Tankerfahrt mit dem Harmoninator

Von Max-Jacob Ost
"Ja is' denn heut' scho' Weihnachten? Wann darf ich jetzt den Jupp abbusserln?"
© Getty

Wo sonst gemotzt wird, herrscht zum Abschluss der Hinrunde die pure Harmonie. Schuld daran: Uli Hoeneß, seines Zeichens Hippie und Tankerfahrer. Nur Huub und Thomas mischen den Kindergarten Bundesliga noch ordentlich auf. Und über allem schwebt das Liebesdrama um Michael und Markus. Findet die Alternative Liste trotzdem zu einem guten Ende?

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1. Kölner Antizyklus: Was für ein Halbjahr liegt hinter uns! Diktatoren wurden in einer Zahl gestürzt wie die Kölsch nach Spielschluss in Kölner Fußballkneipen, der zweite arabische Frühling der Weltgeschichte nach der triumphalen Rückkehr Ali Karimis in die Bundesliga hat zu globalen Lobgesängen auf die westliche Demokratie geführt. Der Westen liegt sich in den Armen.

Der ganze Westen? Nein, nicht der ganze. Denn wie es so in der Art des 1. FC Köln liegt, tickt man hier einfach anders. Gegen die Bayern stellte sich der Effzeh mit elf Mann, dem Mannschaftsbus und Hennes VIII. samt Vorgängern in die eigene Hälfte und errichtete so eine Mauer, die sogar Räuspertasten-Bohemian Marcel Reif sprachlos zurückließ: "Mit dieser Aufstellung kann ich gar nichts anfangen." Eine Taktik sponsored by Walter Ulbricht. War das so gemeint, mit der roten Wand, liebe Effzehler?

2. Ein Harmonie-Tanker auf Irrfahrt: Wie man es richtig macht mit dem Offensiv-Pressing, zeigte dagegen Uli Hoeneß. Der nahm in einem Sturm der Liebe die ganze Welt so fest in den Arm, dass man ernsthaft kurz Angst haben musste, die Weltbevölkerung würde an der heißen Hoeneß-Brust einen Erstickungstod erleiden. Mit dem seligsten Grinsen seit Erfindung des lauwarmen Fußbads machte der Harmoninator ein für alle Mal Schluss mit Ärger und Unbehagen in der Welt:

Herr Hoeneß, nicht sauer über den Platzverweis? "Najaaaa.... Der Franck hat uns so viel Freude gemacht in diesem halben Jahr, den muss man jetzt in den Arm nehmen und sagen: Da haste Mist gebaut, aber... wir sind ja in der Weihnachtszeit: Friede, Freude, Eierkuchen. Da muss man auch mal vergessen können."

Achso. Aber die Bochumer im DFB-Pokal, die wird der große FCB jetzt richtig vermöbeln, oder? "Die können sich jetzt nochmal ein schönes Weihnachtsgeschenk machen. Es wird sicherlich noch mal ein paar Euro zu verdienen geben. Ich denke, dass die Geschenke für die Frauen und Freundinnen dann noch etwas großzügiger gestaltet werden können."

Ähm. Ja. Und sonst so? "Der Tanker Bayern München fährt in einem Jahr, in dem die ganze Welt verrücktspielt - nicht nur im Fußball - sehr, sehr ruhig geradeaus!"

Recht haben Sie, Herr Hoeneß. Und seit Freitag Abend wissen wir auch endlich, wohin der Tanker fährt. Den Namen des Orts kennen wir nicht. Aber es riecht dort wie in einem Coffee Shop in Amsterdam...

3. Hoffentlich liest das Standard & Poor's nicht: Den Ausflugstipp für den FCB-Tanker könnte Hans-Joachim Watzke geliefert haben. Der entgegnete bei "LigaTotal!" auf die Frage nach einem Verkauf von Götze und Hummels fröhlich: "Wir wollen ja Fußball spielen und keine Bank aufmachen!"

Womit er einen untrüglichen Sinn für Treppenwitze bewiesen hat. Als Geschäftsführer von genau jenem Verein Witze über eine Bankengründung zu machen, der noch vor einigen Jahren der Insolvenz näher stand als Dr. a.d. von und zu Guttenberg einem Copyshop. Das wäre ja noch schöner: Der BVB als Bad Bank. Was kommt als nächstes? Schalke als Worst Bank?

4. Mit Schirm, Charme und Steuergeldern: Vielleicht sollte der Ackermann der Bundesliga-Geschäftsführer die Sache mit der Bankengründung aber doch noch einmal überdenken. Das könnte sich lohnen. In Zeiten, in denen der europäische Kapitalismus so dermaßen im Regen steht, dass allerorten Rettungsschirme aufgespannt werden... Andererseits: Das mit dem Rettungsschirm hatten wir in der Liga ja schon. Und wer weiß, ob Steve McClaren überhaupt gerade Zeit hat.

5. Gefällt mir: Womit wir eleganter als üblich beim VfL Wolfsburg angelangt wären. Für ICE wie Trainer gleichermaßen Durchgangsstation. Nur Regionalexpress Magath hat nun schon zum zweiten Mal einen Stopp eingelegt. Und kaum ist er vor Ort, prescht der VfL genau dort nach vorne, wo Magath seine Kernkompetenz hat: bei Facebook. Seit einiger Zeit flutet der VfL die Timeline seiner Fans mit Liveticker-Einträgen, die von Adrenalin nur so tropfen.

Kostprobe gefällig? Haltet Euch fest:

 

  • "Das Spiel hat begonnen. Die Wölfe spielen von links nach rechts. Anstoß Wolfsburg."
  • "15. Spielminute. Die erste Ecke der Partie geht an die Gäste. Diese bleibt ohne Erfolg."
  • Und unser persönlicher Favorit: "Die Zuschauerzahl: 25.944".

