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Streit zwischen Ex-NFL-Star Michael Oher und Familie Tuhoy geht vor Gericht: Vom Hollywood-Erfolg "The Blind Side" zur Schlammschlacht

Von Stefan Petri
Michael Oher und Leigh Anne Tuhoy (M.) beim Super Bowl 2013.
© getty

Die Geschichte des ehemaligen NFL-Profis Michael Oher und der Familie Tuhoy, die ihn als Jugendlichen aufgenommen hatte, war die Vorlage für den Hollywood-Hit The Blind Side aus dem Jahr 2009. Mittlerweile ist das Verhältnis der beiden zerrüttet: Oher wirft den Tuhoys vor, ihn um Millionen Dollar beschwindelt zu haben. Die wiederum sprechen von versuchter Erpressung.

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300 Millionen Dollar hat The Blind Side eingespielt, in der Hauptrolle gewann Sandra Bullock 2010 den Oscar: Michael Oher, aus kaputten Familienverhältnissen stammend, wird von der Familie Tuhoy aufgenommen und auf seinem Weg zum Football-Profi unterstützt. Die wahre Geschichte dahinter hatte ebenfalls ein Happy End: Offensive Tackle Oher spielte von 2009 bis 2016 in der NFL und gewann 2013 mit den Baltimore Ravens sogar den Super Bowl.

Mittlerweile ist das Verhältnis zwischen dem 37-Jährigen Oher und den Tuhoys jedoch zerrüttet. Und nun wirft er der Familie vor, sich an ihm bereichert und ihn um Millionen Dollar beschwindelt zu haben.

So schildert es eine Klageschrift, die Oher am Montag in Tennessee eingereicht hat. Demnach hätten die Tuhoys nicht wie gewöhnlich vermutet adoptiert, sondern kurz nach seinem 18. Geburtstag seine Vormundschaft übernommen - zugestimmt habe er nur, weil ihm falsche Tatsachen vorgespielt worden seien. Das habe es ihnen möglich gemacht, in seinem Namen Verträge abzuschließen. Zudem hätten sie am Hollywoodhit Millionen Dollar verdient, er selbst sei dagegen leer ausgegangen.

All das habe er im Februar 2023 entdeckt, "als er erfuhr, dass die Vormundschaft, der er zugestimmt hatte, weil er so Teil der Tuhoy-Familie sein würde, ihm in Wahrheit keinerlei Beziehung familiärer Natur mit den Tuhoys eingebracht hat." So heißt es in der Anklageschrift.

In seiner Autobiographie 2011 hatte Oher berichtet, dass ihm die Tuhoys damals versichert hatten, es gäbe praktisch keinen Unterschied zwischen einer Adoption und einer Vormundschaft: "Sie haben mir erklärt, dass es mehr oder weniger das Gleiche bedeutet wie 'Adoptiveltern', aber dass die Gesetze eben so geschrieben sind, dass mein Alter berücksichtigt wird."

Oher fordert nun, die Vormundschaft zu beenden und den Tuhoys zu verbieten, an seinen Rechten Geld zu verdienen. Zudem müsse man ihm die ihm zustehenden Gewinne auszahlen, inklusive Schadenersatz. Allein eine Gewinnbeteiligung am Film hätte der Familie mehrere Millionen Dollar eingebracht.

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© getty

Michael Ohers Klage: Familie Tuhoy berichtet von Erpressungsversuch

Gegenüber TMZ Sports wiesen die Tuhoys die Vorwürfe zurück. Der Anwalt der Familie erklärte, dass die Tuhoys Oher "über die Jahre einen gleichmäßigen Anteil an jedem Penny von The Blind Side gegeben haben." Selbst als Oher zuletzt eine Summe von 15 Millionen Dollar von der Familie gefordert habe, um mit seinen Vorwürfen nicht "eine negative Story in der Presse zu platzieren", habe man seinen Anteil weiterhin auf ein Treuhandkonto eingezahlt.

Laut dem Anwalt sei Ohers "lächerliche Anklage nur der zynische Versuch, Publicity für seine aktuelle Buchtour zu erzeugen." Man habe die Vormundschaft damals nur übernommen, um Oher dabei zu helfen, sein Leben auf die Reihe zu bekommen und "bei College-Bewerbungen zu helfen" und sei jederzeit bereit dazu, diese zu beenden.

Die Familie Tuhoy habe schlicht keinen Grund dazu, Oher zu betrügen, schließlich hätten sie aus Beteiligungen an Fast-Food-Franchises über 200 Millionen Dollar verdient: "Das ein mehrere hundert Millionen Dollar schweres Ehepaar hinterhältig ein paar hunderttausend Dollar aus Gewinnbeteiligungen von jemandem zurückhalten würde - erst recht von jemandem, den sie wie einen Sohn geliebt haben - ist wirklich unvorstellbar."

Zudem habe es keine Millioneneinnahmen aus der Verfilmung von Ohers Lebensgeschichte gegeben, auch an den Einnahmen aus dem gleichnamigen Buch, das als Vorlage diente, hätten alle fünf Familienmitglieder - Vater Sean Senior, Mutter Leigh Anne, die Kinder Sean Jr. und Collins, und Michael Oher - einen gleichen Anteil bekommen, nämlich 14.000 Dollar. Sean Tuhoy Jr. wiederum berichtete in einem Radio-Interview mit Barstool Sports, dass er Ohers Frust verstehen könne. Schließlich habe auch er in all den Jahren auch nur zwischen 60.000 und 70.000 Dollar an Tantiemen aus dem Film erhalten.

Der Hollywood-Film "The Blind Side" spielte 300 Millionen Dollar ein. Sandra Bullock gewann den Oscar als beste Hauptdarstellerin.
© imago images
Der Hollywood-Film "The Blind Side" spielte 300 Millionen Dollar ein. Sandra Bullock gewann den Oscar als beste Hauptdarstellerin.

Michael Ohers Kritik am Hollywood-Hit The Blind Side

Oher selbst hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik am Film geäußert. Dieser habe ihn als begriffsstutzigen Schüler ohne Führungsqualitäten dargestellt - und auch die Entscheidungsträger in der NFL beeinflusst: "Die Leute schauen mich an und nehmen mich wegen dem Film nicht für voll", sagte er 2015 zu ESPN. "Sie sehen meine Fähigkeiten nicht, welche Art von Spieler ich bin."

Er habe den Mythos des Films jahrelang über sich ergehen lassen, schließlich habe er die inspirierende Botschaft als wichtiger erachtet als den Schmerz, der ihm durch die Darstellung zugefügt worden sei. Das habe sich mittlerweile jedoch geändert. "Für Vieles, das aus The Blind Side entstanden ist, bin ich dankbar", schrieb er in seinem im August 2023 erschienenen Buch When Your Back's Against the Wall. "Daher mag es ein Schock sein, dass die Erfahrungen rund um die Geschichte in den letzten 14 Jahren auch die Quelle tiefsten Schmerzes für mich gewesen ist."

Auch die Tuhoys hatten sich in dieser Hinsicht 2010 in einem Buch auf seine Seite geschlagen: "Wenn es ein fundamentales Missverständnis über Michael gibt, dann dass er gerettet werden musste." Hinter seinem schüchternen Auftreten "hatte er einen unglaublichen Willen, den Kurs seines Lebens selbst zu bestimmen."