch vier Punkte. Klassenerhalt also. Soweit ist es schon gekommen.

Zumindest das wird der seit 1989 erstklassige Traditionsklub schon irgendwie schaffen, im Sommer soll dann aller Voraussicht nach Mauricio Pochettino übernehmen. Fragen bleiben aber, sowohl für den Trainer als auch den Klub: Wird unter Pochettino wirklich alles besser? Wird Frank Lampard jemals wieder eine Anstellung in der Premier League bekommen?

Frank Lampards unglückliche Trainerkarriere

Zunächst zu Lampard und seinen bisher ziemlich verheerenden Leistungsnachweisen als Profitrainer. Nach einem knapp verpassten Aufstieg mit Derby County bekam er 2019 den Cheftrainer-Posten bei seinem Herzensklub Chelsea anvertraut. In seiner ersten Saison führte er die Mannschaft gerade so in die Champions League, scheiterte in der Königsklasse aber chancenlos am späteren Sieger FC Bayern München.

Im Winter seiner zweiten Saison wurde Lampard auf Platz neun entlassen. Es mangelte nicht nur an positiven Ergebnissen, sondern auch an einer klar erkennbaren Taktik. Thomas Tuchel übernahm und holte noch in der selben Saison den Champions-League-Titel. Ach ja: Auch über die Premier League qualifizierte sich seine Mannschaft als Vierter für die Königsklasse.

Lampard wechselte nach einem Jahr Arbeitslosigkeit im Januar 2022 zum FC Everton. Unter seiner Ägide schlitterte die durchaus namhafte Mannschaft zunächst immer tiefer in den Abstiegskampf, rettete sich letztlich aber doch noch. An der Gesamtsituation besserte sich in der aktuellen Spielzeit nichts: Ende Januar zierte Everton punktgleich mit dem FC Southampton das Tabellenende, der Klub versank im Chaos.

"Ich weiß, dass ich kein Zauberer bin. Ich weiß, dass ich nicht der beste Trainer der Welt bin. Aber ich weiß, dass ich so hart wie möglich arbeiten werde, um so gut wie möglich zu sein", sagte Lampard damals - und wurde kurz darauf entlassen. Auf einem Abstiegsplatz liegt Everton zwar immer noch, unter Nachfolger Sean Dyche hat sich der Punkteschnitt aber verbessert.

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Chelsea: Historische Investitionen, historischer Negativlauf

Und damit zu Lampards neuem, alten, ganz alten Klub: Das Eigentümer-Konsortium um Todd Boehly hat seit der Übernahme von Roman Abramovich über 600 Millionen Euro in neue Spieler investiert, alleine 330 davon im Winter. Vor allem die Königstransfers Enzo Fernandez (121 Millionen Euro von Benfica Lissabon) und Mychajlo Mudryk (70 Millionen Euro von Shakhtar Donetsk) blieben bisher aber weit hinter den Erwartungen zurück.

Anfang der Saison feuerten die neuen Eigentümer überraschend Erfolgstrainer Tuchel, der mittlerweile beim FC Bayern München tätig ist. Unter seinem für viel Geld vom Ligarivalen Brighton & Hove Albion verpflichteten Nachfolger Graham Potter verlor die teure Mannschaft die Champions-League-Plätze aus den Augen und entwickelte sich auch spielerisch nicht weiter.

Lampard übernahm Anfang April einen Trümmerhaufen - und setzte seinen persönlichen Negativlauf nahtlos fort. Klub- und wettbewerbsübergreifend hat er die vergangenen zehn Pflichtspiele allesamt verloren. Das schaffte zuletzt 1988 ein gewisser Arthur Cox mit Derby County. Klub-Ikone Lampard wurde wohl nur deshalb inthronisiert, weil die Saison eh schon abgeschenkt war - und ein langfristiger Potter-Nachfolger somit nicht vorschnell verbrannt wird.

