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Kommentar zu den NFL-Spielen in Frankfurt: Da kann London nicht mithalten

Von Stefan Petri
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Die beiden Spiele der NFL in Frankfurt haben gezeigt: Football in Deutschland ist längst mehr als ein Event. Sowohl sportlich als auch wirtschaftlich ist der deutsche Markt mittlerweile an England vorbeigezogen. Dennoch finden in London in den kommenden Jahren voraussichtlich deutlich mehr Spiele statt als hier. Das sollte die Liga tunlichst ändern. Ein Kommentar.

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Es mag sich für den einen oder anderen ein wenig kitschig angefühlt haben. Etwas aufgesetzt vielleicht, und spätestens dann sogar etwas künstlich, als der Liedtext auf der Videowall erschien. Doch als am Sonntag im Schlussviertel der Partie zwischen den New England Patriots und den Indianapolis Colts 50.000 Fans aus voller Kehle "Country Roads" anstimmten, zum dritten Mal im dritten NFL-Spiel auf deutschem Boden, war es ein beeindruckender Moment.

Die Football-Fans im Deutsche Bank Park feierten das Spiel und sie feierten sich selbst. Es wurde deutlich: Deutschland hat eine neue NFL-Tradition geschaffen.

Mehr noch: Deutschland hat NFL-Tradition - selbst wenn es mit dem Double-Header in Frankfurt und dem Gastspiel in München 2022 "erst" drei Partien waren. Die Premiere in der Allianz Arena hätte man noch als alleinstehendes "Event" abtun können, mehr Neugierde womöglich als wahrhafter Football-Enthusiasmus. Frankfurt dagegen machte deutlich: Deutschland und die NFL, das passt auch langfristig.

New England Patriots vs. Indianapolis Colts: So lief das zweite Frankfurt-Spiel

Wer aus den mehreren Millionen (!) Bewerbern das Glück hatte, an eine der rund 100.000 Karten zu kommen, der wurde im und um das Stadion herum mit einer tollen Atmosphäre belohnt. Enthusiastisch zeigten sich die Fans, gleichzeitig aber relaxt und stets friedlich. Der eindeutigste Beweis für den Sprung vom Event zur "richtigen" Sportveranstaltung war allerdings die Tatsache, dass sowohl die Kansas City Chiefs als auch eine Woche später die Patriots eine waschechte Heimspiel-Atmosphäre vorfanden - und das in ihren Interviews anschließend auch begeistert bestätigten. Das lag zwar auch an den mitgereisten Schlachtenbummlern aus den USA, aber zum Großteil zweifellos an den deutschen Fans in den zahlreichen Mahomes- oder Brady-Jerseys.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Sorry, aber da kann London nicht mithalten.

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NFL in Deutschland: London wirtschaftlich und sportlich abgehängt

Natürlich ist die NFL im berühmten Wembley-Stadion ein echtes Erlebnis. Seit 2007 wird in London Regular Season Football gespielt, mittlerweile ja auch im eigens dafür ausgelegten Tottenham Hotspur Stadion. Wenn man so will, hat die Liga dort also wesentlich mehr Tradition als in Deutschland. Zumal England auch den Vorteil der fehlenden Sprachbarriere mit sich bringt, und immerhin eine Stunde weniger Zeitverschiebung.

Trotzdem hat Deutschland den ersten Auslandsmarkt der NFL spätestens jetzt überflügelt. Wirtschaftlich war das übrigens schon 2022 der Fall: Da hatte der Game Pass bereits mehr Abonnenten, es wurden mehr Fanartikel und "Madden"-Spiele verkauft, bei den TV-Rechten hielt Deutschland ebenfalls mit.

Diese Gemengelage dürfte sich in den vergangenen zwölf Monaten noch einmal in Richtung Deutschland verschoben haben - und nun haben die deutschen Fans auch im Stadion die Nase vorn. "Die deutsche Kultur identifiziert sich weltweit am stärksten mit der NFL", bestätigte auch Robert Kraft, Besitzer der Patriots, am Sonntag im NFL Network. Erkannt hat das nicht nur er. "Wir werden uns in jedem Jahr freiwillig melden, in dem wir zur Wahl stehen", betonte Chiefs-Präsident Mark Donovan zuletzt gegenüber Front Office Sports. Wirtschaftlich ergebe dies einfach zu viel Sinn, in den Jahren mit neun Heimspielen auf eines zu verzichten - und das, obwohl die Ticketeinnahmen der International Games auf alle 32 Teams aufgeteilt werden.

Spiele in Deutschland lassen also die Kasse klingeln und bringen, das hat Frankfurt gezeigt, gleichzeitig einen echten Heimvorteil auf den Rängen mit sich. Ein No-Brainer.

Das Problem: Gleich fünf Teams halten in Deutschland die Marketing-Rechte (neben den Chiefs und Patriots noch die Tampa Bay Buccaneers, Atlanta Falcons und Carolina Panthers), wären also für Heimspiele in München, Frankfurt oder auch Berlin prädestiniert. Gleichzeitig sehen die aktuellen Vereinbarungen für 2024 und 2025 aber jeweils nur eine einzige Partie in Deutschland vor.

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NFL in Deutschland: Könnte es 2024 mehr als ein Spiel geben?

Auch danach will die NFL weiter in Deutschland aufschlagen, das hat Commissioner Roger Goodell bereits bestätigt. Kein Wunder, bei 4,5 Millionen Ticket-Anfragen für die beiden Frankfurt-Spiele: "Das wäre selbst in den USA nur schwer zu erreichen."

Es gibt allerdings auch die berechtigte Hoffnung, dass schon vor 2026 wieder mehrere NFL-Spiele jährlich auf deutschem Boden stattfinden könnten. Zur Erinnerung: Diesmal war ursprünglich auch nur ein Frankfurt-Spiel geplant, dann musste Mexiko City passen. Ein London-Spiel für Deutschland abzuzweigen dürfte unmöglich sein, die Verträge mit den Stadien dort sind fixiert.

Eine Ausweitung der International Games - 2023 waren es insgesamt fünf - dürfte jedoch schon jetzt ein Thema in den Liga-Büros sein. "Wir haben unser Limit in den USA erreicht", sagte Kraft in Bezug auf das Wachstum der NFL. Und: "Ich bin zuversichtlich, dass wir noch mehr Spiele in noch mehr Ländern austragen werden."

Ein eigenes Team für London - oder gar eine komplette europäische Division - war zuletzt kein Thema mehr. Der aktuelle Schedule mit einem neunten Heimspiel für 16 der 32 Teams hält dagegen ein anderes Szenario bereit: Warum nicht in jedem Jahr acht dieser 16 Spiele im Ausland austragen? So wäre jede Franchise alle zwei Jahre im Ausland unterwegs und würde alle vier Jahre auf ein Heimspiel im eigenen Stadion verzichten. Acht International Games würden jeweils zwei oder drei Spiele in London und Deutschland möglich machen, plus weitere für neu zu erschließende Märkte wie Spanien, Brasilien oder Australien.

Wie singt John Denver so schön? "Take me home to the place I belong." Frankfurt hat klar gemacht: Die NFL gehört nach Deutschland.

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NFL: Die letzten fünf Super-Bowl-Sieger

SaisonSiegerVerliererErgebnis
2022Kansas City ChiefsPhiladelphia Eagles38:35
2021Los Angeles RamsCincinnati Bengals23:20
2020Tampa Bay BuccaneersKansas City Chiefs31:9
2019Kansas City ChiefsSan Francisco 49ers31:20
2018New England PatriotsLos Angeles Rams13:3
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