Europa League: Eurofighter-Legende Yves Eigenrauch: "Huub Stevens meinte, ich sei ein Querulant"

Von Johannes Ohr
An Yves Eigenrauch kam Weltstar Ronaldo im UEFA-Cup kaum vorbei.
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Wie haben Sie sich auf das Finale vorbereitet?

Eigenrauch: Ich hatte keine besondere Vorbereitung. Ich hatte das Problem, dass ich in meinen sportlichen Qualitäten beschränkt war. Insofern war es eigentlich bei allen Spielen so, dass ich mir dachte 'Hoffentlich machst du das alles so, wie du das von dir selbst erwartest'. Das war grauenhaft. Die Stunden vor einem Spiel waren immer ganz, ganz übel, weil ich immer alle Szenarien durchgespielt habe.

Sie haben sich selbst unter Druck gesetzt?

Eigenrauch: Nicht unbedingt. Ich war mir meiner überschaubaren sportlichen Qualitäten einfach immer bewusst. Wenn du weißt, was deine Gegenspieler drauf haben und du selbst nicht mithalten kannst, ist das natürlich eine blöde Situation. (lacht) Klar hatte ich auch meine Qualitäten. Aber das war nie etwas, von dem ich jemals angenommen hätte, dass es reicht, um in der Bundesliga oder international spielen zu können. Das meine ich wirklich so.

Waren Sie überrascht, wie weit Sie es in Ihrer Karriere geschafft haben?

Eigenrauch: Ja klar. Ich habe relativ lange und konstant spielen dürfen. Es gab ja auch bei mir eine Entwicklung von der zweiten über die erste Liga. Der Sport hat sich in der Qualität über die Jahre auch verändert. Wir haben früher in den Neunzigern immer gesagt, dass Welten zwischen unserem Fußball - Stichwort Dynamik - und dem aus den 1970ern liegen. Wenn ich jetzt die 1990er-Jahre mit dem Fußball von heute vergleiche, liegen da keine Welten mehr, sondern Universen dazwischen. Das finde ich den ultimativen Hammer, was die heutigen Spieler drauf haben.

Gibt es einen Moment aus dem Finale, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Eigenrauch: Klar! Und zwar der Treffer zum Ausgleich. Ich habe danach nie wieder solch einen Lärm erlebt. Die Leute haben ja angefangen zu pfeifen. Das kannte ich vorher nicht. Das war dermaßen scheiße laut. Unvorstellbar. Das fand ich schon ziemlich krass. Und dann natürlich in der Verlängerung der Lupfer über Jens Lehmann, der nicht ins Tor, sondern an die Latte ging. Da habe ich kurzzeitig den Atem angehalten. Das sind so Momente, in denen einem alles mögliche durch den Kopf geht.

Wie haben Sie den Titel mit der Mannschaft gefeiert?

Eigenrauch: Das war eigentlich eine ganz lange Feier und ein besonderes Erlebnis. Nach unserem Rückflug und der Ankunft in Gelsenkirchen gab es am Folgetag einen Autokorso, der vom Parkstadion in die Stadt führte. Alle waren natürlich vollkommen übermüdet. Doch so einen Moment mit der Mannschaft, den gab es nicht.

Wer war Ihr härtester Gegenspieler in den zwei Finalspielen?

Eigenrauch: Das habe ich gar nicht präsent. Ich war eher fokussiert darauf, dass alles so funktioniert, wie man sich das selbst vorstellt.

Yves Eigenrauch: "Publikumsliebling? Das ist für mich viel zu abstrakt"

Sie waren Publikumsliebling - wie erklären Sie sich Ihre Beliebtheit und wie haben Sie den Rummel um Ihre Person wahrgenommen?

Eigenrauch: Das war für mich wie vieles in den Jahren viel zu abstrakt. Wenn man selbst nicht glaubt, gut zu sein, und einem dann trotzdem Sympathien entgegengebracht werden, ist das schön zu sehen, aber auch nicht wirklich greifbar. Ich habe immer gehofft, dass die Leute mein Engagement honorieren. Ich glaube, die Fans haben mitbekommen, dass ich ein ehrlicher, direkter Mensch bin. Wir haben uns bemüht, Autogramm-Anfragen gerecht zu werden und uns nach dem Training Zeit zu nehmen. Ich hoffe, dass diese menschliche, normale Haltung, die ich glaube gehabt zu haben, auch wahrgenommen wurde. Wenn ich mit einer Person gesprochen habe, dann bin ich ihr auf Augenhöhe begegnet. Einem Menschen eben.

Sie haben sich selbst nie zu wichtig genommen? Auf Schalke galten gerade in der Abstiegssaison viele Profis als abgehoben.

Eigenrauch: Ich weiß nicht, ob das teilweise auch Selbstschutz ist. Vielleicht habe ich das gemacht, aber ich habe es nie für mich so wahrgenommen, dass ich mich selbst auf eine andere Stufe gehoben habe. Ich war einfach nur jemand, der in dem Sinne privilegiert war und durch diverse Zufälle die Möglichkeit hatte, in der Bundesliga zu spielen. Nicht mehr und nicht weniger.

Sie galten damals schon fast als Intellektueller, weil Sie im Mannschaftsbus gerne mal ein Buch gelesen haben.

