Der Vergleich ist ein wenig abenteuerlich. Aber er hilft wahrscheinlich, um besser zu verstehen, was gerade im Davis Cup passiert - oder besser gesagt: mit ihm. Stellen wir uns also vor, Roger Federer würde seinen Freund Bill Gates, den Microsoft-Gründer, überreden, ins Fußballgeschäft einzusteigen.
Das gemischte Doppel Federer/Gates würde 50 Milliarden Dollar locker machen und die UEFA-Spitze in einer Geheimverhandlung dazu bewegen, die Champions League zu verkaufen. Fortan gäbe es keine Heimspiele mehr für Bayern München, den FC Barcelona oder Manchester United, sondern ein Turnier der besten Teams an einem neutralen Ort, an einem Schauplatz, der dafür wieder Millionen oder auch Milliarden locker macht.
Alles Quatsch? Alles Unsinn? Eine Schnapsidee? Nicht dann, wenn es ums Tennis und seine älteste Institution geht, den Davis Cup. Passiert ist ja dies: Der spanische Fußballstar Gerard Pique verbündet sich mit einem asiatischen Milliardär, bildet ein einigermaßen undurchsichtiges Konsortium namens Kosmos, legt dem Weltverband ITF in diskreten Hinterzimmergesprächen einen Drei-Milliarden-Dollar-Deal auf den Tisch, der vorsieht, einen World Cup der Nations zu veranstalten.
Ein Turnier der Länder, irgendwann im November, zum Saisonschluss. Irgendwo auf der Welt, wahrscheinlich aber unter der Staatsprotektion in China oder am Arabischen Golf.
"Neuer" Davis Cup ohne Heimspiele der Topnationen
Was es dann schon ab 2019 nicht mehr gäbe: Keine Heimspiele, keine Auswärtsspiele der Topnationen. Und damit auch nicht mehr das, was sich am Wochenende in Valencia abspielte, beim wahrscheinlich einprägsamsten Länderspiel der jüngeren Davis-Cup-Geschichte, mal abgesehen von den Endspielen.
Spanien gegen Deutschland, das 2:3-Scheitern der Deutschen, es war das Destillat für das, was die Faszination des Davis Cup ausmacht. Und man sah, wozu dieser oft beliebig kritisierte Wettbewerb noch immer und immer wieder in der Lage ist: Siege und Niederlagen zu vergrößern, geradezu zu potenzieren. Geschichten zu schreiben, die auch nach vielen Jahren nicht vergessen sind.
Diese Partie endete in einem knapp fünfstündigen Thriller zwischen dem 36-jährigen David Ferrer und dem 34-jährigen Philipp Kohlschreiber. Ferrer, ein Mann, der viel erlebt hat in seinem Tennisleben, sagte hinterher, sein Sieg zum 3:2-Triumph sei der beste Moment seiner Karriere gewesen.
Kohlschreiber sagte hinterher, es sei seine schlimmste Niederlage gewesen. Ein Bild blieb auch noch hängen nach dieser Partie, ein ikonisches Bild. Kohlschreiber sitzt zusammengesunken in seinem Stuhl, den Blick zu Boden gerichtet. Ferrer steht vor ihm, tröstend streicht er ihm über den Kopf. Und dahinter ist Boris Becker postiert, mit starrem, eingefrorenem Gesicht.
Boris Becker im Hintergrund
Eine Szene von tragischer Schönheit, ein stiller Moment von unglaublicher Wucht. Das Spiel der Deutschen in Spanien galt schon vor den ersten Ballwechseln als Plädoyer für den alten, bisherigen Davis Cup. Weil sich soviel Klasse und Prominenz in der Stierkampfarena versammelt hatte, Nadal allen voran, die Nummer 1 der Welt.
Aber auch Zverev, einer seiner möglichen Nachfolger. Das dreitägige Drama verstärkte aber dann noch eine Oppositionsbewegung, die zunehmend an Stärke und Stimme gewinnt. Wohin man an diesem Wochenende auch hörte oder blickte, überall wurde Kritik am Ausverkauf der Tennisseele beklagt, am Opfern des Davis Cup für ein beliebiges Kommerzevent.
Der frühere Weltranglisten-Erste Lleyton Hewitt, inzwischen Davis Cup-Chef Australiens, fragte mit Blick auf das spanisch-deutsche Kräfteringen via Twitter rhetorisch: "Meint ihr das ernst, ITF? Wollt ihr diese unbeschreibliche Atmosphäre killen, die Heim- und Auswärtsspiele?"
Und die Französin Amelia Mauresmo, auch eine ehemalige Nummer 1 der Welt und nun Chefin des nationalen Frauenteams, gab dies zu Protokoll: "Wie kann der Weltverband überhaupt darüber nachdenken, solche drastischen Veränderungen vorzunehmen. Kann man sich vorstellen, es gäbe künftig keine Heimspiele mehr in Ländern wie Italien, Frankreich, Deutschland oder Spanien?"
Todesurteil für den Davis Cup
Statt einer "sinnvollen Weiterentwicklung des Wettbewerbs" spreche man das "Todesurteil aus", so Mauresmo. Käme der Deal der ITF mit der Kosmos-Gruppe zustande, würden die Nationalverbände zwar über mehr als zwei Jahrzehnte eine Garantiesumme einstreichen können.
Aber es ist in gewissem Sinne auch eine Milchmädchenrechnung, denn der Davis Cup garantiert Städten und Regionen, die Heimspiele austragen, massive touristische Umsätze - Millionen für Hotels, Restaurants, den Einzelhandel. Das fiele weg, aber auch das Erlebnis für Fans, ihre größten Stars im eigenen Land zu sehen.
Valencia war auch da ein Beispiel, eine Stadt, in der kein größeres Turnier stattfindet. Und in der zu sehen war, wie sehr sie hungerte, den leibhaftigen Rafael Nadal zu sehen. Spielte Spanien aber künftig gegen Deutschland, etwa in Shanghai im November, am Ende einer langen Saison, noch nach dem ATP-Finale - wer könnte sich dafür begeistern, wer würde sich da zuschalten möglicherweise beim Pay-TV?
David Haggerty verfolgt eine durchsichtige Strategie
David Haggerty, der ITF-Präsident, verfolgt eine durchsichtige Strategie. Er winkt den vielen kleinen, finanziell in prekären Verhältnissen wirtschaftenden Nationen mit dem Geldbeutel. Sie sollen beim Jahreskongreß im Sommer in Orlando mit ihren Stimmen die Gegnerschaft aus den größeren Ländern überstimmen - man kennt das Verfahren aus dem FIFA-Universum.
Allerdings formiert sich hinter den Kulissen auch schon eine Boykottbewegung. Einige Topspieler haben bereits angekündigt, sie würden bei dem World Cup of Nations nicht an den Start gehen wollen. Es kann sein, dass der versuchte Kahlschlag beim Davis Cup am Ende Haggerty davonspült, wenn der Coup scheitert. Oder dass er den Weltverband zerreißt.