Shinji Kagawa und seine Nichtberücksichtigung beim BVB unter Lucien Favre: Warten auf Gott

Shinji Kagawa kam unter Lucien Favre bislang in allen drei BVB-Pflichtspielen nicht zum Zug.
© getty

Nach seiner Rückkehr zu Borussia Dortmund ist für Shinji Kagawa bereits die fünfte Saison beim BVB im Gange. Seitdem ging es für den immer wieder von Verletzungen geplagten Japaner hoch und runter. Bei Lucien Favre scheinen Kagawas Aktien aber so schlecht wie bei keinem Trainer zuvor zu stehen.

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Borussia Dortmund und seine verlorenen Söhne - das war schon immer eine romantische Geschichte, ganz egal ob 1977 bei der Rückkehr von Siegfried Held oder 17 Jahre später, als Andreas Möller noch einmal für Schwarzgelb die Schuhe schnürte. Und so verhielt es sich auch in der Neuzeit.

Die Transfers von Nuri Sahin (2013), Shinji Kagawa (2014) und Mario Götze (2016) verbanden vor allem die sportlich Verantwortlichen, aber auch viele Fans des BVB mit der Hoffnung, dass diese Spieler im heimeligen Nest wieder zu ihrer alten Leistungsstärke zurückfinden würden. Denn alle drei hatten vor ihrem Abgang zweifelsfrei ihre beste Zeit in Dortmund.

Die andere Seite dieser Geschichte ist jedoch, dass diese Hoffnung recht schnell zerstört wurde. Sahin ist im internen Ranking immer weiter runtergepurzelt, kürzlich flüchtete er nach Bremen. Götze hat vor allem mit unrealistischen Bewertungsmaßstäben und sich selbst zu kämpfen, eine wirkliche Verstärkung war er in seinen beiden bislang absolvierten Spielzeiten nicht.

Kagawas BVB-Rückkehr: eine Wellenbewegung

Auch Kagawas Stern ist in den letzten Wochen erheblich gesunken. Der Japaner ging in diesem Sommer in seine bereits fünfte Saison, nachdem er 2014 von Manchester United zurückkam und die Romantik gar auf die Spitze trieb, als er in seiner ersten Partie direkt wieder ein Tor erzielte.

Seitdem ist jedoch viel Zeit vergangen, Kagawas individuelle Rückkehrer-Story gleicht einer Wellenbewegung. In seinem ersten und Jürgen Klopps letztem Jahr beim BVB kämpfte der Klub zwischenzeitlich gegen den Abstieg, unter Thomas Tuchel brillierte er wie der Rest der Mannschaft in Saison eins, im zweiten Jahr dann deutlich seltener und das Peter-Bosz-Fiasko durfte er sich zumeist von der Bank aus ansehen.

Shinji Kagawa: Die Leistungsdaten seit seiner BVB-Rückkehr 2014

SaisonPflichtspieleToreAssists
2017/182767
2016/173068
2015/16461313
2014/1538610

Erst bei Peter Stöger gelang Kagawa nach längerer Zeit und in einer für den Verein enorm komplizierten Phase wieder ein echter Aufschwung. Der Österreicher setzte voll auf den Mittelfeldspieler und dieser dankte ihm die Startelfeinsätze mit drei Toren und drei Assists in Stögers ersten sieben Bundesligapartien. Kagawas stabile Leistungen waren letztlich einer der Hauptgründe, weshalb der BVB so schnell wieder zurück in die Champions-League-Spur fand.

Kagawa mit Aufschwung unter Peter Stöger

Ein Heimspiel gegen den HSV beendete sein Leistungshoch allerdings abrupt. Kagawa musste verletzt ausgewechselt werden und anschließend folgte ein kleines Mysterium. "Shinji hat ein Problem am Knöchel", richtete Stöger eine Woche später lediglich aus. Auf ein offizielles Vereinsstatement mit konkreter Diagnose wartete man vergebens.

