Borussia Dortmunds Lizenzspielleiter Sebastian Kehl versprach nicht zu viel, als er zu Beginn der vergangenen Woche ankündigte, trotz des in Zeiten von Corona überschaubaren finanziellen Spielraums "weiterhin wachsam" und "kreativ" auf dem Transfermarkt sein zu wollen.
Mit Reinier Jesus hat sich der BVB nun eines der größten brasilianischen Talente gesichert. Die Dortmunder bestätigten am Mittwoch die Leihe des Brasilianers, Jahrgang 2002, für zwei Jahre.
Reinier und der BVB: Eine Erfolgsgeschichte wie Hakimi?
Ein Deal, der auch den exzellenten Beziehungen zwischen BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Real Madrids Präsident Florentino Perez zu verdanken ist, denn Reinier boten sich in den vergangenen Wochen noch einige andere reizvolle Optionen.
So streckte etwa Europa-League-Teilnehmer Real Sociedad seine Fühler nach ihm aus, um ihn als Nachfolger des nach Madrid zurückgekehrten Martin Ödegaard zu verpflichten. Auch Real Valladolid, ein weiterer spanischer Erstligist, bei dem er sofort als Stammspieler und ohne große Sprachschwierigkeiten hätte durchstarten können, war an ihm interessiert.
Dortmund jedoch scoutete Reinier schon im vergangenen Jahr, als dieser noch bei Flamengo in Rio de Janeiro für Furore sorgte, und baute Kontakt zu dessen Beratern auf. Dieser riss offensichtlich nie ab. Dass der Wechsel nun zustande kommt, macht deutlich, dass sich alle involvierten Parteien eine Erfolgsgeschichte nach dem Vorbild von Achraf Hakimi versprechen.
Alternative im BVB-Sturm? Reinier "in erster Linie ein Zehner"
Der marokkanische Außenspieler war vor zwei Jahren von den Madrilenen beim BVB "geparkt" worden und entwickelte sich in der Bundesliga zu einem der besten Spieler auf seiner Position. Reinier gilt als nicht minder hochbegabt, obgleich er vom Spielertyp her nicht mit dem mittlerweile bei Inter Mailand unter Vertrag stehenden Hakimi zu vergleichen ist.
In Dortmund dürfte der brasilianische U23-Nationalspieler mithelfen, den Ausfall des noch immer an einer Sehnenentzündung im Adduktorenbereich laborierenden Marco Reus (31) aufzufangen und Stoßstürmer Erling Haaland (20) zu entlasten. BVB-Coach Favre zumindest definierte Reinier am Sonntag als "Neuneinhalb", als "falschen Stürmer".
Eine solche Rolle wäre allerdings nicht seine bevorzugte. "Er kann vorne fast alles spielen, auch auf den Flügeln oder in der Spitze", so Jorge Jesus, sein ehemaliger Trainer bei Flamengo. Reinier sei jedoch "in erster Linie ein Zehner, ein Spielmacher", der mit "einer tollen Physis", "viel Fantasie im Kombinationsspiel" und "einer für sein Alter starken Physis" ausgestattet sei.
BVB: In Brasilien vergleichen sie Reinier mit Kaka
Ex-Atletico-Star Filipe Luis, kurze Zeit Mitspieler von Reinier bei Flamengo, verglich den 1,85 Meter großen Rechtsfuß in einem Interview mit der Sportzeitung Marca bereits mit Brasilien-Legende Kaka: "Reinier hat wie Kaka immer den Kopf oben und ist im Strafraum eiskalt. Ich würde sagen, mit dem Rücken zum Tor hat er sogar noch mehr Qualität als Kaka. Seine Ansätze sind großartig."
Ansätze, die Real dazu brachten, 30 Millionen Euro nach Rio zu überwiesen. Dortmund wollte für den gerade erst zum Profi aufgestiegenen Teenager nicht so viel zahlen, andere Klubs wie Manchester United und der FC Liverpool aber schon. Real, das sagte Reinier bei seiner Vorstellung im Januar unter Freudentränen, sei aber nun einmal "das Nonplusultra im Weltfußball". Die Aussicht, mit einem Trainer wie Zinedine Zidane arbeiten zu können, habe ihn "vollends überzeugt".
Gleichwohl war von Anfang an klar, dass Reinier ob der immensen Konkurrenz in Zidanes Starensemble erst einmal in der Castilla, der zweiten Mannschaft, zum Einsatz kommen würde. Drei Spiele bestritt er für die in der dritten spanischen Liga aktive Truppe, dann beendete die Corona-Krise die Saison vorzeitig. Dem Trainer der Real-Reserve, Raul Gonzalez, reichten aber schon 223 Einsatzminuten, um sich eine klare Meinung von Reinier zu bilden.
Raul über Reinier: "Der Junge wird eine große Zukunft haben"
"Der Klub hat hervorragende Arbeit mit diesem Transfer geleistet. Der Junge wird hier eine große Zukunft haben", prophezeite der frühere Weltklasse-Stürmer nach dem 4:0-Sieg am 8. März gegen den FC Coruxo, zu dem Reinier zwei Treffer und eine Vorlage beisteuerte. Neben seinen fußballerischen Fähigkeiten bringe der Neuankömmling auch "die Mentalität eines Gewinners" mit.
"Es gefällt uns, mit wie viel Leidenschaft und Enthusiasmus er hier vom ersten Tag an bei der Sache ist", erklärte der Ex-Schalker Raul. "Er hat sich schnell integriert und sein Potenzial unter Beweis gestellt." Nichts anderes erhoffen sie sich nun auch in Dortmund. Auch wenn Favre klarstellte, dass Reinier noch "sehr, sehr jung" sei. "Wir müssen ihm Zeit geben", sagte er und verwies auf die Entwicklung von Bayern-Stürmer Serge Gnabry: "Er ist heute 25 Jahre alt, war bei Arsenal, Hoffenheim und Bremen. Da lief es auch noch nicht so, aber er hat sich peu a peu entwickelt und verstanden, was es heißt, Profi zu sein. Jetzt ist er einer der besten Spieler."
Reinier Jesus im Steckbrief
geboren | 19. Januar 2002 in Brasilia, Brasilien |
Größe | 1,85 m |
Gewicht | 73 kg |
Position | offensives Mittelfeld/Sturm |
starker Fuß | rechts |
Stationen | CR Vasco da Gama Jugend, Botafogo FR Jugend, Fluminense Rio de Janeiro Jugend, Flamengo Jugend, Flamengo |
Spiele/Tore/Vorlagen als Profi | 18/8/3 |