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NFL: Früherer Vice President der Green Bay Packers Andrew Brandt im Interview: Aaron Rodgers’ Vertrag? "So was habe ich noch nie gesehen"

Aaron Rodgers' Vertrag bei den Packers verblüfft selbst einen alten Hasen im NFL-Finanz-Geschäft.
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Sport-Business-Experte Andrew Brandt bringt jede Menge Erfahrung aus dem Personalbereich der NFL mit und hat schon diverse Verträge verhandelt, unter anderem den Rookie-Deal von Aaron Rodgers bei den Green Bay Packers. Im Interview mit SPOX verrät er, was dabei der Knackpunkt war.

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Darüber hinaus spricht der frühere Vice President of Finance/General Counsel der Green Bay Packers über die aktuellen Verträge mehrerer Star-Quarterbacks, das Konzept Salary Cap und den Tag, an dem Rodgers im Draft 2005 zu den Packers durchgerutscht ist.

Herr Brandt, beschreiben Sie doch mal Ihren damaligen Aufgabenbereich bei den Green Bay Packers.

Andrew Brandt: Ich war von 1999 bis 2008 in Green Bay und habe mich damals um die Free-Agent-Verträge gekümmert, unseren Salary Cap und unseren ganzen Spieler-Finanzbereich gemanagt. Ich habe mich um Strafen für Disziplinlosigkeiten genauso gekümmert wie um Probleme mit den Agenten der Spieler. Und dann bin ich die Verbindungsperson zwischen dem Team und der NFL geworden für die Bereiche, Geld, Salary Cap und jegliche Footballthemen, die über Scouting und Coaching hinausgegangen sind.

Stichwort Salary Cap: Wie stehen Sie denn generell zu diesem Thema?

Brandt: Der Salary Cap ist im Grunde genommen ein sich selbst regulierender Faktor, der wirklich dazu da ist, Teameigner vor sich selbst zu schützen. Und in der NFL ist das wirklich eine gute Sache. Ich war bei den Green Bay Packers und wir waren der kleinste Markt in der Liga - das ist heute immer noch so. Und es wäre unmöglich gewesen, dass wir mit den großen Märkten New York, Los Angeles oder Dallas mithalten könnten ohne einen Salary Cap. Denn sonst hätten wir eine Situation wie im Baseball, wo ein Team mit 50 Millionen Dollar gegen ein Team mit einer Payroll von 300 Millionen Dollar antritt. Das könnte in einer Salary-Cap-Liga nie passieren. Wenn ich dann für die Packers verhandelt habe, kannte ich einfach mein Budget fürs Team - und wir hatten keinen einzelnen Teameigner, also habe ich unser Budget einfach basierend auf dem Cap angesetzt. Wenn also unser Cap bei 150 Millionen Dollar lag für 60 bis 70 Spieler, dann war das der Wert, mit dem ich gearbeitet habe. Es war also ziemlich simpel - man konnte nur bis zur Obergrenze investieren - nicht mehr, nicht weniger.

Brandt: "Ohne Salary Cap könnte Green Bay nicht mithalten"

Was halten Sie denn von der heutzutage immer weiter verbreiteten Praxis, Void-Jahre ans Ende von Verträgen zu hängen, um die Cap-Situation eines Teams zu verbessern?

Brandt: Ich musste auf solche Methoden nie zurückgreifen. Das sind wirklich nur Wege, um noch mehr Cap Room rauszuquetschen. Also wenn man einen Zweijahresvertrag hat, hängt man ein paar Fake-Jahre dran und macht daraus fünf Jahre, auf die man einen Signing Bonus verteilen kann. Ich bin kein Freund davon, denn ich habe immer an das Lohnabzugsverfahren geglaubt und wollte Cash und Cap Hits immer so gut wie möglich angleichen. Dadurch muss man sich dann keine Sorgen über zukünftige Probleme machen. Void-Jahre kreieren Dead Money und das beeinflusst deinen Cap, sodass du dann neue Spieler vielleicht nicht verpflichten kannst.

