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Taktik-Analyse zum Super Bowl: Die Offense der Cincinnati Bengals - die jungen Wilden müssen es richten

SPOX-Redakteur Adrian Franke analysiert vor dem Super Bowl die Offense der Cincinnati Bengals.
© getty
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Burrow und Chase: Cincinnatis große Hoffnung

Burrow ist einer der akkuratesten Quarterbacks in dieser Saison, und das obwohl er aus der bereits angesprochenen eher statischen Bengals-Offense sehr viele sehr schwierige Würfe nehmen musste.

Laut Next Gen Stats hatte er die zweithöchste Quote an Pässen in enge Fenster (19,2 Prozent), dennoch übertrumpfte er seine Expected Completion Percentage um sechs Prozentpunkte. Mit Abstand der Liga-Höchstwert vor Kyler Murray (3,9) und Aaron Rodgers (3,3). Kein anderer Quarterback lag in dieser Saison über drei Prozentpunkten.

Insbesondere Man Coverage (Rang 4 nach Expected Points Added pro Play) und Single-High-Coverages (Platz 3) hat Burrow wenig überraschend regelmäßig zerlegt - weil er hier klare Eins-gegen-Eins-Matchups lesen und attackieren konnte, und das in erster Linie via Ja'Marr Chase.

Chase hatte elf Touchdowns bei vertikalen Routes in dieser Saison, der geteilte erste Platz in der NFL.

Rein was Go-Ball-Touchdowns angeht, führte Chase die Liga in der Regular Season an - sieben solcher Touchdowns fing er in seiner Rookie-Saison bereits vor den Playoffs laut Next Gen Stats.

Spiel gegen Kansas City (Week 17), 3:19 noch im 4. Viertel, 30 Yards Raumgewinn

Man kann die Frage danach, wie Burrow und Chase zu diesen Big Plays kommen, etwas vereinfacht auf zwei Aspekte herunterbrechen.

Der eine Punkt ist: Wenn Burrow ein klares Eins-gegen-Eins-Matchup mit Chase bekommt, besteht eine sehr reelle Chance darauf, dass er seinem Top-Target auch eine Chance auf ein Big Play geben wird. Der dramatische Sprung der Offense insgesamt im vertikalen Passspiel hängt viel damit zusammen, dass Burrow Chase vertraut - und dass Chase eben auch Plays macht.

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© NFL Gamepass

Einer der simpelsten Looks für Burrow kann dementsprechend ein Pressure der Defense ohne Double-Team gegen Burrow und stattdessen mit Safety-Hilfe in der Mitte sein, so wie dieses Big Play gegen die Chiefs.

Kansas City feuert dabei aus allen Rohren, was aber in Coverage zu Eins-gegen-Eins-Duellen gegen die drei Receiver, die Routes laufen, führt, mit nur einem freien Safety im Zentrum. Cincinnati behält den Running Back und den Tight End dagegen in Pass-Protection und hat so sieben Blocker gegen sieben Rusher, was Burrow genügend Zeit verschafft.

Burrow legte in dieser Saison 11,2 Yards pro Pass gegen den Blitz auf - kein anderer Quarterback stand hier bei über 9,5 Yards pro Pass. Seine durchschnittliche Target-Tiefe von 10,0 Yards gegen den Blitz war ebenfalls der Top-Wert unter allen Quarterbacks mit mindestens 300 Dropbacks.

Spiel gegen Green Bay (Week 5), 0:36 noch im 2. Viertel, 70 Yards Touchdown

Der andere Aspekt ist die Chemie zwischen den beiden, was in gewisser Weise zu dem übergreifenden Thema "Trust-Faktor" mit dazugehört.

Das hier ist der 70-Yard-Touchdown zu Chase kurz vor der Halbzeitpause gegen die Packers, eine Defense, die strukturell einige Dinge ähnlich macht wie die Rams.

Zunächst einmal fällt auf, dass gegen Green Bays Zone Coverage Chase mit der vertikalen Route aus dem Stack ein Eins-gegen-Eins-Matchup mit dem Safety bekommt. Das für sich betrachtet ist ein klares Plus für die Bengals zunächst einmal, und Chase das eine oder andere Mal auch aus dem Slot vertikal gehen zu lassen könnte durchaus auch ein Mittel gegen die Rams sein.

