Benficas Talentschuppen ist im europäischen Fußball nahezu konkurrenzlos. Dafür mitverantwortlich ist Rodrigo Magalhães, der Technische Koordinator der Nachwuchsakademie. "Ich möchte, dass mindestens sechs oder sieben Spieler aus dem Nachwuchs regelmäßig in der ersten Mannschaft spielen, die Champions League holen und dann ein, zwei oder drei von ihnen den Ballon d'Or gewinnen", sagte Magalhães im Februar forsch in einem Interview mit The Athletic.
In der vergangenen Saison war die Mannschaft des deutschen Trainers Roger Schmidt nicht allzu weit vom Titel in der Champions League entfernt. Der überraschende Einzug ins Viertelfinale der Königsklasse begeisterte die neutralen Zuschauer. Gonçalo Ramos, Florentino und Gonçalo Guedes spielten die Hauptrollen.
Inzwischen hat Ramos bei PSG angeheuert. Wie Enzo Fernández (Chelsea), Darwin Núñez (Liverpool), Rúben Dias, Ederson (beide Manchester City) und João Félix (Barcelona) folgte der Stürmer dem Lockruf eines noch größeren Vereins.
Benfica formt zukünftige Superstars - für die internationale Konkurrenz. Die europäische Elite beobachtet die nachrückenden Youngster dort ganz genau und aktuell gibt es neben Innenverteidiger António Silva ein weiteres, ganz heißes Eisen auf dem Transfermarkt: João Neves, dessen Ablöseklausel im Sommer auf 120 Millionen Euro angehoben wurde, ist nicht nur bei Manchester United im Gespräch: Auch der FC Bayern soll sich konkret mit seiner Verpflichtung befassen.
João Neves im Bayern-Visier: Die ersten Schritte
Neves wurde am 27. September 2004 in der kleinen portugiesischen Stadt Tavira geboren und begann seine fußballerische Laufbahn im Alter von fünf Jahren im Trainingszentrum der Algarve. Als er acht Jahre alt war, schloss sich Neves dem Benfica-Farmteam Casa Benfica Tavira an, wo sein Vater als Trainer arbeitete.
Zur gleichen Zeit lernte dort übrigens auch ein gewisser Gonçalo Ramos das Einmaleins des Fußballs. Im Benfica-Trainingszentrum in Faro schlossen sie eine enge Freundschaft. Neves gab schließlich 2017 sein Debüt in der U-15-Auswahl Benficas, obwohl er erst 13 Jahre alt war.
Benficas Verantwortliche wussten früh, dass sie mit dem Mittelfeldtalent einen künftigen Star in ihren Reihen hatten. Logische Folge: 2020 unterzeichnete Neves seinen ersten Profivertrag. Dank seiner Leistungen auf dem Weg zum Gewinn der UEFA Youth League 2021/22 stand Neves bereits an der Schwelle zum Profifußball. In jener Saison wurde Neves auch in die portugiesische U-19-Auswahl berufen und kam in zwei EM-Qualifikationsspielen zum Einsatz.
João Neves im Bayern-Visier: Der große Durchbruch
Neves gab sein Profidebüt für Benfica B am 6. August 2022 in einem Segunda-Liga-Spiel gegen Académico de Viseu. Der nächste logische Schritt für ihn war die Integration in Schmidts Profi-Kader. Der portugiesische Youngster musste jedoch auf seine Chance warten, da die Weltmeisterschaft 2022 mitten in der Saison seine Entwicklung etwas bremste.
Nach dem Turnier ergab sich jedoch eine überraschende Gelegenheit für Neves, als Enzo Fernández sich dem FC Chelsea für gigantische 121 Millionen Euro Ablöse anschloss. Benfica hatte sich bereits vor dem Wintertransferfenster auf ein großes Angebot gefasst gemacht, und Neves war fortan regelmäßiger Gast im Training des Profikaders.
Schmidt gab dem Teenager Ende Dezember seine ersten Erfahrungen in der Primeira Liga, als er bei der 0:3-Niederlage in Braga erst spät eingewechselt wurde.