Eigenrauch: Ich bin kein Intellektueller und war das auch nie. Wenn über dieses bescheuerte Thema "Lesen" damals berichtet wurde, weil ich Dürrenmatt gelesen habe, habe ich mich darüber geärgert. Eigentlich dürfte man sich gar nicht drüber ärgern, weil es halt so dämlich ist. So profan. Und abgesehen davon. Klar habe ich gerne gelesen. Ich habe als Kind so gut wie nie gelesen. Es macht mir Spaß. Genauso wie Musik hören. Da finden sich neue Impulse, die man bekommen kann.

1997 hat der Ruhrpott vibriert. Schalke gewann den UEFA-Cup, Borussia Dortmund die Champions League. Wie haben Sie die Zeit erlebt?

Eigenrauch: In dem Jahr konnte sich ja auch noch Bochum nach Jahren erstmals wieder für den internationalen Wettbewerb qualifizieren. Das war schon etwas Besonderes und hat dabei geholfen, dass mehr Aufmerksamkeit auf das Ruhrgebiet gezogen wurde. Dass wir mit unserem Erfolg ein bisschen dazu beitragen konnten, fand ich sehr schön.

Yves Eigenrauch und Marc Wilmots beim Empfang der Schalker Eurofighter in der Arena auf Schalke im Rahmen der Aufstiegsfeier 2022.
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Yves Eigenrauch und Marc Wilmots beim Empfang der Schalker Eurofighter in der Arena auf Schalke im Rahmen der Aufstiegsfeier 2022.

Eigenrauch: "Dankbar, dass ich den Aufstieg miterleben durfte"

Vor rund zwei Wochen stieg Schalke stieg durch ein 3:2 gegen St. Pauli nach einem 0:2-Rückstand in die Bundesliga auf. Die Eurofighter trafen sich am Rande des Spiels zum 25-Jährigen Jubiläum. Wie war es?

Eigenrauch: Für mich war das ganz, ganz großes Kino. Da passte einfach alles. Ein Dramaturg am Theater hätte das nicht besser schreiben können. Das war perfekt. Dass das nach dem 0:2-Rückstand noch so geklappt hat, ist echt kaum in Worte fassen. Ich bin dankbar, dass ich das miterleben durfte.

Wie war das Wiedersehen mit den ehemaligen Kollegen?

Eigenrauch: Leider hatten wir gar nicht die Möglichkeit, für uns alleine zu sein. Wir waren immer im öffentlichen Raum. Da hätte ich mir gewünscht, dass wir mal eine halbe Stunde Zeit für uns haben. Aber das wird hoffentlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir uns im Stadion getroffen haben. Insofern werden wir das dann nachholen.

Die 20-Jahre-Feier haben Sie noch abgesagt. Was hat es damit auf sich, dass Sie damals nicht dabei waren, aber dieses Jahr dann schon?

Eigenrauch: Ich weiß nicht, aus welchem Grund ich damals nicht dabei gewesen bin. Das irritiert mich nach wie vor noch. Es wird schon einen wichtigen Grund gegeben haben.

Sie kritisierten damals "die Professionalisierung der Kommerzialisierung" und wussten mit der 20-Jahre-Feier nichts anzufangen ...

Eigenrauch: Ja, das kann sein. Das hört sich nach mir an. Warum soll man auch 20 Jahre feiern? Das ist für mich so eine Banalität. Was soll das? Das habe ich wahrscheinlich verdrängt, weil ich mich etwas aufgeregt hatte, dass ich da jetzt gar nicht mehr drauf kam. Wenn Sie das jetzt ansprechen, könnte ich mich auch darüber aufregen. Eine 20-Jahre-Feier. Das ist doch bescheuert.

Was meinen Sie?

Eigenrauch: Da machst du etwas nicht ob der Sache willen als solche, sondern ob des Events im Rahmen des Systems. Um deinem Klientel etwas zu bieten. Das finde ich halt schade. Und da bin ich heute nach wie vor noch dabei: Die Entwicklung des Sports entspricht nicht meinem Verständnis davon, welche Aufgabe der Fußball beziehungsweise der Sport an sich hat. Da gibt es aber natürlich unterschiedliche Meinungen. Ich finde es auch immer noch erstaunlich, dass es sehr häufig Fans gibt, die maulen, was alles scheiße ist, aber trotzdem ins Stadion gehen. Wenn ich irgendetwas scheiße finde, dann muss ich natürlich für mich, auch wenn es weh tut, mal eine entsprechende Konsequenz ziehen und einfach mal nicht ins Stadion gehen - und zwar nicht nur für zwei, drei Spiele sondern für drei Jahre. Eine ähnliche Situation gab es damals ja auch, als Schalke vom Parkstadion in die Arena umgezogen ist. Da haben auch ganz viele gesagt: 'Nee, in die Halle wollen wir nicht, da gehen wir nicht hin.' Ein halbes Jahr später waren alle Spiele ausverkauft. Das ist aber ein grundsätzliches Problem. Es gibt viele, die mit erhobenem Zeigefinger dastehen und schimpfen und meckern und maulen, aber selbst nicht dazu bereit sind, ihren Beitrag zu leisten, etwas zu verändern.