Andrew Brandt ist ein gern gesehener Redner und Experte im Bereich Sports-Business
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Andrew Brandt ist ein gern gesehener Redner und Experte im Bereich Sports-Business

Sie haben darüber hinaus eine Zeitlang als Agent gearbeitet. Was sind denn die Hauptunterschiede in Vertragsverhandlungen als Teamvertreter und als Agent?

Brandt: Als Agent ist man vor allem darauf konzentriert, das Beste für den Spieler herauszuholen. Es geht darum, sein Einkommen und seine Leistungs-Incentives zu maximieren. Im Gegensatz dazu geht es aus Sicht des Teams nie nur um eine Verhandlung mit einem Spieler. Als Team geht es immer um eine Präzedenz, die dann wichtig ist für die nächste Verhandlung. Wenn ich also einen Vertrag mit einem Spieler ausgehandelt habe, musste ich immer sicherstellen, dass da keine Klauseln enthalten waren, die außergewöhnlich waren, sodass nicht der eine Spieler etwas bekam, was ein anderer nicht bekommen hatte. Denn wenn ich das gemacht hätte, wären alle plötzlich vor meiner Tür gestanden und hätten das Gleiche auch verlangt. Unterm Strich war es immer deutlich schwieriger für die Teamseite zu verhandeln, denn auf Spielerseite interessiert einen nur der eigene Spieler und sonst nichts. Auf der Teamseite musst du dagegen auf den gesamten Kader schauen.

Ein Spieler, der sicherlich ein wenig über den anderen im Kader steht, ist Aaron Rodgers. Sie waren 2005 dabei, als er gedraftet wurde. Wussten Sie damals, dass er etwas Besonderes sein würde?

Brandt: Ich war nicht ins Scouting involviert, aber wir mochten ihn sehr. Niemand wusste, dass er der Spieler werden würde, der er heute ist. Aber das Besondere an diesem Tag waren zwei Dinge: Zum einen gingen nahezu alle Spieler, die wir wollten, bis auf einen, sehr schnell vom Board. Und zum anderen war der Spieler, der noch auf unserem Board war, eben Aaron Rodgers. Niemand zog ihn und das überraschte uns sehr. Wir hatten damals gehört, dass ihn einige Teams definitiv vor uns nehmen würden. Und das führte uns zu einem einschneidenden Moment, denn wir brauchten keinen Quarterback, wir hatten einen der größten Quarterbacks in der Geschichte des Spiels (Brett Favre, Anm. d. Red.), der immer noch in seiner Prime war, unsere Coaches wollten unbedingt einen anderen Spieler, der uns sofort weitergeholfen hätte und so hatten wir eine längere Diskussionen. Dann warteten wir ab, was weiter passierte und wollten uns mögliche Trade-Angebote anhören für unseren Pick. Doch das Telefon klingelte einfach nicht. Wir hatten keine Ahnung, ob irgendjemand Aaron Rodgers überhaupt haben wollte. Also nahmen wir ihn und alle buhten und die Medien kritisierten uns durch die Bank. Doch in dem Moment musst du den Mut und die Überzeugung haben, dass er uns vielleicht nicht sofort weiterhilft, aber später dann eben doch.

Aaron Rodgers musste einige Jahre hinter Brett Favre warten.
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Aaron Rodgers musste einige Jahre hinter Brett Favre warten.

Rodgers' Rookie-Vertrag war noch einfach auszuhandeln

Wie waren denn Verhandlungen mit Aaron Rodgers in der damaligen Zeit? War er da auch schon schwierig?

