"Das war für uns sensationell"

Von Florian Heer
Tim Pütz steht erstmals seit 2014 wieder in einem Finale
© privat/Florian Heer

Tim Pütz ist zurück in der Erfolgsspur. Beim mit 64.000.- Euro dotierten Sparkasse-ATP-Challenger Val Gardena erreicht der 29-jährige aus Frankfurt das Finale, sein erstes auf Challenger-Ebene seit Eckental 2014.

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Pütz, der sich durch die Qualifikation kämpfte, besiegte am Samstagnachmittag in einem spannenden Match auf dem schnellen Hartplatz in Ortisei den an Nummer 4 gesetzten Franzosen Pierre-Hugues Herbert 6-7 (2), 6-1, 7-6 (5).

Der Weltranglisten 459. sah sich keinem Breakball gegenüber, überzeugte mit einem stabilen Aufschlagspiel und profitierte schließlich von einem Doppelfehler seines Gegners, um das Match nach knapp über zwei Stunden zu beenden.

Im tennisnet.com Interview nach seinem Halbfinalsieg in Ortisei spricht Pütz über seine großartige Woche im Grödnertal, über sein Debüt mit der deutschen Mannschaft im Davis Cup bei den Play-Offs der Weltgruppe in Portugal vergangenen Monat und erzählt warum er auch ein ATP-Challenger-Turnier auf Kuhmist bestreiten würde.

tennisnet: Gratulation, Tim! Das war ein knappes Match heute. Was hat den Unterschied am Ende ausgemacht?

Pütz: Das war eines der Matches, wo man nicht viele Chance bekommt. Das wusste ich aber auch vorher. Der Belag hier ist unglaublich schnell und der Ball fliegt durch die Höhenlage auch enorm ab. Der erste Satz war vielleicht ein bisschen unglücklich, aber im Tie-Break kann es mal so und mal so gehen. Das konnte man dann auch im dritten Satz sehen. Zum Glück ging der Verlauf dann schlussendlich in meine Richtung.

tennisnet: Was bedeutet es dir nach drei Jahren wieder in einem ATP-Challenger-Einzelfinale zu stehen?

Pütz:In erster Linie zeigt es mir, dass ich gesund bin. Leider habe ich es bisher nur selten geschafft eine ganze Saison durchzuspielen. In diesem Jahr sieht es ein bisschen anders aus. Ich konnte ohne Einschränkungen trainieren. Das macht mich happy und ist umso schöner, dass sich dies auch an den Ergebnissen zeigt.

tennisnet: Vor zwei Jahren hattest du eine OP am rechten Knie. Auf dem Platz bist du heute auch mit einer Art Bandage aufgelaufen. Beeinträchtigt dich die Verletzung noch in einer gewissen Weise?

Pütz: Ich spiele mit einer Kasseler Spange zur Entlastung der Patellasehne. Ich trage dieses Teil erst seit dieser Woche zum Beginn meiner Matches auf Hartplatz, da ich die ganze Zeit vorher auf Sand unterwegs war. Es ist rein präventiv und stört mich überhaupt nicht.

tennisnet: Die schnellen Beläge scheinen dir auch zu liegen. Du hast in Eckental auf Teppich bereits gute Ergebnisse in der Vergangenheit erzielt und hier in Ortisei auch schon einmal den Doppeltitel gewonnen. Da du von der Statur her nun nicht gerade als Aufschlagriese giltst, ist das wohl eher ungewöhnlich. Wie kommt es dazu?

Pütz: Das stimmt, aber ich mag es schon einmal wenn ein Dach über dem Court ist. Ich spiele einfach gern in der Halle, auch auf langsameren Belägen. Ich weiß aber auch nicht wieso das so ist. Nichtsdestotrotz komme ich auch auf den schnellen Belägen gut zurecht. Ich schlage zwar nicht so hart auf, bin aber sehr variabel mit meinem Service. Dies hilft dann auch wenn ein Grundlinienspiel so gut wie gar nicht zustande kommt.

tennisnet: Aller guten Ergebnisse hier zum Trotz, das Highlight des Jahres fand wohl eindeutig bei deinem Davis Cup Debüt in Portugal vor ein paar Wochen statt. Hattest du mit einer Berufung überhaupt noch einmal gerechnet?

Pütz: Nein, überhaupt nicht. Ich hatte noch nicht einmal daran gedacht. In den letzten vier Monaten sind einfach so viele Dinge in meine Richtung gelaufen, dass ich im Moment - was Tennis angeht - einfach sehr glücklich bin. Das gibt einem aber auch die Möglichkeit befreit aufzuspielen.

tennisnet: Wie war die Erfahrung Davis Cup?

