BVB: Nico Schulz und seine Zeit bei Borussia Dortmund - Gefangen in der Absurdität

Nico Schulz wechselte 2019 von Hoffenheim zum BVB.
© getty

Seit er 2019 zu Borussia Dortmund wechselte, ist Nico Schulz in einem sportlichen Negativ-Kreislauf gefangen. Der BVB ist seit längerer Zeit gewillt, diesen zu durchbrechen - der hochdotierte Vertrag des 29-jährigen Außenverteidigers und eine schlechte Verhandlungsposition des Vereins verhinderten dies bislang.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ein Wesenszug des absurden Theaters des 20. Jahrhunderts ist es, den Ablauf der Zeit nicht geradlinig, sondern zyklisch darzustellen. Indem die Figuren immer wieder dasselbe durchmachen, immer wieder am selben Ausgangspunkt ankommen - teils ohne dies wahrzunehmen oder sich dagegen wehren zu können -, wird Absurdität erzeugt. Die Situation zu Beginn unterscheidet sich dann schlicht nicht grundlegend von der am vermeintlichen Ende, einzig das Verständnis und der Einblick der Zuschauer in diese Situation haben sich verändert.

Sehr ähnlich verhält es sich mit der Zeit, die Nico Schulz seit seinem Wechsel 2019 bei Borussia Dortmund verbracht hat. Der Außenverteidiger ist gefangen in einem Negativ-Kreislauf, der längst absurde Züge angenommen hat. Es ist der Wunsch des Vereins, dass er im Sommer endet.

Verdeutlicht wurde das am vergangenen Samstag. Schulz, zuvor zwar fast vier Wochen verletzt, saß beim Kantersieg gegen Wolfsburg 90 Minuten auf der Bank. Marco Rose ließ lieber den 17-jährigen Tom Rothe zu seinem bemerkenswerten Bundesligadebüt kommen - und wäre er nicht kurzfristig ausgefallen, hätte der BVB-Trainer Thorgan Hazard eingesetzt.

Mit aktuell 15 Bundesligaspielen hat Schulz in seiner nun dritten Spielzeit die bislang meisten Partien in einer Saison bei der Borussia bekommen. Einen Unterschied zur Vergangenheit hat aber auch diese Spielzeit nicht gemacht. Schulz' Zyklus besteht aus regelmäßigen Verletzungen, unregelmäßigen Einsätzen und wenig überzeugenden Leistungen.

BVB möchte Nico Schulz schon längere Zeit abgeben

Nur 60 von 139 möglichen Pflichtspielen hat der 29-Jährige absolviert (ein Tor, zwei Vorlagen), in 38 stand er in der Startelf. Ganze siebenmal ist er in dieser Zeit verletzt ausgefallen, fünfmal davon mit Blessuren im muskulären Bereich. Im Schnitt kostete ihn jede Verletzung rund einen Monat.

Es ist daher kein Wunder, dass der Verein mit dieser Faktenlage unzufrieden ist und das Arbeitsverhältnis seit längerer Zeit schon beenden möchte. Da dieses jedoch bis 2024 datiert und mit kolportierten sechs Millionen Euro Jahresgehalt sehr gut bezahlt ist, verwundert es nicht, dass Schulz den besten Vertrag seiner Karriere nur dann aufgibt, wenn sich sportlich wie finanziell eine vernünftige Alternative auftut.

Dies wiederum passiert deshalb nicht, da Schulz' seit beinahe drei Jahren kaum ein Bein auf den Boden bekommt. Wie auch? Die steten Ausfallzeiten verhindern schließlich, dass er in einen konstanten Wettkampfrhythmus kommt. Dies und die mangelnde Spielpraxis sieht man Schulz in jedem seiner Auftritte mehr als deutlich an.

Zwiegespräch während der Sommer-Vorbereitung: BVB-Trainer Marco Rose mit Nico Schulz.
© getty
Zwiegespräch während der Sommer-Vorbereitung: BVB-Trainer Marco Rose mit Nico Schulz.