Brandt: Ich hatte Glück, denn ich habe seinen Rookie-Vertrag ausgehandelt. Ich musste seinen späteren Verträge nicht aushandeln. Wir wussten bei seinem Rookie-Deal zwar, was wir ihm zahlen würden. Doch der schwierige Teil waren die Incentives und wann diese greifen. Er und sein Agent wollten lukrative Incentives für den Fall, dass Aaron Starter werden würde. Und zwar mit Zahlen, die auf Starter-Niveau waren. Und ich war damals nicht bereit, das zu machen für einen jungen Spieler, der noch nicht sein Topniveau erreicht hatte. Darum ging es damals in den Verhandlungen. Doch nochmal: Das war einfach im Vergleich zu dem, womit sich die Packers nun beschäftigen müssen. Heute verdient er 50 Millionen Dollar im Jahr.

Sie sprechen Rodgers' neuen Vertrag an. Sie haben nun schon mehrfach erklärt, dass Sie diesen Vertrag bei den Packers lediglich als Einjahresvertrag ansehen, nach dem man dann im kommenden Jahr weiterschauen würde. Was bringt Sie zu dieser Ansicht?

Brandt: Es gab diverse Berichte, dass er für drei Jahre und 150 Millionen Dollar unterschrieben hat. Wenn ich mir aber den Vertrag anschaue, ist das ein sehr seltener Vertrag. Alle seine Options-Boni treten nächstes Jahr in Kraft und die Packers müssen diese Optionen ziehen. Das wiederum bedeutet, dass sein Dead Money beträchtlich ansteigt, wenn er letztlich geht, also nach nächstem Jahr oder dem Jahr danach. Und ich habe noch nie einen Vertrag gesehen, in dem das Dead Money mit fortlaufender Dauer ansteigt und nicht runtergeht. Aus meiner Sicht ist es also eher ein Jahr und 42 Millionen Dollar im Jahr 2022, bevor die Options-Boni greifen. Und das ist der einzige Weg, wie man diesen Vertrag gerade betrachten kann - eine Verpflichtung vom Team und von Aaron Rodgers für ein Jahr. Und die weitere Entwicklung müssen wir erst noch beobachten.

Sprechen wir mal über einen anderen berühmten Quarterback. Wie sehen Sie die Situation um Deshaun Watson und seinem neuen Vertrag bei den Cleveland Browns? Wie war dieser möglich?

Brandt: Es ist ein wichtiger Moment in der NFL. Ich habe Spieler seit Jahren geraten, alles dafür zu tun, sich um voll garantierte Verträge zu bemühen, die man auch im Basketball und Baseball sieht. Das hat es nie gegeben. Und von all den Spielern, bei denen das hätte passieren können, war es ausgerechnet dieser Spieler, der es geschafft hat. Und ich habe das schon mal gesagt: Ich glaube, dass Deshaun Watson mit seinem eigenen Fehlverhalten die ideale Situation geschaffen hat, um einen solchen Vertrag Realität werden zu lassen.

Das müssen Sie erklären!

Brandt: Na ja, die Houston Texans wollten ihn nicht mehr und haben zugestimmt, dass Teams mit ihnen über Trades reden konnten. Und sobald sie einem Trade zugestimmt hatten, erlaubten sie es den Teams, mit Watson über einen Vertrag zu sprechen. Und Watson hat dann gewissermaßen diese Option kreiert, bei der Atlanta und New Orleans ausgestiegen sind, als Cleveland diese Zahl erreicht hat. Es ist ein atemberaubender Vertrag. 46 Millionen Dollar pro Jahr ist die höchste Durchschnittssumme überhaupt. 230 Millionen Dollar voll garantiert - ebenfalls die höchste Summer überhaupt - und der Vertrag ist vor einer Suspendierung in diesem Jahr geschützt, denn Sperren betreffen nur das Gehalt, nicht den Signing Bonus. Sein Gehalt wurde auf ein Minimum reduziert, zudem bietet der Deal Schutz vor einer Sperre im Jahr darauf. Ich habe so einen Vertrag noch nie gesehen, vor allem nicht bei einem Spieler, dessen Umstände ein solches Fehlverhalten involviert. Aber da sind wir jetzt.

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