"NBA-Scouts wollen Leader sehen"

Von Christoph Köckeis
Neben 17,5 Punkten kommt Jakob Pöltl bei den Utah Utes auf knapp 2 Blocks pro Spiel
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SPOX: Was ist mit den Utes in dieser Saison möglich?

Pöltl: Unser Ziel, unter die Top 4 der Pac-12-Division zu kommen, haben wir mit dem zweiten Platz erreicht und wir hoffen natürlich, beim NCAA Tournament dabei zu sein. Die Liga ist eng beisammen, aber es sieht gut aus. Ich persönlich würde gerne zurück zum March Madness. Daran teilzunehmen, war das Basketball-Erlebnis meines Lebens. Es ist unglaublich, wie es auf den Rängen abgeht. Die Mentalität der Spieler tut ihr Übriges. Verlierst du, bist du raus. Daher spürt man: Jeder gibt 110 Prozent.

SPOX: Hat es Sie überrascht, welchen enormen Stellenwert College-Basketball in den USA genießt?

Pöltl: Auf jeden Fall. Ich komme aus Österreich, einem Land, in dem Basketball keine Lobby hat. Wenn bei uns tausend Fans zu einer Bundesliga-Partie kommen, ist das außergewöhnlich. Das College ist eine andere Dimension. Du läufst vor 15.000 Leuten auf und die Faszination ist gigantisch. Letztlich macht es riesigen Spaß, wenn die ganze Schule hinter dir steht und dich anfeuert.

SPOX: Da fällt es selbst einem besonnenen Österreicher wie Ihnen leichter, aus sich rauszukommen.

Pöltl: (lacht) Mit der Unterstützung im Rücken kann es emotionaler werden. Ich persönlich sauge das Gefühl auf. Haben wir einen Run oder uns gelingt ein Big Play, pusht mich das. Es gibt mir einen Adrenalin-Stoß, den ich in entscheidenden Momenten benötige. Ich versuche, durch meine Aktionen diese Stimmung möglichst am Leben zu halten und die Kollegen extra anzutreiben.

SPOX: Wie schwer fällt es danach, runterzukommen und die Schulbank zu drücken?

Pöltl: Viele unterschätzen, was für eine Herausforderung es ist. Wir sind jede zweite Woche für drei, vier Tage unterwegs und verpassen die Uni. Basketball macht es demzufolge schwerer, ein guter Student zu sein. Dank der Hilfe vom Staff und von den Lehrern ist es allerdings möglich. Sie sind wirklich sehr kooperativ und eine große Unterstützung. Für uns werden Deadlines verschoben und wir erhalten das verpasste Material per E-Mail.

SPOX: Sie nehmen Ihr Studium nicht auf die leichte Schulter. Was passiert, wenn Sie gedraftet werden?

Pöltl: Sofern ich es in die NBA schaffe, wird die Ausbildung auf Eis gelegt. Es wäre kontraproduktiv, neben dem Basketball zu büffeln. Das ließe sich zeitlich wohl nicht vereinbaren. Ich will mir aber die Option offen halten, es nach der Karriere abzuschließen. Daher nehme ich das Studium zu hundert Prozent ernst, wo es andere Talente lockerer sehen, da sie mit dem Kopf schon in der NBA sind und voll auf die eine Karte setzen.

SPOX: Ist die Draft-Anmeldung beschlossene Sache?

Pöltl: Sagen wir mal so: Es deutet alles darauf hin. Ich werde nach der Saison mit meinen Eltern und den Coaches sprechen, ein paar Insider-Informationen einholen, um eine Entscheidung zu treffen. Ich sehe meine Chancen realistisch und versuche, mich von den Lobeshymnen frei zu machen. Hier in den USA wird man schnell gehyped. Davon darf man sich nicht beeinflussen lassen, sonst steigt es einem zu Kopf. Obwohl bei mir nicht unbedingt die Gefahr abzuheben besteht. Ich bin bodenständig.

SPOX: Medien sehen in Ihnen den neuen Dirk Nowitzki. Was lösen solche Vergleiche aus: Druck oder eher Motivation?

Pöltl: Beides. Nowitzki ist der beste europäische Basketballer aller Zeiten. Dementsprechend kann ich mich mit ihm nicht vergleichen. Sowas muss man sich verdienen. Um in einem Atemzug mit ihm genannt zu werden, habe ich einen weiten Weg vor mir.

SPOX: Wem eifern Sie nach?

Pöltl: Ich habe gar kein Vorbild, dessen Moves ich mir explizit abschaue und nachahme. Am meisten beeindruckt mich jedoch Kevin Garnett. Nicht von seiner Spielweise, sondern von der Mentalität. Er ist ein Teamplayer, mit großartiger Energie. Ihm merkt man an, dass er für den Sport lebt. Bei mir das genauso. Stehe ich auf dem Feld, dann opfere ich mich auf. Ich versuche basketballerisch und mental eine Leadership-Rolle anzunehmen.

SPOX: Garnett hält sich seit zwei Dekaden in der NBA. Was braucht es dafür?

Pöltl: Den unbedingten Willen. Und selbstverständlich die Fähigkeiten. Einer der Unterschiede zum College ist, dass es ein Vollprofi-Business ist. Du funktionierst und bringst deine Leistungen - oder du gehst. Die mentale Belastung ist dadurch auf einem wesentlich höheren Level.

SPOX: Und auf Ihre Position runtergebrochen?

Pöltl: Man trifft nun mal auf Erwachsene, teilweise Veteranen über 30, die ausgebufft sind, jeden Move kennen und dich lesen. Grundsätzlich entwickelt sich die NBA meines Erachtens in Richtung Vielseitigkeit. Die Guards übernehmen mehr Verantwortung, die Big Men immer weniger. Dieser typische Center, groß und stark und eine Macht unter dem Korb, stirbt aus. Als Stretch-Big-Man, der werfen kann, hat man hingegen gute Chancen, sich festzusetzen.

SPOX: Wo würden Sie sich gerne festsetzen? Ich habe gelesen, Sie wären Celtics-Fan.

Pöltl: Ja, das stimmt. Wenn ich im Laufe meiner Karriere irgendwann in Boston landen könnte, wäre das unglaublich. Nur es ist kein Platz für Träumereien. Falls ich gedraftet werden sollte, hoffe ich, eine Situation vorzufinden, wo ich mich beweisen kann und bis zu einem gewissen Grad gefördert werde. Mir ist bewusst: Die Zeit ist in der NBA rar. Es ist ein toughes Geschäft. Man kann vom einen auf den anderen Tag plötzlich von der Ost- an die Westküste getradet werden, ohne gefragt zu werden. Man lebt gewissermaßen für den Sport und für den Erfolg. Dem gilt es, alles unterzuordnen. Ich versteife mich daher nicht auf ein paar wenige Teams - ändern kann ich es sowieso nicht.

SPOX: Am 23. Juni steigt der NBA-Draft. Wie malen Sie sich den Tag der Tage aus? Wie wird es sein, auf die Bühne gerufen zu werden?

Pöltl: Es wird der Moment sein, wo ich realisiere, was in den letzten zwei Jahren passiert ist und was ich geschafft habe. Dann bekomme ich Einsicht in die NBA. In das, worüber ich jetzt lediglich spekulieren kann. Aktuell habe ich keine Ahnung, wo ich in einem halben Jahr sein werde. Erst der Draft bringt Klarheit, wie meine Zukunft aussehen könnte.

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