DFB-Team - Ilkay Gündogans Kampf zurück: Vom Verstoßenen zum Kapitän

Ilkay Gündogan trug gegen Serbien die Kapitänsbinde.
© getty

Vor der WM in Russland wurde Ilkay Gündogan noch von den deutschen Fans ausgepfiffen und ausgebuht. Seine Zukunft im DFB-Team stand wegen der viel diskutierten Fotos mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf der Kippe. Keine zehn Monate später ist alles anders.

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Der Mannschaftsbus stand schon lange zur Abfahrt bereit, als Ilkay Gündogan um kurz nach 23.30 Uhr durch die Mixed Zone der Wolfsburger Volkswagen Arena schritt. Seine Kollegen warteten auf ihn, doch Gündogan nahm sich Zeit. Reichlich Zeit. Bei zwei TV-Plätzen und auch noch der schreibenden Presse blieb er stehen, um über die ersten 90 Länderspiel-Minuten des neuen Jahres zu sprechen. Aber eben nicht nur darüber. Der Mittelfeldspieler von Manchester City war bester Laune. Er hatte nach der Auswechslung von Manuel Neuer zur Pause erstmals die Kapitänsbinde der deutschen Nationalelf getragen.

"Es war natürlich ein bisschen überraschend für mich, als der Manu in der Halbzeit zu mir kam und sagte, er würde mir gerne die Binde geben", berichtete Gündogan. Er habe sie "mit großem Stolz und großem Respekt" angenommen, wie er mit Nachdruck betonte. Gerade vor dem Hintergrund, dass seine Zukunft im DFB-Team vor nicht allzu langer Zeit noch auf der Kippe gestanden hatte. "Das ist eine kuriose Wende irgendwie nach dem, was in den vergangenen Monaten so alles passiert ist und wie es abgelaufen ist", sagte Gündogan gedankenversunken.

Nach Erdogan-Gate: Gündogan wählt anderen Weg als Özil

Vor etwas mehr als neun Monaten, beim letzten Test vor der WM gegen Saudi-Arabien in Leverkusen im Juni 2018, hatten ihn die deutschen Zuschauer noch bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen und ausgebuht. Der Grund dafür: sein umstrittener Besuch mit Mesut Özil bei Recep Tayyip Erdogan, dem mehr als Diktator statt Demokraten agierenden türkischen Staatspräsidenten.

Es war der Anfang vom Ende eines verkorksten Länderspiel-Jahres gewesen. Gündogan kämpfte trotz der öffentlichen Unmutsbekundungen gegen seine Person aber weiter in aller Ruhe um seine Zukunft im Nationaltrikot. Anders als Özil, der nach dem Desaster in Russland unter großem Tohuwabohu zurücktrat und den DFB scharf kritisierte.

"Ich habe auch in den schweren Monaten versucht, mich einzubringen", bekräftigte Gündogan nach seinem 30. Länderspiel am Mittwochabend, "die Leute merken es, wenn man demütig an die Sache rangeht und sich einbringt". Mit dem Begriff "Leute" meinte er auch seine Kollegen. Die Binde tragen zu dürfen, "zeigt mir, dass ich angesehen bin in dieser Truppe", freute sich der 28-Jährige.

Bierhoff: Gündogan nicht neuer Vizekapitän

Joachim Löw erklärte die überraschende Beförderung des früheren Dortmunders mit dessen Erfahrung. "Ilkay war ja schon 2011, 2012 bei der Mannschaft. Bei ihm war es ein bisschen wie bei Marco Reus. Er war oft verletzt. Er hat die meiste Erfahrung, deswegen war er Kapitän in der zweiten Halbzeit", sagte der Bundestrainer. Man dürfe die Sache aber nicht zu hoch hängen, meinte Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff: "Wir wollten seine Bedeutung, die er inzwischen bei Manchester City hat, deutlich machen, aber ohne zu sagen: Ilkay ist der neue Vizekapitän."

Das ist Gündogan, auf der Insel unverzichtbar unter Pep Guardiola, selbst wohl ganz recht. Für ihn zähle einzig und allein, mit sportlicher Leistung voranzugehen. Wie schon kürzlich im großen Taktik-Interview mit SPOX und DAZN war er nach dem Serbien-Spiel ohnehin mehr damit beschäftigt, die Geschehnisse auf dem Rasen aufzuarbeiten. Er, der neben einer überragenden Passquote von 91,6 Prozent auch einer der besten Zweikämpfer des Abends gewesen war, verteidigte dabei den von seinem Mentor Guardiola gepredigten Ballbesitzfußball.

Gündogan verteidigt Ballbesitzphilosophie

"Ich bin kein großer Freund von dieser Ballbesitzdiskussion. Bei der Qualität, die wir haben, hast du zwangsläufig viel Ballbesitz. Wichtig ist, was du damit machst", sagte Gündogan. Ideenloses Ballgeschiebe von rechts nach links wie in Hälfte eins sei "nicht die Lösung, die wir haben wollen", stellte er klar. Das Team müsse schneller umschalten - so wie nach dem Seitenwechsel, als auch er sich eine Großchance erspielt hatte.

Gündogan jubelte schon fast, nachdem er in der 65. Minute den serbischen Keeper Marko Dmitrovic umkurvt hatte. Nemanja Maksimovic kratzte seinen Flachschuss aus fünf Metern aber noch im letzten Moment von der Torlinie. Für den einst Verstoßenen wäre es das i-Tüpfelchen auf einem ohnehin schon besonderen Abend gewesen.

Ilkay Gündogan im DFB-Team

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Testspiele17111 Gelbe Karte
EM-Qualifikation621-
WM-Qualifikation512-
Weltmeisterschaft1---
Nations League1---
Europameisterschaft----
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