"Okay, ich will ehrlich sein. Von der letzten Weltmeisterschaft habe ich mir keine Minute angeschaut. Zumindest nicht nach der Gruppenphase. Es ging einfach nicht", erklärte Kimmich bei The Players' Tribune. Der 27-Jährige erläuterte, er hätte "abtauchen und abschalten" müssen nach dem frühen Aus in der Gruppenphase. "Von den Leuten, den Medien, dem gesamten Turnier. Ich bin mit meiner Freundin nach Südafrika geflogen und habe kein WM-Spiel mehr gesehen", so der Mittelfeld-Leader.
Aber auch der anschließende Urlaub war für Kimmich keine Entspannung, da nach wie vor die enttäuschende Leistung in Russland im Kopf blieb, wie er berichtete. Zusätzlich führte er aus: "Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir nach der 0:2-Niederlage gegen Korea in unserer Kabine saßen. Völlige Stille. Keiner hat auch nur ein Wort gesagt. Ich vergrub den Kopf in meinen Händen und dachte darüber nach, wie ich die Fans, meine Familie und das ganze Land enttäuscht hatte".
Joshua Kimmich: "Starkes Einzelspieler, aber kein starkes Team"
Als Grund für das damalige Aus nannte Kimmich unter anderem die Tatsache, dass "uns die ganze Welt auf dem Zettel hatte" und machte deutlich: "Wir hatten starke Einzelspieler, aber kein starkes Team. Auf diesem Level reicht es nicht aus, wenn es heißt: 'Oh, dieser Spieler ist talentiert ... und der hat die Champions League gewonnen ... und die haben beim letzten Mal den WM-Pokal in die Höhe gestemmt.' Es muss einfach alles passen. Das war 2018 irgendwie nicht der Fall."
Bei der Weltmeisterschaft 2018 schied die deutsche Nationalmannschaft als amtierender Weltmeister bereits nach der Gruppenphase aus. Mit drei Punkten aus drei Partien und einer 0:2-Niederlage im letzten Spiel gegen Südkorea landete die DFB-Elf auf dem enttäuschenden vierten Platz.
Kimmich ist sich deshalb nun der Verantwortung bewusst und erkennt durchaus, welch großer Druck nun auf der deutschen Nationalmannschaft liegt. "Die Gegenwart ist jetzt. Es steht wieder eine Weltmeisterschaft vor der Tür und wir alle wissen, was das für Deutschland bedeutet. Wir kennen den Druck, er ist wie beim FC Bayern. In fast jeder Partie bist du der Favorit. Die Fans erwarten, dass du jedes Spiel gewinnst, dass du jede Begegnung dominierst. Der einzige Unterschied ist, dass der Druck mit der Nationalmannschaft noch etwas größer ist, denn wir laufen dem Erfolg nun seit geraumer Zeit hinterher", machte der 27-Jährige deutlich.
Kimmich: "Gute Mischung aus Erfahrung und Potential"
Dennoch blickt er zuversichtlich auf das kommende Turnier und unterstrich daher: "Wir haben eine gute Qualifikation gespielt. Wir haben einen erstklassigen Trainer. Unser Kader hat eine gute Mischung aus Erfahrung und Potential, um als Mannschaft hoffentlich zu überzeugen. Ich bin kein Neuling mehr. In den letzten Jahren habe ich viel gelernt und ich spüre, dass ich mehr Verantwortung für die Mannschaft und unsere Ergebnisse übernehme. Aber es geht um uns alle gemeinsam."
Man habe laut Kimmich in der Vergangenheit möglicherweise "zu viel über den Titel geredet und den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht". Das ist auch ein Grund, weshalb er nun gemischte Gefühlen hat, wenn es um die Erwartungshaltung geht: "In diesem Winter weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie Erfolg aussehen kann. Vielleicht herrscht eine andere Erwartungshaltung, vielleicht ist das gar nicht schlecht."