SPOX: Herr Wolter, sie waren an einer der dunkelsten Stunden der Bundesliga beteiligt, dem Bestechungs-Skandal von 1971...
Horst Wolter: Das weise ich weit von mir. Beteiligt wäre ich gewesen, wenn ich das Geld angenommen hätte, das sie mir in Bielefeld in der Halbzeit auf der Toilette angeboten haben. Ich habe vor der Pause gehalten wie ein Weltmeister und die wollten mir anschließend Geld in die Tasche stecken. 25.000 Mark für ein Gegentor. Aber das hätte ich niemals für Geld zugelassen. Wir haben übrigens 1:0 gewonnen.
SPOX: Dennoch wurden Sie vom DFB-Sportgericht verurteilt und mussten 4400 Mark Strafe zahlen. Warum?
Wolter: Ich habe Geld angenommen, aber nicht fürs Verlieren, sondern fürs Gewinnen wollen. Da ging es um das letzte Saisonspiel in Oberhausen. Wir sollten gewinnen, damit Kickers Offenbach nicht absteigt. Und das würde ich heute noch machen, wenn ich noch spielen würde. Damit tue ich ja niemandem weh, gewinnen will man ja so oder so. Ich habe deshalb auch kein schlechtes Gewissen. Und gewonnen haben wir auch nicht, sondern 1:1 gespielt.
SPOX: Das war vier Jahre nach dem Braunschweiger Überraschungstitel. Wie präsent ist die Erinnerung an die Meisterschaft noch?
Wolter: Die ist sehr präsent! Jeden Abend, wenn ich in mein Zimmer gehe, schauen mich da die ganzen Bilder aus dem Meisterschaftsjahr an. Die hängen alle an der Wand. Und auch in der Stadt werde ich immer mal wieder auf den Erfolg von damals angesprochen - natürlich eher von den älteren Braunschweigern (lacht). Und wenn die übrig gebliebenen von der Meistermannschaft mal zu Besuch kommen, dann hole ich das große Album mit den besonderen Momenten raus, das wir uns dann gemeinsam anschauen.
SPOX: Welches waren für Sie die besonderen Momente in der Saison?
Wolter: Das 5:2 gegen Bayern zum Beispiel, da haben wir innerhalb von wenigen Minuten mit 4:0 geführt und Franz Beckenbauer hat ein herrliches Eigentor geschossen. Oder das 2:1 gegen Gladbach, da lagen wir durch ein Tor von Jupp Heynckes hinten und haben uns dann noch den Sieg geholt. Das war schon besonders.
SPOX: Werden Sie eigentlich immer noch "Luffe" genannt?
Wolter: Ja, in Braunschweig natürlich. Ich kam ja ursprünglich aus Berlin und war gelernter Bäcker und Konditor. Als ich das dem Braunschweiger Kapitän in der Jugend erzählte, sagte er, dass das in der Region "Luffe" heißen würde. Und von da an war ich eine "Luffe", ein Brötchen.
SPOX: Ihre Mannschaft wurde damals als Provinzmeister aus Niedersachsen bezeichnet. War der Fußball damals trotz der Bundesliga-Gründung noch so provinziell?
Wolter: (lacht) Wir hatten Baumwollhemden an, die sind bei Regen noch eingelaufen und Köln spielte schon in den feinsten Klamotten von Dior. Wir waren zusammen mit dem KSC das Armenhaus der Bundesliga. Wir haben am wenigsten verdient, waren mit am schlechtesten organisiert und hatten einfach kaum Möglichkeiten. Vielleicht hat aber genau das den Zusammenhalt und den Charakter der Mannschaft geprägt.
SPOX: Kann man sagen, dass sie der krasseste Außenseiter waren, der jemals die Meisterschaft geholt hat?
Wolter: Das muss man sogar so sagen. Wir haben alle nebenbei gearbeitet - die ganze Mannschaft. Und mittwochs hatten wir zudem noch trainingsfrei. Schon als die Bundesliga 1963 startete, war doch für jeden klar: Der erste, der absteigt, ist Braunschweig. Und als das nicht passierte, war klar: Dann steigen sie halt im nächsten Jahr ab. Aber weit gefehlt.
SPOX: Namen, wie die von Ihnen angesprochenen Beckenbauer und Heynckes sind ja auch heute noch ein Begriff, Horst Wolter sagt aber den wenigsten noch etwas. Woran liegt das?
Wolter: Das ist doch ganz normal. Ich möchte mich nicht mit Franz Beckenbauer und Jupp Heynckes auf eine Stufe stellen - so vermessen bin ich nun wirklich nicht. Ich bin in der Republik aber zum Beispiel noch wegen der Briefmarke präsent, die zur WM rauskam. Die zeigt eine Parade von mir - und das, obwohl lebende Personen auf Briefmarken ja eigentlich nicht abgebildet werden dürfen. Aber jeder wusste, dass ich das bin und ich habe viel Fanpost mit der Marke drauf bekommen.