Pütz: Es war toll. Ich war bei Spielen in Frankfurt schon immer mal mit der Mannschaft dabei, bin mit Essen gegangen oder habe auch ab und an mit trainiert. Dies hat es sehr angenehm gemacht, dass ich bereits alle kannte. Nicht nur die Spieler, sondern auch das Betreuerteam. Ich war also keinesfalls der Fremde, der neu zu einem Team dazu stößt. Es war wirklich eine tolle Woche und wir haben uns alle super verstanden. Alles hat wunderbar gepasst.

tennisnet: Mit Boris Becker war vom Betreuerstab auch eine besondere Persönlichkeit des Tennissports mit dabei. Kanntet ihr euch und wie war der Umgang mit Boris?

Pütz: Wir hatten uns mal in Wimbledon 2014 unterhalten und uns dann bei ein paar Grand Slams mal hin und wieder gesehen. Aber beim Davis Cup habe ich ihn natürlich ganz anders kennengelernt. Für uns war das sensationell. Gerade für jemanden wie mich, der mit 29 Jahren noch so eine Persönlichkeit in seiner Mannschaft mit dabei haben kann ist unglaublich. Wenn ich als Kind Becker im Fernsehen geschaut habe, hätte ich mir nicht erträumen lassen, dass ich 20 Jahre später mit ihm auf dem Platz stehen würde und er mir sagt, wie ich aufzuschlagen habe.

tennisnet: Macht er sowas? Gibt er einzelne Tipps?

Pütz: Ja, schon. Er war mit auf dem Platz und hatte von vorhinein gesagt, dass wenn wir Fragen haben sollten, uns einfach melden sollen. Er hat das sehr gut gemacht. Er war immer ansprechbar, hat auch nicht zu viel gemacht. Er hat jetzt nicht ständig kritisiert, aber wenn ich mal vier Aufschläge hintereinander ins Aus gesetzt habe, war er mit einem Ratschlag zur Seite. Es war für uns alle sehr angenehm.

tennisnet: Im Davis Cup hattest du einen erfolgreichen Einsatz im Doppel und bist auch in dieser Disziplin weiterhin sehr erfolgreich unterwegs. Setzt man da im Laufe der Zeit Prioritäten?

Pütz: Bis jetzt hatte ich das Glück, dass ich keine endgültige Entscheidung treffen musste, ob Einzel oder Doppel. Ich kann beides spielen und zwar auch bei denselben Turnieren. Ich stehe im Doppelranking nun nicht so hoch, dass ich nur noch Tour-Events spielen sollte, sondern Challenger passen genau rein und dies ist auch im Einzel der Fall. In vielleicht drei Wochen im Jahr muss ich eine Entscheidung treffen, aber das hält sich bisher noch im Rahmen und ist okay. In der Zukunft werden wir sehen.

tennisnet: Für die Zeit nach deiner Karriere hast du mit einem Bachelor in VWL auch bereits vorgesorgt. Gibt es in dieser Hinsicht noch weitere Pläne?

Pütz: Ich habe danach noch mit einem Masterstudium in den USA begonnen, bin dann aber zurück nach Deutschland und mache gerade an der Fernuni Hagen weiter. Das ist beschwerlich, aber gibt mir auf den Turnieren auch etwas zu tun. Ich bin seit letzter Woche Donnerstag in Ortisei. Ich bin alleine ohne Trainer, ohne Freundin, ohne alles. Dann ist es gut wenn man ins Hotel kommt und was zu tun hat, und nicht nur anfängt Serien zu glotzen oder Gameboy zu spielen. Auch wenn ich mit dem Master jetzt kein konkretes Berufsziel verfolge, möchte die Zeit auf der Tour noch dafür nutzen das Studium abzuschließen. Ich hätte mich geärgert, wenn ich es nicht gemacht hätte.

tennisnet: Nach Ortisei geht es wieder zurück nach Deutschland. In Ismaning findet die kommende Woche ein neues ATP-Challenger statt. Das ist für die deutschen Spieler wohl eine ziemlich tolle Sache?

Pütz: Auf jeden Fall! Wann immer in Deutschland ein Challenger dazukommt, schlage ich drei Kreuze. Ich wäre dabei, auch wenn wir auf Kuhmist spielen würden. Ich weiß wie schwierig es ist diese Art von Turnieren zu organisieren, selbst in so wohlhabenden Regionen wie München. Toll, dass die das machen und toll das Wolffkran als Sponsor dabei ist. Gerne dürfen nächstes Jahr noch drei weitere Events dazukommen (lacht).

tennisnet: Im Finale geht es morgen gegen den Italiener Lorenzo Sonego. Wie schätzt du deine Chancen ein?

Pütz: Ich habe ihn diese Woche zum ersten Mal überhaupt spielen sehen. Er spielt sehr schnell, risikoreich und schlägt stark auf. Bei dem Belag hier ist aber alles möglich.

Besten Dank für das Gespräch und viel Erfolg!

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