Zweieinhalb Monate dauerte es, bis Kagawa wiederhergestellt war. Auch das Sprunggelenk war betroffen, zudem musste er zwischenzeitlich einen Rückschlag wegen zu früher Belastung verdauen. 23 Pflichtspiele verpasste Kagawa in dieser Zeit und der BVB brachte spielerisch kaum mehr etwas auf die Kette. Nur noch am 34. Spieltag war ein Einsatz möglich, 15 Minütchen tat Kagawa in Hoffenheim mit.

Daher wäre es theoretisch nicht weit hergeholt, den 29-Jährigen vor der aktuellen Saison als gefühlten Neuzugang zu sehen. Nach nun zwei Monaten unter Lucien Favre ist jedoch deutlich geworden, dass Kagawas Aktien so schlecht wie bei keinem Trainer zuvor stehen.

BVB-Coach Favre sieht Kagawa "als Neuneinhalb, als Zehner"

Die Indizien dafür sind schlicht erdrückend. Bei allen drei bisherigen Pflichtspielen (Fürth, Leipzig, Hannover) stand Kagawa nicht im ohnehin üppig bestückten Kader. Den Hauptgrund lieferte Favre auf der Pressekonferenz vor dem Bundesligaauftakt: Der Coach sieht Kagawa "als Neuneinhalb, als Zehner" und diesen gibt es im von Favre favorisierten 4-3-3-System nicht.

Mit der etwas defensiveren Position auf der Acht hatte Kagawa bereits unter Tuchel zu kämpfen. Spielte er dort, kamen seine Vorzüge seltener zum Vorschein. Diesen Eindruck scheint er derzeit auch auf Favre zu machen.

"Wir haben sehr viele Spieler im Mittelfeld, wir kennen Shinjis Qualität", sagte der Trainer und beschwichtigte: "Die Saison ist noch sehr lang. Bald kommen nur noch englische Wochen bis Weihnachten. Jeder Spieler wird wichtig sein."

Zorc hofft auf professionelle Reaktion

Doch um einen Spieler zunächst einmal als Rotationsmasse ins Wasser zu werfen, braucht dieser Rhythmus und Spielpraxis, um selbst voranzukommen und helfen zu können. Davon ist Kagawa aktuell weit entfernt. Vielleicht trifft auf ihn aber auch die von Favre bereits häufig getätigte Aussage zu, dass der Schweizer seine Spieler noch weiter kennenlernen muss. Die klare Einschätzung, welchen Spielertypus er in Kagawa sieht, spräche jedoch wieder dagegen.

"Das ist gerade eine schwierige Situation für Kagawa", sagte Sportdirektor Michael Zorc im kicker: "Shinji wird sie professionell annehmen." Eine andere Annahme bleibt Zorc auch kaum übrig, schließlich muss er das bei Spielern wie Sebastian Rode, Jeremy Toljan, Dan-Axel Zagadou, Dzenis Burnic oder Alexander Isak genauso hoffen - Kagawa hat nur den prominentesten Namen.

Er sei zwar überrascht gewesen, zuletzt auf der Tribüne gelandet zu sein, aber "ich muss mich auf mich selbst konzentrieren", sagte Kagawa kürzlich der japanischen Sportzeitung Nikkan Sports. Auch die Möglichkeit eines Wechsels schloss er damals nicht aus, konkrete Angebote lagen für ihn jedoch bis Transferschluss nicht vor.

Kagawa will um seinen Platz beim BVB kämpfen

Kagawa, der im letzten Sommer seinen Vertrag noch bis 2020 verlängerte, durchlebt beim BVB somit die undurchsichtigste Zeit, seitdem er im Sommer 2014 aus Manchester zurückkehrte.

Der Wind kann sich selbstverständlich schnell drehen und er wieder näher an die Mannschaft heranrücken, selbst unabhängig von möglichen Verletzungen der Konkurrenten. Wenn er bislang von der Bank kam, benötigte Kagawa meist nicht viel Zeit, um einen gewissen Einfluss auf das Spiel zu nehmen - eine Rolle, die beispielsweise Mario Götze nicht wirklich liegt.

"Ich bin zuversichtlich, dass ich meine Fähigkeiten einbringen kann", sagte Kagawa und kündigte an, um seinen Platz kämpfen zu wollen. Ob ihm das aber nach diesem schwierigen Start gelingen wird? "Das weiß nur Gott", erwiderte er.

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