Nach Fernández' Abschied Ende Januar schnappte sich Neves schnell den freien Platz in der Zentrale. Beim 5:1-Achtelfinalsieg gegen Club Brügge im März gab er sein Debüt in der Champions League, wobei er einen Assist beisteuerte.
Der Moment, in dem er sich der internationalen Öffentlichkeit so richtig präsentierte, geschah am vorletzten Liga-Spieltag als Benfica beim Erzrivalen Sporting CP antrat. Schmidts Mannschaft lag zur Halbzeit mit 0:2 zurück, glich aber in der 71. Minute durch Fredrik Aursnes aus. Es folgte eine dramatische Schlussphase. In der Nachspielzeit erzielten die Gäste nach einem Freistoß, der zu einem Durcheinander im Strafraum führte, den wichtigen Ausgleich. Neves gelang es dabei, einen Abpraller mit einem sehenswerten Volleyschuss in die Maschen zu befördern.
Schmidt schwärmte anschließend: "Er spielt mit so viel Selbstvertrauen, mit so viel Fokus. Er ist sehr gut unter Druck, sehr gut mit dem Ball, immer anspielbar, sehr mutig. Jetzt eine weitere Option zu haben, ist perfekt für uns, vor allem weil er ein Junge von Benfica kommt, aus unserer Jugendmannschaft. Wenn die Spieler bereit sind, sind sie bereit, egal ob sie 18, 20, 25 oder 28 Jahre alt sind."
Nach dem Unentschieden brauchte Benfica nur noch einen Punkt aus dem letzten Spiel gegen Santa Clara, um den Titel zu gewinnen. Neves absolvierte auch jenes Spiel über die vollen 90 Minuten und dank eines 3:0-Siegs war Benfica erstmals seit vier Jahren wieder Meister.
João Neves im Bayern-Visier: So läuft's gerade
Im Sommer nahm Neves mit Portugal an der U21-Europameisterschaft teil und markierte beim 2:1-Gruppensieg gegen Belgien einen Treffer, der schließlich zum Tor des Turniers gewählt wurde. Die Portugiesen schieden zwar im Viertelfinale gegen den späteren Sieger England aus - doch Neves hatte erneut seine Visitenkarte bei den Scouts abgegeben.
Neves stand in der laufenden Saison in allen Wettbewerben stets in der Startelf Benficas und verhalf dem Verein zu einem starken Start auf dem Weg zur Titelverteidigung in der Primeira Liga. In der Champions League lief es dagegen mies: Lissabon verlor die ersten vier Spiele und schied vorzeitig in der Gruppenphase aus.
Benfica reagierte auf diesen Rückschlag in der Heimat mit einem 2:1-Sieg gegen Sporting im Estádio Da Luz und überholte damit den ungeliebten Nachbarn an der Tabellenspitze. Neves wiederholte seine Heldentat aus dem José Alvalade einige Monate zuvor, als er in der 94. Minute den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielte.
Neves hat auch in der A-Nationalmannschaft mittlerweile debütiert. Mitte Oktober wurde er im EM-Qualifikationsspiel gegen Bosnien (5:0) eingewechselt. "Daran werde ich mich für den Rest meines Lebens erinnern", sagte der 19-Jährige. "Vom ersten Tag an haben mein Mitspieler mich bestens aufgenommen, ich habe mich wie zu Hause gefühlt, ich muss einfach Danke sagen."
Weiter meinte er mit Blick auf Superstar Cristiano Ronaldo als Mannschaftskamerad: "Ronaldo spielte bei der EURO 2004 und ich war noch nicht einmal geboren. Jetzt spiele ich mit ihm, das ist schon ungewöhnlich. Es ist ein Traum".
João Neves im Bayern-Visier: Seine Stärken
Neves ist ein gelernter defensiver Mittelfeldspieler, der bei Benfica normalerweise mit Orkun Kökcü die Doppelsechs bildet. Mit seinen 1,74 Metern ist er nicht nur schnell, sondern auch bemerkenswert kräftig. Auffällig ist, wie oft er den Ball fordert.
Es war keine Überraschung, dass Neves für den Golden Boy 2023 nominiert war. Er verfügt über einen überragenden fußballerischen IQ und ist ein Meister des taktischen Foulspiels.