 

Das mit der Kernkompetenz Felix Magaths haben wir übrigens von Hasan Salihamidzic.

6. Gefällt mir nicht: Klar, jetzt sagt der Wolfsburg-Fan unter Euch (nicht: in Euch): Moment mal, was soll dieser Witz? Wir haben doch 1:0 gewonnen! Und da hat er natürlich Recht, der Wolfsburger. Aber was jeder mit Sachverstand weiß: Hätte Labbadia nicht so fürchterlich aufgestellt, wäre der Kantersieg für Stuttgart sicher gewesen. Aber die aggressivste Offensivkraft hat er dem Wolfsburger Abwehrbollerwägelchen ja erspart. Warum nur, Bruno, hast Du Pogrebnyaks Frau nicht gebracht?

7. Forbidden Love, going straight to my heart: Man würde sich wünschen, dass auch bei der Hertha mal eine Frau ordentlich auf den Tisch haut. Denn diese Daily Soap ist selbst für Hardcore-GZSZ-Fans zu - obacht - schmierig. Die junge Liebe zwischen Markus und Michael ist zerstört, doch wer hat hier eigentlich wann mit wem Schluss gemacht?

Der Markus sagt November, der Michael wimmert irgendwas von Dezember und beide gucken dabei so beleidigt aus der Wäsche als hätte der jeweils andere seinen Eintrag im Freundebuch mit "du und Blumenkohl sind voll doof!" überpinselt.

Gott sei Dank kommt jetzt mit dem Matt Damon Gelsenkirchens, Michael Skibbe, wenigstens ein Rückkehrer zu Hertha, der mit seinem Telefon so ziemlich alles macht. Da läuft die nächste Trennung wenigstens wieder sauber und fair. Per SMS.

8. Breaking News: Sejad Salihovic wechselt zur neuen Staffel zur Hertha. Mit seinem Talent für außerordentlich schlechtes Schauspiel gilt er allerdings fast als überqualifiziert. Als nächster Neuzugang soll Clarissa von Anstetten auf der Transferliste des Berliner Schauspielhauses stehen.

9. Mh. Lecker Regenwurm! Überhaupt, wann ist die Bundesliga eigentlich zu diesem Kindergarten verkommen? Überall wird genöhlt, gejammert und geschluchzt. Und wer ist schuld? Immer die Anderen! Thomas Tuchel, seines Zeichens Wutbürger der ersten Generation, bellt Schiedsrichter Gagelmann an wie ein Terrier auf Ecstacy den Postboten, betont nach dem Spiel aber: "Ich habe nichts gemacht!"

Huub Stevens, seines Zeichens einstiges Frisurenvorbild von Theodor zu Guttenberg, wird auf die Tribüne geschickt und behauptet danach: "Ich war nicht einverstanden mit einer Entscheidung von Gräfe. Da habe ich reagiert - aber nicht so schlimm, fand ich. Dann hat mich der vierte Offizielle angeschrien - und darauf habe ich reagiert!"

Klasse! Der eine sagt sinngemäß "wirklich, der Regenwurm ist mir in den Mund gefallen!" und der andere krächzt "aber der hat doch angefangen!?" Wir halten fest: Die Frustrationsschwelle eines Bundesliga-Trainers liegt offenbar auf dem Level von Achtjährigen, die schon beim "Malen nach Zahlen" in der Edition "schwarzes Viereck" anfangen, vor Überforderung mit den Stiften um sich zu werfen. Ganz ehrlich: Ein bisschen länger als einen Spieltag hätte das verständnisvolle Miteinander von Trainern und Schiedsrichtern nach Rafati schon anhalten dürfen. Vor allem wenn es um solche Bagatellen geht. Was macht eigentlich Katarina Saalfrank nach dem Aus von "Super Nanny"?

10. Der Alpen-Raul: Was fehlt, ist vor allem die Verhältnismäßigkeit. Geradezu vorbildlich ist es da, wenn uns diese von Dritten wieder vor Augen geführt wird. So wie von Jan Aage Fjörtoft, der als Experte bei SKY das fröhliche Adventskerzen-Abschießen von Schalke gegen Werder kommentierte. Seine Worte der Bewunderung über den starken Christian Fuchs sind so schön, dass man sie in Türrahmen und Schulbänke ritzen sollte: "Bei Raul sagen wir immer, so ein Pass ist normal. Aber bei Fuchs. Ich meine: das ist ein Österreicher!"

11. Deckel drauf: Das war es also für 2011. Ein Bundesligajahr wie eine Tankerfahrt mit Uli Hoeneß nach Amsterdam. Ohne Zwischenstopp in Wolfsburg. Wie macht man da den Deckel drauf? Vielleicht sollte man wenigstens noch einmal den Verein zu Wort kommen lassen, gegen den selbst eine Fensterscheibe Profil hat. Herr Rettig - Sie als Präsident des FC Augsburg haben doch bestimmt einen Satz für uns, der diesen globalen Wahnsinn 2011 in perfekte Worte fasst, oder?

Hat er. Also gut aufgepasst, ihr Banker, Bundesliga-Mäzene und Revoluzzer da draußen. Das hier bitte hinter die Stirn tätowieren - gilt nämlich nicht nur für Wintertransfers:

"Es gibt keinen Ersatz für wirtschaftliche Vernunft".

Und um das Ganze rund zu machen, lassen wir auch noch mal das Fleisch gewordene "Make love not war" der Liga zu Wort kommen.

Herr Hoeneß, bekommt Jupp Heynckes eigentlich ein extra großes Weihnachtsgeschenk? "Eins mit Bussi!"

Seht Ihr? Alles wird gut. Eine frohe Winterpause allerseits.

Der 17. Spieltag im Überblick

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