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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus den Conference Championship Games

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3. Die Cincinnati Bengals: Timing ist fast alles

Timing ist eine kritische Sache, wenn es um Erfolg in der NFL geht. In den großen Momenten, wie auch in den Details auch im Championship Game gegen Kansas City schien Cincinnati - zum wiederholten Male in diesem Matchup - das richtige Timing auf seiner Seite zu haben.

Der Fumble von Mahomes hätte der Moment sein können, in dem das Spiel komplett in Richtung der Bengals kippt, nachdem es sich zum Ende der ersten und dann über Teile der zweiten Hälfte schon so angefühlt hatte, dass dieser Moment kommen könnte.

Doch waren es dieses Mal die Bengals, denen ein kostspieliger Fehler im schlimmsten Moment unterlief, sodass die Chiefs das bessere Ende für sich hatten.

Es war ein Spiel, in dem Cincinnati mit den Refs unzufrieden sein wird, und das nicht gänzlich grundlos. Und dennoch hatte Cincinnati seine Chancen, um das Spiel mit der eigenen Offense zu beenden. Und dann war es nach all den Anstrengungen in der Free Agency und nach all den Diskussionen infolge des starken Auftritts gegen Buffalo in der Vorwoche doch das Mismatch an der Line of Scrimmage, welches das verhinderte.

Timing-Frage prägt auch dieses Bengals-Team

Dass Timing kritisch ist, das gilt natürlich irgendwo für so ziemlich alle Sportarten, aber das System mit Draft, Free Agency und Salary Cap führt Jahr für Jahr zu größeren Kader-Turnarounds, sodass Teams, ob freiwillig oder nicht, permanent ihr Gesicht verändern.

Titelfenster bleiben so selten lange offen; die Rams nutzten ihre Chance im Vorjahr, während die laufende Saison selbst vor den zahlreichen Ausfällen die Fragilität dieses Gebildes offenbarte.

Die Frage nach dem richtigen Timing prägt auch dieses Bengals-Team - und manchmal ist das richtige Timing irgendwo auch Glückssache. "Zur richtigen Zeit am richtigen Ort" eben.

Wie das Burrow im Draft war, als die Bengals den Nummer-1-Pick hatten. Oder dass sie im Jahr danach infolge von Burrows Verletzung so viele Spiele verloren, dass sie Ja'Marr Chase draften konnten.

Bengals-Defense: Erstaunlich lineare Entwicklung

Es gibt jedoch noch eine andere Perspektive auf den ganzen Timing-Aspekt: Die Perspektive der Geduld. Und Geduld zu bewahren ist ein schmaler Grat - denn zu lange an etwas festzuhalten kann dazu führen, dass letztlich alles daran scheitert. Zu früh die Reißleine zu ziehen ist derweil häufig ein Garant dafür, dass sich nie Automatismen auf dem Level bilden können, die es braucht, um auf echtem Championship-Level zu spielen.

Für Defenses gilt das noch ein wenig mehr als für Offenses, weil hier permanent reagiert, angepasst und umgestellt werden muss, und das im Kollektiv. Jeder muss wissen, was der andere macht und wie er reagieren muss. Dieses Level an Abstimmung untereinander und Vertrautheit mit dem Scheme braucht Zeit.

"Es gibt jetzt Dinge, die wir machen können, die wir vor zwei Jahren so einfach nicht machen konnten", brachte es Linebacker Logan Wilson vor einigen Tagen auf den Punkt. "Ich bin damals wie ein kopfloses Huhn rumgerannt. Aber das ist normal, man versucht, alles zu verstehen und es ist einfach wahnsinnig viel. Jetzt, wo wir seit einer Weile in dem System spielen, kennt es jeder in- und auswendig."

Seit 2019 coacht Lou Anarumo die Defense der Bengals, und es ist nicht häufig, dass man eine derart lineare Steigerung gerade auf dieser Seite des Balls feststellen kann.

Bengals-Defense: Entwicklung unter Lou Anarumo

Jahr

EPA/Play (Platzierung)

Success Rate (Platzierung)

2019

0,097 (30)

44,3% (18)

2020

0,098 (26)

46,1% (15)

2021

-0,015 (11)

44,1% (14)

2022*

-0,043 (7)

42,3% (7)

*2022 nur bis einschließlich der Divisional-Runde der Playoffs.

Die Bengals haben ihr Personal über diesen Zeitraum zweifellos verbessert, aber sie haben keine Superstars in diese Unit gepackt.

Trey Hendrickson erwies sich als Free-Agency-Volltreffer, im Gegenzug ließ man aber auch Carl Lawson, einen bis dato sehr produktiven Pass-Rusher ziehen. D.J. Reader ist ein Anker für die Front, Mike Hilton glänzt in seiner flexiblen Slot-Rolle Wilson und Linebacker-Kollege Germaine Pratt haben sich merklich weiterentwickelt. Aber keiner dieser Spieler gehört in die Gruppe der Elite-Verteidiger.

