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Mailbag nach Week 6: Wie gut sind die Jets und Giants wirklich?

SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen nach Woche 6 in der NFL.
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Mailbag: Wie gut sind die Jets und Giants wirklich?

Kevin Mc , Almigurd von Ehrenmann: Sind die Jets und Giants legit? Oder doch eher Kommissar Zufall am Werk?

Die Jets sind bereits weiter in ihrer Entwicklung, und das merkt man. Während der Rebuild bei den Giants gerade erst begonnen hat, läuft selbiger bei Gang Green nun schon seit einer Weile - und so langsam sieht man hier die Früchte davon.

Das betrifft insbesondere die Defense. Diese Front macht gerade viel Spaß, weil ein Spieler wie Quinnen Williams eine absolute Breakout-Saison hinlegt, ein Spieler wie John Franklin-Myers positiv überrascht und ein Spieler wie Carl Lawson stark nach Verletzung zurückgekehrt ist. Dahinter sieht Sauce Gardner wie ein Volltreffer aus, Free-Agent-Neuzugang D.J. Reed spielt gegenüber von Gardner gut und plötzlich greifen viele Rädchen ineinander.

In einer Saison, in der es wenige herausragende Offenses gibt, ist eine starke Defense ein guter Weg, um Woche für Woche zumindest kompetitiv zu sein. Insofern ist es sicher Definitionssache, was man als "legit" betrachtet. Wenn "legit" betrachtet, dass die Jets kompetitiv sein können, dass sie überraschen können - dann absolut, das traue ich ihnen zu. Wenn "legit" aber heißen soll, dass sie ein Team sind, dem ich einen Playoff-Run zutraue, dann ist meine Antwort ein klares Nein.

Dafür vertraue ich der Offense und allen voran dem Quarterback noch nicht ansatzweise genug. Zach Wilson war auch gegen die Packers über weite Strecken des Spiels ziemlich schwach. Sein Pocket-Verhalten ist mit das schwächste unter allen Starting-Quarterbacks, und das Armtalent hat mich bisher auf NFL-Level auch noch nicht wirklich überzeugt.

Das wird letztlich auch die große Gefahr für dieses Team sein: Wenn der Umbruch in der Defense und in Teilen der Offense greift - aber der Quarterback sich als Fehlgriff entpuppt. Die Jets wären nicht das erste Team in den letzten Jahren, das an dieser spezifischen Hürde letztlich scheitert.

Die Giants sind insofern noch eindrucksvoller, weil sie gerade im Kontrast zu Teams wie Tampa Bay oder Cincinnati oder Arizona offensiv herausstechen: Diese Teams waren und sind dann gut, wenn ihr Quarterback auf Top-10-Level spielt und die Playmaker ihre individuellen Matchups gewinnen - aber das ist so gesehen keine Leistung des Coaches. Denn wenn es all diese Dinge braucht, dann wird sehr schnell klar, wie wacklig das Gerüst eigentlich ist, weil man all diese Dinge selten über einen längeren Zeitraum konservieren kann.

Die Giants sind gewissermaßen das Gegenteil: New York spielt seit Wochen mit mehreren Backup-Receivern, Daniel Jones spielt seine Rolle gut, aber ist sicher kein Top-10-Quarterback, die Line hat mehrere Schwachstellen - und trotzdem kreieren Brian Daboll und sein Coaching Staff Offense. Mit Kreativität, mit guten Play-Designs, mit all den Dingen, die man sich in Tampa, Arizona und Cincinnati wünschen würde, und womit man bei allen drei Teams so viel mehr herausholen könnte angesichts der individuellen Qualität.

Ich mag mehrere der Bausteine bei den Giants. Kayvon Thibodeaux, Dexter Lawrence, Xavier McKinney, Julian Love, der Breakout von Andrew Thomas, ich denke, dass Wan'Dale Robinson ein sehr spannender Spieler in dieser Offense sein kann, das Comeback von Saquon Barkley - hier gibt es nicht nur schöne Geschichten, sondern auch mehrere Säulen, welche dieses Team perspektivisch tragen können.