Todd Boehly: Fan-Diskussion und Kabinen-Besuch

Nachdem Chelsea in Folge der 0:2-Pleite im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Real Madrid in der Premier League gegen Brighton verloren hatte, lieferte sich Boehly auf der Tribüne der Stamford Bridge eine gestenreiche Diskussion mit aufgebrachten Fans. Seit Wochen besingen sie immer wieder Tuchel und Abramovich. Nach dem Disput hielt Boehly dem Vernehmen nach gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Behdad Eghbali und Hansjörg Wyss eine einstündige Brandrede in der Kabine.

"Die ganze Aktion war merkwürdig", zitierte der Guardian eine ungenannte Person, die dabei war. Angeblich pickten die Eigentümer im Zuge ihrer Rede einen einzelnen, im Laufe dieser Saison für viel Geld verpflichteten Profi als Sündenbock heraus. Positive Auswirkungen hatte die Aktion nicht, Chelsea verlor auch das Rückspiel gegen Real mit 0:2 und schied aus der Champions League aus.

Daraufhin verteidigte Führungsspieler Thiago Silva die gescheiterten Trainer - und attackierte stattdessen die Klubführung für den unverhältnismäßigen Kaufrausch. "Der erste Schritt wurde gemacht. Ein falscher Schritt, aber er wurde gemacht", sagte Silva bei TNT Sports. "Es ist eine schwierige Zeit für den Verein mit großer Unklarheit. Wir mussten sogar die Umkleidekabine vergrößern, weil sie nicht zur Größe des Kaders passte." Laut Silva müsse sich der Klub "eine Strategie zurechtlegen, sonst werden wir in der nächsten Saison die gleichen Fehler machen".

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FC Chelsea: Wie geht es weiter?

Der Vertrag des 38-jährigen Silva läuft noch bis 2024, etliche der teuren Neuzugänge sind dagegen für bis zu acht Jahre gebunden. Laut The Athletic bereuen einige Spieler bereits ihre langfristigen Unterschriften. Wegen des Verpassens der Champions League wird ihnen fortan das Gehalt um 30 Prozent gekürzt.

Berichten zufolge drohen Chelsea aufgrund der wegbrechenden Einnahmen ernsthafte Probleme mit dem Financial Fairplay. Als Konsequenz stünden generell alle Spieler zum Verkauf - treffen könnte es vor allem die wenigen Identifikationsfiguren, die schon länger im Klub sind. Mason Mount wird seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern.

Mit Christopher Nkunku von RB Leipzig steht unterdessen der nächste kostspielige Transfer bevor. Außerdem kehrt mit Mittelstürmer Romelu Lukaku ein weiterer Großverdiener von seiner Leihe zu Inter Mailand zurück. Bei der 1:3-Pleite gegen Arsenal spielte Pierre-Emerick Aubameyang im Sturmzentrum - und wurde nach neun Ballkontakten (vier davon beim Anstoß) zur Halbzeit ausgewechselt.

"Es gibt keine taktischen Gründe für die Niederlage. Das ist alles egal, wenn man die Grundlagen nicht hinbekommt", moserte Lampard danach. "Wir waren nicht gut genug, wir waren zu nett und zu passiv." Zuletzt hatte Lampard schon die Fitness seiner Mannschaft kritisiert - und sich somit einen Seitenhieb gegen Vorgänger Potter geleistet: "Ich denke, die Mannschaft braucht etwas körperliche Arbeit. Auf diesem Niveau muss man am Limit sein und da sind wir im Moment nicht." Tatsächlich sind bei Chelsea aktuell jegliche Limits weit, weit entfernt.

Premier League: Die Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Manchester City3387:305779
2.Arsenal3481:394278
3.Newcastle United3361:273465
4.Manchester United3249:391063
5.Liverpool3466:422459
6.Tottenham Hotspur3463:57654
7.Aston Villa3446:42454
8.Brighton & Hove Albion3161:402152
9.Brentford3452:44850
10.Fulham3445:46-145
11.Crystal Palace3435:45-1040
12.Chelsea3331:38-739
13.AFC Bournemouth3436:64-2839
14.Wolverhampton Wanderers3429:50-2137
15.West Ham United3437:50-1334
16.Leicester City3446:59-1330
17.Leeds United3443:67-2430
18.Nottingham Forest3430:62-3230
19.Everton3427:52-2529
20.Southampton3428:60-3224
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