Joe Burrows eindrucksvolle Entwicklung

In gewisser Weise steht das sinnbildlich für Anarumos Herangehensweise. Der Fokus liegt auf der Gruppe und darauf, wie man im Kollektiv möglichst schwer ausrechenbar sein kann. Als "verrückten Professor" hatte Cornerback Eli Apple seinen Defensive Coordinator nach dem Sieg in Buffalo bezeichnet. Der war Anarumo auch vorher schon - jetzt aber sieht man die volle Entfaltung seiner Ideen.

Man kann die Sache mit dem Timing aber auch auf die Offense übertragen, und das über die Draft-Slot-Thematik hinaus - indem man ganz kleinteilig wird. Konkret, und im Detail angefangen, mit der Entwicklung von Joe Burrow.

Als Burrow in der vergangenen Offseason darauf angesprochen wurde, dass er so wahnsinnig viele Sacks kassiert hatte - 70, um genau zu sein, 19 alleine in den Playoffs - überraschte Burrow mit seiner Antwort. Es gäbe "gute und schlechte Sacks. Ja, ich habe viele Sacks kassiert. Aber man muss sich anschauen, wann sie passiert sind: war es bei Third Down? Wen interessieren Sacks bei Third Down? Da versuche ich, das Play möglichst lange am Leben zu halten, bis ich ein First Down bekommen kann, außer wenn wir in Field-Goal-Reichweite sind. Dann werfe ich den Ball weg".

Burrow lag hier keineswegs komplett daneben, aber natürlich gehören mehr Nuancen zu dieser Diskussion. Cincinnatis Line in der vergangenen Saison war furchtbar - und gegen die physische Chiefs-Front zeigte sie im AFC Championship Game ihr hässlichstes Gesicht -, doch wie stark Sacks dann doch durch Quarterbacks "vorgegeben" werden, unterstreicht diese Saison.

Burrows gesamtes Timing nämlich stellte sich um. Aus dem Big-Play-Hunter wurde der beste Quick Game Ballverteiler dieser Saison. Das gab der Bengals Offense das Fundament, den Floor, die Konstanz, die letztes Jahr gefehlt haben. Und das gibt ihnen die Basis auch über diese Saison hinaus.

Die Bengals: Ab 2024 wird der Spaß teuer

Einen Quarterback zu haben, der diese Basis bereitstellen kann, ist ein riesiger Trumpf - selbst wenn man diesen Quarterback dann bezahlen muss, und das führt unweigerlich zu dem großen Thema, welches den Blick auf die Bengals ab jetzt und über die kommenden Monate bestimmen wird.

Dieses Team war auch deshalb gut, weil es den ultimativen finanziellen Spielraum hatte.

Mit in erster Linie Burrow, Chase und Higgins auf dem Rookie-Vertrag ist ein Cap Hit über 11,4 Millionen Dollar für Running Back Joe Mixon, oder ein Cap Hit über 13,6 Millionen Dollar für Nose Tackle D.J. Reader zusätzlich zu dem Cap Hit über 8,3 Millionen Dollar, den Defensive-Tackle-Kollege B.J. Hill in dieser Saison kostet, sehr viel einfacher zu schlucken. Die beiden Safeties Vonn Bell und Jessie Bates alleine belasten den Cap in dieser Saison mit über 20 Millionen Dollar.

2023 wird das letzte Jahr sein, in dem Cincinnati diesen Luxus genießt, und die Planungen für die Zeit danach dürften längst laufen. Der Vertrag von Burrow wird in dieser Offseason ein Thema sein, Higgins könnte 2024 ein Tag-Kandidat werden, sollte er keinen neuen Deal erhalten. Chase könnte dann danach auf einen Receiver-Rekordvertrag gehen, während 2024 auch etwa Hendrickson, und bereits 2023 D.J. Reader in ihr jeweils letztes Vertragsjahr gehen.

Bengals: Jedes Jahr mit Burrow Titelanwärter

Ein Umdenken in der Art und Weise, wie man den Cap und das gesamte Roster Building angeht, ist dann unausweichlich; die Chiefs, deren Timeline einige Jahre früher gestartet wurde, sind ein gutes Beispiel dafür. Das richtige Gespür für Geduld und für das richtige Timing wird dann abermals getestet werden.

Deshalb erwarte ich auch nicht, dass Cincinnati eine All-In-Offseason hinlegt, um 2023 nochmals alle Register zu ziehen. Burrow hat das ja bereits gesagt: Das Titelfenster für die Bengals ist seine gesamte Karriere.

In dieser Saison hat zumindest er selbst klar gezeigt, dass er bereit ist, seinen Teil zu dieser Prognose beizutragen.