Aber diesen Blickwinkel beizubehalten, wird aus Giants-Sicht wichtig sein. Der Schedule über die nächsten Wochen ist mit den Jaguars, Seahawks, Texans und Lions überaus angenehm, und es wäre nicht mehr überraschend, wenn New York am Ende neun, vielleicht sogar zehn Spiele gewinnt und sich ein Playoff-Ticket sichert.

Aber selbst dann rate ich dazu, das nicht zu überschätzen und nicht zu sehr in die Erwartungshaltung für die kommende Saison einfließen zu lassen.

Whoknows: Haben Teams wie die Falcons eine Chance auf die Playoffs? Die NFC sieht ziemlich schwach aus...

Es gibt in der NFC kaum ein Team, das ich aktuell mit relativer Sicherheit aus dem Playoff-Picture ausschließen würde. Oder andersherum gesagt, es gibt nur eine Handvoll Teams, bei denen ich davon ausgehe, dass sie Playoffs spielen werden - und dahinter ist sehr vieles möglich.

Die Eagles und Cowboys habe ich unter dem Strich klar dabei. Die Vikings haben jetzt mehrere enge Spiele zum Teil auch mit einer Prise Glück gewonnen, aber sie stehen 5-1 und haben genug Potenzial im Kader, um daraus ein Playoff-Ticket zu machen.

Aber sonst? Bei wem kann man sonst wirklich optimistisch sein? Wirklich überzeugt hat bisher keines der anderen Teams. Ich würde Tampa Bay aufgrund der individuellen Qualität und San Francisco aufgrund des sehr guten Coachings und des hohen Floors, wenn Spieler wie Trent Williams und Nick Bosa wieder fit sind, als Playoff-Teams ins Rennen werfen. Beide sehe ich als Favoriten in ihrer jeweiligen Division.

Ist es denkbar, dass ein Team wie Los Angeles oder Green Bay in der zweiten Saisonhälfte einen Run startet? Absolut. Aber nochmal, und es ist ein wenig das Thema dieser Mailbag-Ausgabe: Die Liga ist derzeit so eng zusammengerückt, dass ich sehr vorsichtig damit bin, irgendwelche drastischen Ausreißer nach oben über einen längeren Zeitraum für irgendein Team zu prognostizieren.

Die Falcons stehen 3-3 und spielen über die nächsten sechs Partien zwar gegen die Chargers, aber auch zweimal gegen Carolina, gegen Chicago, gegen Washington und gegen Pittsburgh. Ein 7-5- oder gar ein 8-4-Record ist hier keineswegs ausgeschlossen, und dann hat auch ein Team wie Atlanta eine Chance, sich ein Playoff-Ticket zu ergattern!

Allerdings gilt das eben, um mal in einem vielleicht ähnlichen Tier zu denken, auch für die Giants, oder die Seahawks, oder die Saints. Denn wenn alles enger zusammenrückt, dann gilt das für alle Bereiche der Liga.

Ich denke, dass ein 9-8-Team in der NFC am Ende in den Playoffs stehen wird. Und dafür kommen aktuell grob geschätzt fünf bis sieben Teams in Frage.

Carsten Dreyer: Welche Hoffnung gibt es für die Offense der Cardinals? Die Rückkehr von Hopkins und eventuell Hudson wird allein nicht für ein besseres Play-Calling reichen.

Die "Hoffnung" ist lediglich die individuelle Qualität der Spieler. Wir haben letztes Jahr gesehen, was diese Offense kann, wenn Hopkins und Murray bei 100 Prozent sind, wenn Komplementär-Spieler wie A.J. Green oder - damals - Christian Kirk gut spielen. Arizona war letztes Jahr die beste Big-Play-Offense der ersten Saisonhälfte und beendete Drives in der Red Zone mit einem physischen Run Game.

