FC Bayern München: Offensivprobleme! Was macht vor dem Duell mit Manchester City Hoffnung?

Von Justin Kraft
Thomas Müller, Thumas Tuchel
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Nach dem 1:0-Sieg gegen den SC Freiburg zeigt sich Thomas Tuchel zufrieden mit der Offensive des FC Bayern München - weil er muss. Aus seinen Worten lässt sich aber auch ablesen, dass er sich vor dem Duell mit Manchester City in der Champions League etwas anderes gewünscht hätte. Was läuft gut im Angriff des FCB und was weniger? Eine Analyse.

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"Die letzte Prise Salz hat gefehlt am letzten Dienstag", blickte Thomas Tuchel bei Sky nach dem 1:0-Sieg seines Teams beim SC Freiburg zunächst auf das Aus im DFB-Pokal zurück: "Hatten wir heute auf jeden Fall." Chefkoch Tuchel muss in München trotzdem dafür sorgen, dass die Offensive des Rekordmeisters wieder auf den Geschmack kommt.

"Ein bisschen Präzision, ein bisschen Ruhe im Abschluss, vielleicht fehlt auch jedem einzelnen Stürmer jetzt mal ein Erfolgserlebnis", benannte der 49-Jährige die Zutaten dafür. In Freiburg erspielten sich die Bayern immerhin 22 Abschlüsse und 3,04 Expected Goals. Dennoch reichte es abermals nur zu einem Tor.

Ein Problem, das auch Julian Nagelsmann zuvor hatte. "Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass unsere Stürmer treffen, weil denen das so sehr hilft wie sonst nichts, aber heute überwiegt ganz klar das Positive", erklärte Tuchel: "Dass wir die Chancen hatten und dass wir am Ende auch die drei Punkte haben."

Doch was genau ist wirklich positiv am Offensivspiel? Und was muss vor dem Champions-League-Kracher gegen Manchester City besser werden?

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FC Bayern München: Starke rechte Seite

Wenn Tuchel vor dem Hinspiel nochmal positive Szenen einspielt, dann werden sich viele davon wohl auf dem rechten Flügel abspielen. Dort sind aktuell Leroy Sané und Thomas Müller zu Hause. Mit João Cancelo kam in Freiburg ein offensivstarker Außenverteidiger dazu. Gerade in den ersten 20 Minuten kombinierten sich die Münchner mehrfach über diese Seite nach vorn und auch im weiteren Spielverlauf waren es vor allem Müller und Sané, die für Angebote zwischen den Linien sorgten.

Letzterer sammelte 62 Ballkontakte, so viele wie kein anderer Bayern-Spieler in der Offensive. Immer wieder drehte er schnell auf und nahm Tempo in Richtung Freiburger Defensive auf. Seine Dribblings von außen nach innen und die schnellen Kombinationen mit Müller oder Gnabry brachten die Defensive des Sportclubs oftmals in Bedrängnis.

Zwar war nicht jede Aktion des Flügelspielers ein Erfolg, aber Sané ist derzeit der gefährlichste Offensivspieler bei den Bayern. Zwei Großchancen erarbeitete er sich, mehrere weitere gute Gelegenheiten leitete er ein. Auch Cancelo empfahl sich zumindest offensiv für einen weiteren Einsatz, weil er mit kurzen Dribblings und guter Positionierung dafür sorgte, dass Freiburg keinen Zugriff auf diesen Teil der Bayern-Offensive bekam.

FC Bayern München: Linke Seite schwächer - Mané weiter ohne Glück

Auch auf der anderen Seite gab es gute Ansätze - aber oft nicht mehr. Alphonso Davies initiierte mit seinen Läufen und Dribblings zwar einige Angriffe und vor allem Umschaltsituationen, doch das Kombinationsspiel hakte dort deutlich häufiger.

Das lag auch an Sadio Mané, dem insgesamt erneut nicht viel gelingen wollte. Der Senegalese hatte zwar seine Aktionen, vergab beispielsweise zwei Großchancen. Doch wenn Tuchel von fehlenden Erfolgserlebnissen spricht, dürfte er vor allem ihn gemeint haben. Mané haderte auffällig mit sich und seinem fehlenden Spielglück.

In der Hinrunde war Mané in einer oft wilden Offensive eine der wenigen Konstanten. Ohne die ganz großen Highlights zu haben, lieferte er zuverlässig stabile Leistungen ab. Im Moment ist er dazu nicht in der Lage. Nach dem Pokalspiel versprach der 30-Jährige noch, dass er bald der Spieler sein werde, der er in Liverpool war. Vor den anstehenden Aufgaben könnten die Bayern diesen Mané gut gebrauchen.

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FC Bayern München: Mehr Geduld, aber auch mehr Tiefe

Nachdem Tuchel bei seinem Debüt gegen Borussia Dortmund immer wieder mehr Ruhe von seinen Spielern gefordert hatte, dürfte er mittlerweile etwas zufriedener sein. Obwohl es lange 0:0 stand und Freiburg sogar glücklich hätte in Führung gehen können, blieben die Bayern ruhig und geduldig.

Sie ließen den Ball laufen. Das war auch schon im Pokalspiel gegen den SC der Fall. Der Grat zwischen Ruhe und Ideenlosigkeit ist schmal. Im zweiten Duell mit den Freiburgern haben die Bayern sich vor allem offensiv mehr bewegt und so für Tiefe gesorgt - ohne aber jeden Lauf zu bespielen. Das hält den Gegner in Bewegung und zieht Lücken auf.

