FC Bayern München entlässt Julian Nagelsmann: Vier Gründe für sein Scheitern

Joshua Kimmich, Sadio Mané
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Der FC Bayern München hat Trainer Julian Nagelsmann entlassen. Das liegt vor allem an der Situation von Thomas Tuchel - aber auch an seinen eigenen Fehlern. Vier Gründe für das schnelle Scheitern des einstigen "Langzeitprojekts" (Hasan Salihamidzic).

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Sportliche Bilanz

Seit der Winterpause hat der FC Bayern zehn Punkte auf Borussia Dortmund verloren. Wegen der 1:2-Niederlage bei Bayer 04 Leverkusen am Sonntag zog der BVB unmittelbar vor dem direkten Duell an der Tabellenspitze vorbei. Nach 25 Spieltagen haben die Münchner lediglich 52 Punkte, weniger waren es zu diesem Zeitpunkt seit der letzten Nicht-Meistersaison 2011/12 nicht mehr.

In seiner ersten Saison gewann Nagelsmann zwar die Bundesliga, in Erinnerung blieben aber vor allem die kläglichen Niederlagen in den beiden Pokal-Wettbewerben: Im DFB-Pokal scheiterte der FC Bayern mit 0:5 an Borussia Mönchengladbach, im Champions-League-Viertelfinale an Außenseiter FC Villarreal. In dieser Saison lief es trotz des Bundesliga-Strauchelns immerhin in den Pokal-Wettbewerben hervorragend.

Generell ließ der FC Bayern während Nagelsmanns 21 Trainer-Monaten jegliche Konstanz vermissen. Sowohl was die Ergebnisse angeht, als auch die Leistungen. Ein eindeutiger Spielstil war nicht erkennbar. Gewisse Muster wiederholten sich in Krisenzeiten immer wieder.

Unter Nagelsmann wirkten die Münchner niemals über einen längeren Zeitraum so unschlagbar wie einst unter Jupp Heynckes, Pep Guardiola oder Hansi Flick. Die drei weisen auch bessere Punkteschnitte als Nagelsmann (2,31) auf.

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Probleme mit der Mannschaft

Der FC Bayern ist seit jeher ein Spieler-Klub, wohl nirgendwo sonst ist die Kabine dermaßen mächtig wie in München. Im Herbst 2017 wandte sich die Führungsriege der Mannschaft von Carlo Ancelotti ab, woraufhin dieser prompt entlassen wurde. "Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste", sagte Präsident Uli Hoeneß damals lapidar.

So krass wie unter Ancelotti war die Entzweiung zwischen Nagelsmann und Mannschaft zwar nicht, dennoch rumorte es gewaltig. Während seiner ersten Saison tat sich vor allem der letztlich verkaufte Robert Lewandowski als Nagelsmann-Kritiker hervor, später folgten weitere Spieler. Sie störten sich an seinem Hang zur Selbstdarstellung und fehlender Selbstkritik. Einzig Joshua Kimmich galt als treuer Weggefährte, dessen enge Beziehung zum Trainer bisweilen kritisch beäugt wurde.

Kapitän Manuel Neuer brachte Nagelsmann darüber hinaus gegen sich auf, indem er kurz nach dessen schwerer Verletzung seinen Torwarttrainer und Freund Toni Tapalovic entlassen und durch seinen eigenen Vertrauten Michael Rechner ersetzten ließ. "Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen", sagte Neuer der Süddeutschen Zeitung.

Unzufriedenheit gab es auch bei Reservisten, die Nagelsmann trotz ansprechender Leistungen nicht entsprechend förderte und einsetzte. In seiner ersten Saison beispielsweise Marc Roca oder Tanguy Nianzou, aktuell Ryan Gravenberch oder Mathys Tel. Problematisch war auch die Situation von Joao Cancelo, der im Winter in der Hoffnung auf mehr Spielpraxis nach München wechselte - und dann trotzdem regelmäßig auf der Bank saß.

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Fehlende Entwicklung bei vielen Stars

Zugegeben, bei diesem Punkt gilt es zu differenzieren: Jamal Musiala avancierte unter Nagelsmann beispielsweise zum Stammspieler und entwickelte sich prächtig. Womöglich liegt das aber auch einfach nur an Musialas überirdischen Fähigkeiten. Und auch wenn der FC Bayern selten über einen längeren Zeitraum mannschaftlich konsequent verteidigte, so entwickelten sich auch einige Verteidiger wie Benjamin Pavard, Dayot Upamecano oder Josip Stanisic unter Nagelsmann sichtlich weiter.

Die einst von Jürgen Klinsmann geprägte und eigentlich für jeden Trainer gültige Devise, "jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser zu machen", erfüllte Nagelsmann aber nicht. Mit Sadio Mané, Serge Gnabry und Leroy Sané suchen drei der teuersten Angreifer seit Wochen ihre Form. Vor allem bei Mané dürften die Probleme auch auf Nagelsmanns System zurückzuführen sein: In seinen präferierten taktischen Formationen gibt es schlicht keinen idealen Platz für den Superstar aus Senegal, weder im 4-2-3-1 noch im 3-1-4-2.

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Auftreten und Öffentlichkeitsarbeit

Seit Nagelsmanns Ankunft in München war der größte Star meist der Trainer: Nagelsmann liebt die Öffentlichkeit. Ein Witz hier, ein flapsiger Spruch dort. Alle lachen, alles gut. Und dann mit dem Longboard zum Training rollen. Jünger als so mancher Spieler lebte Nagelsmann seine Jugendhaftigkeit bewusst aus - und scheiterte letztlich auch daran.

Sein Auftreten umgab stets eine gehörige Prise Selbstdarstellung und ließ bisweilen die nötige Ernsthaftigkeit vermissen. Intern kam das nicht immer gut an, wobei die Bosse den jungen Trainer phasenweise auch alleine ließen. Vor allem im Herbst 2021, als der Klub von Kimmichs Impf-Verweigerung und der Katar-Eskalation bei der Jahreshauptversammlung heimgesucht wurde.

An der Seitenlinie sah man Nagelsmann regelmäßig herummosern, schädlich für die Außendarstellung des FC Bayern war auch sein Ausraster nach der 2:3-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach. Wutentbrannt stürmte er in die Kabine der Schiedsrichter - und beschimpfte sie am Rückweg vor den versammelten Journalisten als "weichgespültes Pack".

FC Bayern vs. BVB: Das Restprogramm in der Bundesliga

SpieltagBVBFC Bayern
26Bayern München (A)Borussia Dortmund (H)
27Union Berlin (H)SC Freiburg (A)
28VfB Stuttgart (A)TSG Hoffenheim (H)
29Eintracht Frankfurt (H)Mainz 05 (A)
30VfL Bochum (A)Hertha BSC (H)
31VfL Wolfsburg (H)Werder Bremen (A)
32Borussia M'Gladbach (H)Schalke 04 (H)
33FC Augsburg (A)RB Leipzig (H)
34Mainz 05 (H)1. FC Köln (A)