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Kommentar zu den Corona-Aussagen von Aaron Rodgers: Eine bittere Arroganz

Aaron Rodgers
© getty

Mit einem spektakulären Interview hat sich Aaron Rodgers erstmals, seitdem im Zuge seines positiven Corona-Tests bekannt geworden war, dass er keine Covid-19-Impfung erhalten hat, zu Wort gemeldet. Die Aussagen des Packers-Quarterbacks lassen tief blicken. Rodgers' argumentativer Kampf geht komplett am Thema vorbei. Ein Kommentar.

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Um eine Sache unmissverständlich klarzustellen: Hier geht es nicht darum, ob Aaron Rodgers geimpft ist oder nicht. Es geht auch nicht darum, dass er mit seiner sehr bewussten Wortwahl auf die Frage im Sommer, ob er geimpft sei - "Ja, ich bin immunisiert" - ganz offensichtlich darauf aus war, die Öffentlichkeit im Glauben zu lassen, dass er geimpft ist. Genau wie mit der anschließenden Scharade, ohne Maske aufzutreten.

Ich halte Ersteres für unsolidarisch und Letzteres für zumindest mal nicht die feinste Art. Aber das würde zumindest von meiner Seite aus keinen Shitstorm rechtfertigen.

Rodgers sagt, dass er den NFL-Protokollen und den NFL-Regularien, welche in der Offseason verabschiedet wurden, nicht zugestimmt hat. Das ist sein gutes Recht und er darf diese Dinge kritisieren und - ob öffentlich oder privat - hinterfragen.

Was er nicht machen darf, ist sie einfach brechen. Diese Regeln und Protokolle wurden von der NFLPA, dem Spielerverband, zu welchem Rodgers auch gehört, ausgehandelt und gemeinsam mit der NFL verabschiedet. Damit sind sie bindend, auch für Rodgers.

Aaron Rodgers wie ein trotziges Kind

Seine Freiheit besteht nicht darin, diese Regeln einfach zu ignorieren oder gar zu brechen; seine Freiheit besteht darin, die Regeln öffentlich hinterfragen zu dürfen.

All die Zweifel, die Rodgers offensichtlich an der Impfung hat, wären super Themen gewesen, um sie während den Verhandlungen zwischen NFLPA und NFL auf den Tisch zu bringen, und vielleicht hat er das auch getan.

Im Nachhinein dann aber Hintertüren zu suchen und Wege zu finden, wie er sich um die Regeln herumdrücken kann, wirkt wie das kleine Kind, das genauso verzweifelt wie trotzig versucht, ein Argument zu entwerfen, warum es eigentlich einen Nachtisch verdient hat, obwohl es davor einen halbvollen Teller stehen ließ, weil es ja "komplett satt" ist.

Aaron Rodgers zitiert Martin Luther King

Dass er ein Zitat von Martin Luther King nutzte - "Der große Martin Luther King hat gesagt: 'Du hast eine moralische Verpflichtung, ungerechten Regeln und Regeln, die keinen Sinn ergeben, zu widersprechen'" - rundet das ganze ab. Rodgers sieht sich hier im Recht und ist der Meinung, seine eigenen Recherchen trumpfen die wissenschaftlichen Studien sowie auch den Beschluss der NFLPA und der NFL. Ein Wahnsinn.

Sah Rodgers sich so sehr im Recht, dass er der Meinung war, sich über NFL-Regularien hinwegzusetzen? Die Tatsache, dass er regelmäßig auf in geschlossenen Räumen stattfindenden Pressekonferenzen oder auch bei Auswärtsreisen der Packers ohne Maske zu sehen war, legt das zumindest nahe.

Das ist hier der Knackpunkt. Nicht die Tatsache, dass er nicht geimpft ist, nicht die Art und Weise, wie er vielleicht nach außen - NFL und Packers wussten natürlich, dass er nicht geimpft ist - seinen Impfstatus verheimlichen wollte.

Rodgers galt offiziell als ungeimpft

Die NFL untersucht jetzt, ob alle Protokolle eingehalten wurden. Sollte Rodgers wiederholt gegen die Regeln verstoßen haben, wird er und vermutlich auch die Packers bestraft werden. Eine Geldstrafe wäre dann das Minimum, Suspendierungen oder der Verlust von Draft-Picks könnten folgen.