Die Chance darauf gibt es auch jetzt wieder. Sollte Marquise Brown tatsächlich nach sechs Spielen zurückkommen können, sieht das Waffenarsenal potenziell noch besser aus als in der Frühphase der vergangenen Saison. Brown wäre ein Upgrade gegenüber Christian Kirk, Robbie Anderson ein Upgrade gegenüber A.J. Green, ganz vereinfacht gesagt. Vielleicht gibt es dann wieder mehr Big Plays und vielleicht kann die Offense ihr Level dann wieder signifikant anheben.

Wichtig in meinen Augen ist aber, selbst falls das passiert, nicht das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren. Und das Gesamtbild ist, dass es Kliff Kingsbury eben nicht geschafft hat, ein funktionierendes schematisches Konstrukt zu schaffen, welches der Offense nicht nur eine Identität, sondern auch einen Floor gibt, wenn eben mal einzelne Leistungsträger ausfallen.

Und das nachdem er mehrere Monate in der Offseason dafür hatte, denn, dass Hopkins erst einmal fehlen würde, war lange bekannt. Gerade diese Thematik muss eine Red Flag sein, denn den damals verletzungsbedingten Verlust von Hopkins konnte Arizona schon in der vergangenen Saison nicht kompensieren. Kingsbury sprach sogar darüber, dass man sich dafür besser wappnen müsse und dass er mehr Antworten präsentieren muss.

Davon ist absolut nichts zu sehen. Stattdessen sieht man eine Offense, die strukturell gesprochen kaputt ist, und selbst wenn der offensive Output mit Hopkins wieder besser wird: Wir wissen jetzt, dass Kingsbury die Offense schematisch nicht weiterentwickeln kann.

Und das sagt uns dann auch alles darüber, ob Arizona mit Kingsbury langfristig kompetitiv sein kann.

Jonathan Groeneveld: Drei Mal eine komfortable Führung verspielt - was läuft bei den Baltimore Ravens aktuell schief?

Jede Woche, wenn ich mir die Offense der Ravens anschaue, gehe ich aus dem Spiel und habe den Eindruck, eine sehr unrunde Vorstellung gesehen zu haben.

Gegen die Giants kam dann im Laufe des Spiels sogar etwas mehr von Kenyan Drake und dem Run Game, Baltimore bekam einige Male die Crosser über die Mitte und konnte die Man Coverage der Giants schlagen - aber ich hatte nie den Eindruck, dass die Ravens offensiv in einen Groove kamen.

Stattdessen stand, je länger das Spiel lief, umso dicker in meinen Notizen: "Die Plays, die Baltimore macht, lassen sich auf Crosser gegen die Single High der Giants, Mismatches mit Mark Andrews und improvisierte Plays von Lamar Jackson reduzieren."

Und wenn man das als Prämisse anwendet, dann ist klar, dass das ein anfälliges Gesamtkonstrukt ist - und dass es viel vom Quarterback verlangt. Und wenn dann Fehler passieren, wie die Turnover gegen die Giants inklusive dieser Horror-Interception, dann kann dieses anfällige Gesamtkonstrukt mitunter erschreckend schnell zum Einsturz gebracht werden.

In gewisser Weise ist die Problematik in Baltimore gar nicht so weit weg von den Problemen, über die wir in Arizona oder Tampa Bay sprechen. Diese Teams, die davon leben, dass ihr Quarterback sie trägt und die ihm strukturell wenig zur Seite stellen.

Baltimore macht immer noch viele Dinge besser, nicht zuletzt führen die Ravens eben häufig und können Game Scripts diktieren - ein gravierender Unterschied beispielsweise zu den Cardinals. Was ich von den Ravens sehen will, ist, dass sie mit eigener Führung wieder konstanter darin werden, auch mit dem Run Game Spiele über die Zeit zu schaukeln. In dieser Disziplin war Baltimore vor nicht allzu langer Zeit das beste Team der Liga.

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