Vor allem aber ist die Szene hier selbstredend ein Beispiel dafür, wie Chase und Burrow im Scramble-Drill auf einer Wellenlänge sind. Burrow liest nach dem Snap nur die linke Seite, will aber nicht zur Underneath-Option gehen. Green Bay agiert im Pass-Rush sehr vorsichtig, bringt zunächst vier Rusher, von denen sich dann nochmals zwei in Coverage zurückfallen lassen.

Dadurch kann Burrow den Scramble-Drill komplett auf die andere Seite führen, gemeinsam eben mit Chase, der mitdenkt, im Play bleibt und Burrow die Möglichkeit gibt, das ganz späte Big Play noch anzubringen.

Wie kommen die Bengals ins Kurzpassspiel?

Je nachdem, wie die Rams in der Front agieren wollen, gibt es hier zwei übergreifende Optionen dagegen: L.A. könnte viel Cover-3 spielen, etwas, das die Rams während der Regular Season häufig gemacht haben. Das ist zwar eine Zone Coverage, kreiert aber de facto dennoch Eins-gegen-Eins-Matchups Outside. Das würde auch bedeuten, dass die Bengals Chase von Jalen Ramsey weg bewegen könnten.

Oder alternativ setzen die Rams mehr auf Cover-6 und Cover-4, wo sie dann gegen Chase auch mehr helfen können, gegebenenfalls mit Ramsey häufiger auf sich gestellt auf der anderen Seite der Formation, was sie aber in der Front umgekehrt nummerisch ein Stück weit limitieren würde.

Doch selbst wenn die Rams primär auf den 4-Men-Rush setzen: Burrow wird viel unter Druck stehen. Es wird also auch darum gehen, im Kurzpassspiel den Ball konstant zu bewegen. Screens können hier ein Mittel sein, aber auch hier kann es ein Weg sein, Chase zu isolieren

Spiel gegen die Chargers (Week 13), 10:08 noch im 1. Viertel, 12 Yards Raumgewinn

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© NFL Gamepass

Exemplarisch dafür ein First-Down-Catch früh im Spiel gegen die Chargers, eine Defense, die ebenfalls ähnliche Grundprinzipien hat wie die der Rams - und gegen die Cincinnati in Woche 13 lange große Probleme hatte.

Hier isolieren die Bengals Chase mit der Running-Back-Motion komplett auf einer Seite der Formation, und auch wenn der Safety auf der Seite etwas näher Richtung Box spielt nach dem Snap, hat Chase effektiv ein Eins-gegen-Eins gegen den Corner und auch den entsprechenden Raum.

Er täuscht zuerst die Slant nach innen an, setzt dann seinen Cut zurück nach außen und der Ball kommt von Burrow mit gutem Timing und weg vom Verteidiger.

Spiel gegen die Chiefs (CCG), 1:36 noch im 3. Viertel, 17 Yards Raumgewinn

Was gegen die Rams aber auch erfolgsversprechend sein könnte, ist gewissermaßen das Gegenteil: Alle drei Receiver auf eine Seite der Formation bringen und damit Löcher in die Zone Coverage der Rams zu pushen.

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© NFL Gamepass

Das Red-Zone-Play gegen die Chiefs im Championship Game ist mir dabei aufgefallen. Die Bengals bringen Tee Higgins in Motion, sodass sie aus einem 3x1-Set am Ende agieren, mit dem Tight End auf einer Seite der Formation und den drei Wide Receivern auf der anderen.

Die Chiefs sind in einer Zone-Coverage mit zwei tiefen Safeties, mutmaßlich Cover-4, oder zumindest eine Variante davon. Beide Safeties gewinnen erst einmal Tiefe nach dem Snap, und während Boyd aus dem Slot heraus direkt einen Teil der Aufmerksamkeit ins Zentrum zieht, zwingt Higgins' Route den Underneath-Verteidiger, diszipliniert außen zu bleiben.

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© NFL Gamepass

Das öffnet einen enormen Raum für Chase, dessen Curl Route genau in diesen Raum zurück Richtung Burrow arbeitet.

Der Corner spielt Chase relativ passiv, weil er die potenzielle vertikale Route des Receivers mit respektieren muss, während die Safeties innen bleiben.

Räume für Chase gerade auch Underneath zu kreieren, auch um Yards nach dem Catch zu bekommen und um den Pass-Rush ein wenig zu neutralisieren, könnte ein Schlüssel für die Bengals im Super Bowl werden.

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