Das ist keine "Cancel Culture" (Rodgers), kein "Woke Mob" (Rodgers). Sollte sich das bewahrheiten, wäre es in erster Linie ein Mensch, der der Meinung ist, dass er es besser weiß und deshalb die Regeln für ihn nicht gelten.

Laut eigener Aussage, das sollte nicht unerwähnt bleiben, wollte Rodgers die Impfstoffe von Biontech und Moderna aufgrund einer Allergie nicht nehmen. Johnson & Johnson habe er, nachdem der Impfstoff zwischenzeitlich aus dem Verkehr genommen worden war, nicht nehmen wollen. Eine Studie der Oxford University hat gezeigt, dass das Risiko deutlich höher ist, durch eine Corona-Erkrankung Blutgerinnsel zu entwickeln als durch den Impfstoff von Johnson & Johnson.

Rodgers hatte stattdessen versucht, sein Antikörperlevel mit homöopathischer Behandlung so anzuheben, dass er von der NFL eine Ausnahmegenehmigung erhält. Die bekam er nicht, Rodgers galt zum Saisonstart offiziell als ungeimpft.

Rodgers schwurbelt - und das ist gefährlich

Rodgers betonte in dem Gespräch in der Pat McAfee Show außerdem, dass er keiner "dieser verrückten Flat-Earth- oder Impfgegner-Menschen" sei. Und fuhr dann fort, genau die Argumente anzubringen, die Impfgegner und Schwurbler anbringen.

"Wenn die Impfung so großartig ist, warum erkranken die Leute dann immer noch an Corona, und stecken andere an?"

"Ich bin jemand, der die Dinge kritisch hinterfragt"

"Ich habe in der Offseason viele Dinge genau studiert"

Und so ging es munter weiter: Von wilden Politik-Theorien - das linke politische Lager sei ursprünglich gegen die Impfung gewesen als Donald Trump noch im Amt war, und als Joe Biden gewählt wurde, hätte es eine 180-Grad-Drehung gegeben -, über zweifelhafte Ratschläge - er habe "seinen guten Freund" Joe Rogan (seines Zeichens Stand-up-Comedian und Entertainer, der in seinem Podcast jungen, gesunden Menschen geraten hatte, sich nicht impfen zu lassen) konsultiert und viele der Ratschläge befolgt, die jener in seinem Podcast erteilt - bis hin zu der Aussage, dass er Ivermectin genommen habe, ein Mittel gegen einen Befall mit Würmern und Parasiten, welches zwischenzeitlich als eine Art Wundermittel gegen Corona gehandelt wurde, was durch wissenschaftliche Studien aber widerlegt wurde.

Hier war alles dabei. Und es war ehrlicherweise ein Stück weit verstörend.

Kontroverse Aussagen: Aaron Rodgers von den Green Bay Packers.
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Kontroverse Aussagen: Aaron Rodgers von den Green Bay Packers.

Aaron Rodgers: Arroganz auf höchstem Niveau

Rodgers hat das Recht, seine eigene Meinung zu haben, genau wie ich - und jeder andere - das Recht hat, ihn dafür zu kritisieren und darauf aufmerksam zu machen, dass es gefährlich ist, wenn jemand mit seiner Reichweite solche Theorien verbreitet.

Wozu er nicht das Recht hat, ist, die Regeln seines Umfelds aufgrund seiner privaten Recherche frei zu interpretieren. Das ist nichts anderes als Arroganz auf höchstem Niveau.

Er habe keine Maske an der Seitenlinie und auf dem Podium bei Pressekonferenzen getragen, das stimmt - diese Maßnahmen hätten für ihnen keinen Sinn ergeben. Die anderen seien ja geimpft und die Journalisten tragen zusätzlich Maske, warum sollte er es tun? Direkt danach sagte Rodgers, dass er alle Teile des Protokolls zu 100 Prozent befolgt habe, "bis auf diese, die in meinen Augen keinen Sinn ergeben".

So funktioniert die Welt nicht. Auch nicht für Aaron Rodgers.