FC Bayern München - Erkenntnisse zum Remis bei RB Leipzig: Die Millionen-Abwehr wird zur großen Schwachstelle

Von Tim Ursinus
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Der FC Bayern München bleibt unter Thomas Tuchel sieglos gegen RB Leipzig. Ein Grund dafür ist die millionenschwere Abwehr. Zudem gibt es ein neues Sorgenkind in der Offensive. Drei Erkenntnisse zum FCB nach dem Remis.

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Der FC Bayern München hat die Tabellenführung verloren, weil es gegen RB Leipzig mal wieder keinen Sieg gab. Das 2:2 (2:0) bei den Sachsen offenbarte vor allem eine große Schwachstelle, die es für Trainer Tuchel schleunigst zu beheben gilt.

Doch auch auf einem anderen Posten läuft derzeit nicht alles rosig beim deutschen Rekordmeister. Diese drei Dinge fielen auf.

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FC Bayern München: RB Leipzig ist der neue Angstgegner

Auf das Prädikat Angstgegner hatten in der Vergangenheit vor allem zwei Vereine aus der Bundesliga ein Abonnement: Borussia Mönchengladbach und der FC Augsburg. Doch gegen beide Mannschaften war der FC Bayern in dieser Saison siegreich. Gegen die auf dem Papier deutlich schwächeren Klubs scheint ein Gegengift gefunden zu sein, mit RB Leipzig gibt es aber längst einen neuen Verein, der sich zum Kryptonit der Münchner entwickelt hat.

Unter Tuchel gelang es dem deutschen Rekordmeister bislang nicht einmal, die Sachsen zu schlagen. Am 33. Spieltag der vergangenen Saison verspielte Bayern mit einem 1:3 in der Allianz Arena eigentlich die Meisterschaft, wenn der BVB seine Hausaufgaben eine Woche später erledigt hätte. Im August hagelte es eine deutliche 0:3-Niederlage im Supercup und auch am Samstag schrammte man nach einer schwachen ersten Hälfte nur knapp an einer erneuten Pleite vorbei.

Insgesamt gewannen die Bayern sogar fünf Spiele nicht mehr gegen Leipzig. Zuvor war die Rollenverteilung in Sachen Angstgegner noch die gegenteilige. Der FCB verlor keines der ersten elf Duelle der Vereinsgeschichte. "Das ist etwas, was uns überhaupt nicht gefällt", sagte Tuchel zu der Sieglos-Serie vor dem Spiel: "Der Stachel sitzt." Um den Spieß umzudrehen, nahm der Bayern-Coach sogar leichte Änderungen an seiner Spielweise vor.

FC Bayern: Thomas Tuchel gesteht Fehler ein

Anstatt im Spielaufbau auf eine Eröffnung mit vier klaren Verteidigern zu setzen, zog er Linksverteidiger Alphonso Davies eine Position vor ins linke Mittelfeld. Die drei restlichen Abwehrspieler Konrad Laimer, Dayot Upamecano und Min-Jae Kim blieben hinten. Unterstützung bekamen sie aus dem zentralen Mittelfeld von Joshua Kimmich und Leon Goretzka. Im Fachjargon ist hierbei von einem "3:2-Aufbau" die Rede. Doch das ging ordentlich nach hinten los.

"Das Spiel war zu langsam, viel zu fehlerhaft. Vielleicht lag es an meinem Plan, das nehme ich auf meine Schultern", gestand Tuchel bei Sky nach Sichtung der Gegentore, die er zuvor detailliert analysiert hatte. Den Fehler hatte er sich auch schon zur Pause eingestanden. Dort nahm Tuchel nach einer emotionalen Halbzeitansprache gar eine Systemumstellung vor, die das Spiel zugunsten seiner Mannschaft kippte.