BVB - Nico Schulz und seine Leistungsdaten bei Borussia Dortmund

SaisonPflichtspieleStartelfToreVorlagenSpielminuten
2019/202018141-1164
2020/2021199--1008
2021/20222315-21310

BVB: Nico Schulz in ungesundem Kreislauf gefangen

Steht er auf dem Platz, betreibt Schulz gewiss immer viel Aufwand und lieferte auch einige ordentliche Darbietungen ohne Glanzpunkte ab. Allerdings meidet er in seinem Spiel zu oft das Risiko und bleibt dennoch bei weitem nicht frei von Fehlern. Er wirkt von seiner unglücklichen Zeit in Dortmund regelrecht belastet, seine Körpersprache strahlt wenig Positives aus.

Wie es angesichts dieser Umstände innerlich im mit 25,5 Millionen Euro Ablöse siebtteuersten Einkauf der BVB-Vereinsgeschichte aussieht, erfährt man nicht. Schulz hat darüber öffentlich noch nicht gesprochen.

"Wir wissen alle, was Nico für Qualitäten hat, welchen Fußball er schon gespielt hat und warum er dann auch zu Borussia Dortmund geholt wurde", sagte Rose im vergangenen Sommer. Immer wieder sah man ihn auf dem Trainingsplatz mit Schulz im Zwiegespräch, jedoch konnte auch der Coach Schulz nicht aus diesem ungesunden Kreislauf befreien.

So ist Schulz nur noch ein trauriges Abziehbild des Spielers, der mit vier Toren und 13 Vorlagen in 71 Pflichtspielen unter Julian Nagelsmann bei der TSG Hoffenheim seine beste Zeit als Fußballer hatte und sich dadurch in den Fokus der Borussia spielte. Im Kraichgau war Schulz Schienenspieler in einem System mit einer Dreierkette, was ihm deutlich mehr liegt, als klassischer Linksverteidiger in einem Vier-Mann-Verbund zu sein. In dieser Rolle kam er auf zahlreiche Aktionen im Mittelfeld, rannte die Außenbahn hoch und runter und brachte sein hohes Tempo sowie seine Dynamik im Umschaltspiel ein.

BVB mit schwacher Verhandlungsposition bei Nico Schulz

Die Hoffnung, dass der aktuelle Schulz in einem neuen Umfeld an diese Zeit anknüpfen kann, scheint innerhalb der Branche trotz der schwachen Verhandlungsposition der Dortmunder nicht überbordend groß zu sein. Mögliche interessierte Vereine wissen natürlich, dass der BVB am liebsten verkaufen möchte. Sich auf eine Art Ramschpreis einzulassen und den finanziellen Verlust des ohnehin wenig lohnenswerten Investments weiter ansteigen zu lassen, kann wiederum nicht im Sinne der Borussia sein.

"Das sind Gerüchte", sagte Schulz' Berater Roger Wittmann im Februar der Bild, als zum Ende der Winter-Transferperiode in der Türkei ein angebliches Interesse von Fenerbahce die Runde machte. "Er spielt bei Borussia Dortmund. Das ist ein Top-Klub. Ich habe mit ihm nicht darüber geredet, sondern lese es nur in der Zeitung. Der Junge fühlt sich wohl in Dortmund und wird dortbleiben."

Am Ende müsste ein Angebot nicht nur den Verein, sondern vor allem Schulz überzeugen, um vorzeitig aus seinem üppig dotierten Vertrag auszusteigen. Für Dortmund eine mehr als vertrackte, für Schulz eine vermeintlich komfortable Situation. Nur in sportlicher Hinsicht nicht, denn Schulz benötigt dringend einen Neustart, sollte er gewillt sein, dem Sinkflug seiner Karriere entgegenzuwirken. Im Sommer folgt für beide Parteien ein nächster Versuch, der Dauerschleife zu entkommen.