Neves kommt in dieser Saison auf durchschnittlich 54 Ballkontakte pro 90 Minuten - eine erstaunliche Zahl für einen Spieler, der in der Tiefe agiert. Auch mit seinen Pässen diktiert er das Spieltempo, gibt den Ball nur sehr selten ab und sucht immer nach scharfen Bällen bei Kontern.
Portugals Nationaltrainer Roberto Martínez gehört zu denjenigen, die von Neves' Fähigkeiten begeistert sind. "Er ist ein Fußballer, der in der Nationalmannschaft von sich reden machen wird", sagte der Spanier vor wenigen Wochen: "Er lebt den Fußball. Er ist 19 Jahre alt, er hat mit Benfica die Meisterschaft gewonnen, und sein Verhalten in der Nationalmannschaft zeigt, dass er dafür geboren wurde."
Martínez führte aus: "Er wird in den nächsten zehn Jahren im europäischen Fußball eine wichtige Rolle spielen, ohne Zweifel."
João Neves im Bayern-Visier: Woran er arbeiten muss
Neves verkörpert in der Tat einen seltenen Spielertyp - einer, der praktisch keine Schwächen hat. Er ist ein hartnäckiger Zweikämpfer, technisch brillant und schafft es sogar, 99 Prozent seiner Luftduelle zu gewinnen.
Der einzige Bereich, in dem er sich wirklich verbessern könnte, ist seine Leistung im vorderen Drittel. In 38 Spielen für Benfica konnte der Akademie-Absolvent bisher nur zwei Tore erzielen und zwei Vorlagen geben.
Natürlich ist es nicht seine Hauptaufgabe, den Ball im Netz unterzubringen. Benfica verlässt sich darauf, dass Neves die Viererkette abschirmt, indem er im Mittelfeld die Bälle abfängt und mit seinem Passspiel Lücken im gegnerischen Pressing ausnutzt. Aber ein Spieler mit seinen Fähigkeiten sollte sich regelmäßiger nach vorn einschalten. Auf die Tore, die er gegen Sporting erzielte, wären auch Stürmer stolz gewesen.
João Neves: Der neue ... Marco Verratti?
Neves könnte die portugiesische Version von Marco Verratti sein, der mehr als ein Jahrzehnt lang als Dirigent im Mittelfeld von Paris Saint-Germain fungierte. Der italienische Nationalspieler war in seiner Glanzzeit ein Meister der langen und kurzen Pässe, der Ball schien an seinen Füßen zu kleben.
Verratti hat seine besten Jahre hinter sich, seit er zu Al-Arabi in die Qatar Stars League gewechselt ist, galt aber zuvor lange als einer der besten Mittelfeldspieler Europas. Neves hat einen ähnlichen Spielstil wie der 31-Jährige und verfügt über die gleiche Fähigkeit, das Spiel zu lesen.
Auch die geringe Körpergröße war für Verratti (1,65 Meter) nie ein Hindernis, denn er arbeitete wie ein Terrier, um den Ball zurückzuerobern und hatte ein herausragendes Timing.
João Neves im Bayern-Visier: Wie geht es weiter?
Das Wintertransferfenster im Januar 2024 rückt näher und der FC Bayern München hat damit begonnen, seine Wunschliste zu erstellen, um die fehlende Kadertiefe im defensiven Mittelfeld auszugleichen. Falls Sommer-Wunschtransfer Palhinha, Neves Landsmann vom FC Fulham, nicht kommt, dann könnte der 19-Jährige eine (zugegebenermaßen teure) Option werden.
Die festgeschriebene Ablöse im bis 2028 gültigen Vertrag des Megatalents liegt bei 120 Millionen Euro. Und Benfica ist dafür bekannt, seine Spieler stets teuer zu verkaufen. Neben den Bayern wurde in den letzten Wochen vor allem Englands Rekordmeister Manchester United als Interessent genannt.
Sein ehemaliger U-23-Trainer von Benfica, Luis Castro, glaubte im Gespräch mit der portugiesischen Zeitung O Jogo nicht, dass ein möglicher Vereinswechsel den Teenager groß ablenken könnte: "Wie ich João kenne, denke ich, dass er sich keine Sorgen um den nächsten Schritt macht, sondern eher um das nächste Spiel."