Aus dem in Ballbesitz realtaktischen 3-4-3 wurde ein klares 4-1-4-1. Kingsley Coman und Leon Goretzka machten für Mathys Tel und Raphaël Guerreiro Platz. Letzterer rückte an die Seite von Jamal Musiala, weshalb Joshua Kimmich als alleiniger Sechser weitermachte und sich wie viele andere deutlich verbesserte. Durch die zusätzliche Offensivpower kam Leipzig kaum noch aus der eigenen Hälfte heraus, die Bayern drückten und kamen innerhalb von 13 Minuten zum verdienten Ausgleich.

Letztlich sind die Bayern nochmal mit einem blauen Auge davongekommen. Die Leistung der Defensive muss Tuchel aber zu denken geben - und das macht sie auch.

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FC Bayern München: Millionen-Abwehr als große Schwachstelle

Die Abwehr ist aktuell die mit Abstand größte Schwachstelle der Bayern. Zu den kumuliert fünf Gegentoren gegen Leipzig kommen fünf Gegentore aus den Spielen gegen Manchester United und Bayer Leverkusen hinzu, zwei weitere schenkten dem FCB Augsburg und Gladbach ein. Auffällig: Steht dem FCB eine qualitativ überdurchschnittliche Offensive gegenüber, wird es auch nichts mit einer weißen Weste für den Torhüter.

Das führt in erster Linie auf die kostspielige Innenverteidigung zurück, die sich wie schon in mehreren Phasen der vergangenen Spielzeit einfach nicht finden will. Insgesamt blätterten die Bayern für ihre drei Innenverteidiger - mehr sind es nach den Abgängen von Lucas Hernández und Benjamin Pavard im Sommer nicht mehr - ohne Bonuszahlungen 159,5 Millionen Euro hin. Pro Saison kam jeweils einer an die Säbener Straße: Dayot Upamecano 2021 für 42,5 Millionen Euro, Matthijs de Ligt ein Jahr später für 67 Millionen Euro und vor einigen Wochen Min-Jae Kim für 50 Millionen Euro.

Gegen Leipzig setzte Tuchel wie bei dem Großteil der anderen acht Pflichtspiele auf das Duo aus Upamecano und Kim - und beide erwischten nicht zum ersten Mal in dieser Saison alles andere als einen Sahnetag. Das 0:1 entstand aus einer Co-Produktion ihres Unvermögens.

Erst ließ Kim Gegenspieler Yussuf Poulsen bei dessen Kopfballablage nach einem Leipziger Einwurf ungestört zurück, obwohl er unmittelbar davor noch an dem Stürmer dran war. Dann rückte Upamecano völlig unnötig aus der Viererkette heraus und machte den Weg für Torschütze Loïs Openda frei, dessen Schuss auch noch von dem einen Schritt zu langsamen Kim unglücklich abgefälscht wurde.

FC Bayern: Upamecano und Kim bringen Tuchel zur Weißglut

Das brachte Tuchel (verständlicherweise) zur Weißglut, als dieser die Szene auf dem Tablet vor der Trainerbank anschaute und seine Innenverteidiger anschließend regelrecht anschrie. "Es ist im Grunde komplett das gegenteilige Verhalten von dem, was wir eigentlich wollen", schimpfte er hinterher am Sky-Mikrofon.

Insbesondere Kim scheint noch nicht wirklich in München angekommen zu sein. Dass der eigentlich schnelle Südkoreaner - sein Tempo war immerhin einer der Gründe für die Verpflichtung - auch noch das entscheidende Laufduell verlor, passt ins Bild. Tuchel wird bald nicht mehr um die Frage herumkommen, warum nicht de Ligt für Kim oder den immer wieder fehleranfälligen Upamecano in die erste Elf rückt. Das war in dieser Spielzeit bislang erst zweimal der Fall.

Gegen Leipzig fehlte de Ligt noch angeschlagen, seine Rückkehr in die Mannschaft könnte aber schon beim Champions-League-Spiel in Kopenhagen am Dienstag folgen. Doch auch der Niederländer wusste in seinen bisherigen Einsätzen noch nicht vollends zu überzeugen, obwohl er in der Vorsaison dank überzeugender Leistungen noch klarer Stammspieler war.