Unter Nagelsmann war das Spiel noch sehr vertikal, sehr risikoreich. Es scheint, als würde Tuchel das Risiko etwas minimieren. Und das hat defensiv Vorteile. Bayern kommt wieder besser ins Gegenpressing und kann Konter im Ansatz verteidigen, weil man bei Ballverlusten gut steht. Aber auch offensiv profitieren die Münchner von einem strukturierteren Auftreten. Im Zentrum waren sie deutlich ballsicherer als noch am vergangenen Dienstag.

Zwar hat es diesmal ein Traumtor von Matthijs de Ligt gebraucht, doch die Chancen für mehr Treffer waren da. Der Trainer hat den Spielern taktisch gute Bedingungen schaffen können, dieses Spiel deutlich zu gewinnen.

FC Bayern München: Gnabry sucht seine Form - Neunerdebatte bleibt

Wenn es um die Offensive geht, wird auch Tuchel die Frage nach einer echten Neun nicht einfach wegwischen können. Eric Maxim Choupo-Moting wusste er zwar gut einzubinden, doch der Kameruner ist kein klassischer Torjäger. Seine herausragende Quote in der Hinrunde war eher die Ausnahme als die Regel. Er taucht auch nicht so oft in guten Abschlusspositionen auf wie andere Mittelstürmer.

In Freiburg fehlte Choupo-Moting nun und so versuchte Tuchel es nominell mit Serge Gnabry. Der 27-Jährige machte ein gutes Spiel und war sehr weiträumig unterwegs. Doch auch er ist zumindest im Moment kein Torjäger. Anders als bei Mané geht die Formkurve bei Gnabry in vielen Bereichen wieder nach oben. Auch in der Länderspielpause zeigte er eine ansprechende Leistung beim DFB-Team.

Doch seine Abschlüsse wollen derzeit überwiegend nicht reingehen. Am Wochenende scheiterte er erst am Torwart und später am Pfosten. Von seinem Profil her könnte er die Torjäger-Lücke, die der FC Bayern hat, durchaus schließen. Nur ist da eben das alte Lied von der fehlenden Konstanz.

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FC Bayern München: Jamal Musiala oder Leon Goretzka?

Es gab eine Zeit, da wurde in München darüber diskutiert, ob Jamal Musiala oder Thomas Müller spielen sollten. Gut möglich, dass Tuchels ruhigerer Ansatz die Debatte schon sehr bald verschiebt. In Freiburg spielten Musiala und Müller. Dafür saß Leon Goretzka auf der Bank. Im Pokal war es andersherum.

Goretzka sammelte am Dienstag in 79 Minuten nur 41 Ballkontakte, Musiala hatte in 68 Minuten 61. Die Präsenz des 20-Jährigen hatte einen positiven Einfluss auf Joshua Kimmich, den Freiburg nicht so gut aus dem Spiel nehmen konnte wie noch unter der Woche. Kimmich hatte 106 Kontakte, spielte eine Großchance heraus und leitete viele Angriffe durch Chipbälle oder linienbrechende Pässe ein. Seine Passquote war um rund zehn Prozent besser als noch im ersten Duell mit Freiburg. Das hilft auch der Offensive enorm, weil Kimmichs Output das Spiel variabler macht.

Musiala könnte auf Dauer der Partner im Mittelfeld sein, der ihn entlastet. Auf der anderen Seite ist der gelernte Offensivspieler aber nicht so robust wie Goretzka, der im Defensivbereich und auch im Pressing seine Qualitäten hat. Es wird wohl auch vom jeweiligen Gegner abhängen, ob Tuchel sich in Zukunft für die eine oder für die andere Variante entscheidet.

FC Bayern München: Gute Umschaltsituationen, schlechte Entscheidungsfindung

Mit Blick auf die Duelle mit Manchester City wird Tuchel sicher auch nochmal die eine oder andere Umschaltsituation der Bayern zeigen. Denn Ballbesitzwerte jenseits der 60 Prozent sind gegen das Team von Pep Guardiola wohl eher unwahrscheinlich und so wird es für die Münchner auch darauf ankommen, Konter zu nutzen.

Dass sie das grundsätzlich können, haben sie sowohl gegen den BVB gezeigt als auch jetzt wieder gegen Freiburg. Die Dortmunder zeigten sich überrascht davon, dass sie klassisch ausgekontert worden und am Samstag hatte beispielsweise Sané die große Chance zum 2:0 in der Schlussphase, als die Bayern einen Ballgewinn in der eigenen Hälfte nahezu perfekt ausspielten. Sané, Davies, aber auch der in Freiburg geschonte Kingsley Coman sind theoretisch prädestiniert für ein gutes Konterspiel. Die Bayern-Offensive verfügt über reichlich Tempo.

Nur machen sie praktisch aus diesen Situationen in der Regel zu wenig. Sané brachte den beschriebenen Konter immerhin zum Abschluss, einige andere Szenen vertändelten die Bayern schon weit vorher. Entscheidungsfindung und Präzision stimmen bei den Tempogegenstößen oft nicht.

Und so muss Chefkoch Tuchel vor Dienstag nochmal ins Rezeptbuch schauen. Bei Manchester City werden seine Spieler einerseits nicht so viele Chancen bekommen und andererseits werden die Skyblues in der Lage sein, Nachlässigkeiten zu bestrafen. Eine Prise Salz wird da wohl nicht reichen.

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FC Bayern München vs. BVB: Das Restprogramm in der Bundesliga

SpieltagBVBFC Bayern
28VfB Stuttgart (A)TSG Hoffenheim (H)
29Eintracht Frankfurt (H)Mainz 05 (A)
30VfL Bochum (A)Hertha BSC (H)
31VfL Wolfsburg (H)Werder Bremen (A)
32Borussia M'Gladbach (H)Schalke 04 (H)
33FC Augsburg (A)RB Leipzig (H)
34Mainz 05 (H)1. FC Köln (A)