Die kleine Verletzung, die er sich beim 7:0-Sieg über den VfL Bochum zugezogen hatte, warf ihn ein weiteres Mal zurück und verhinderte einen Einsatz im DFB-Pokal. Weil auch Upamecano und Kim fehlten, beorderte Tuchel kurzerhand Goretzka und Noussair Mazraoui in die Innenverteidigung. Ein Notstand, den es auf keinen Fall ein weiteres Mal geben soll, mit der dünnen Besetzung in der Abwehrzentrale aber durchaus wieder vorkommen kann.

Denn auch Talent Tarek Buchmann steht seit einigen Wochen nicht zur Verfügung. Der 18-Jährige fehlt bereits zum zweiten Mal in dieser Saison verletzt. Für die zweite Mannschaft absolvierte er nur eine Partie über 90 Minuten. Aufgrund der auf Kante genähten Abwehr-Konstellation sollen die Bayern nun sogar über eine Rückholaktion des vereinslosen Jérôme Boateng nachdenken. Am Sonntag war der Weltmeister von 2014 tatsächlich im Training dabei. Ob der 35-Jährige nach seiner enttäuschenden Saison bei Olympique Lyon Tuchels Sorgenfalten tatsächlich glätten kann, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

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FC Bayern München: Kingsley Coman der formschwächste Angreifer

Eine weitere, wenn auch kleinere, Baustelle hat Tuchel derzeit in der Offensive - und zwar in Kingsley Coman (SPOX-Note: 5). Der Flügelstürmer will einfach nicht in Tritt kommen. In Leipzig enttäuschte der Franzose einmal mehr. Aus der ohnehin schwachen Offensive in der ersten Hälfte stach er nochmal negativ heraus.

Nur ein kläglicher Abschluss, zwei mickrige Pässe im letzten Drittel, 30 Ballaktionen und kaum Dribblings: Coman fand nicht statt und blieb zur Pause berechtigterweise in der Kabine. Für ihn kam Überflieger Mathys Tel ins Spiel. Dem 18-Jährigen war zwar nicht der bereits sechste Saisontreffer vergönnt, dennoch brachte er deutlich mehr Tempo und Flexibilität in die Partie. Auch Harry Kane profitierte von der Hereinnahme und war in der Folge deutlich mehr ins Spiel eingebunden.

Schon beim Kantersieg gegen Bochum hatte die Mehrheit Tel in der Startelf erwartet, doch den Vorzug bekam Coman. Dieser steuerte zwar einen Assist - sein bislang einziger Scorerpunkt in dieser Saison - bei, fiel aber auch in einigen Szenen negativ auf. Gleich zweimal nahm Kane sich den Siegtorschützen vom CL-Finale 2020 zur Brust, weil dieser zu eigensinnig agierte und den jeweils freistehenden Engländer nicht bediente. Tel kam für die letzten 25 Minuten ins Spiel und traf wenig später.

Weil Serge Gnabry nach seinem Armbruch mehrere Wochen ausfallen wird, liefern sich Coman und Tel derzeit einen Zweikampf um den Platz auf dem linken Flügel. Auf der anderen Seite führt kein Weg an Leroy Sané vorbei. Der stellt als derzeit formstärkster Bayern-Angreifer das krasse Gegenteil von Coman dar. Und für diesen schwinden die Argumente für einen weiteren Startelfeinsatz bei den kommenden Aufgaben immer mehr - wenn es nicht schon gar keine mehr gibt.

FC Bayern München: Die nächsten fünf Pflichtspiele des FCB

DatumWettbewerbGegner
3. Oktober, 21.00 UhrChampions LeagueFC Kopenhagen (A)
8. Oktober, 17.30 UhrBundesligaSC Freiburg (H)
21. Oktober, 18.30 UhrBundesligaMainz 05 (A)
24. Oktober, 18.45 UhrChampions LeagueGalatasaray Istanbul (A)
28. Oktober, noch offenBundesligaDarmstadt 98 (H)