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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 8 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 8 in der NFL.
© getty
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3. Hat die AFC überhaupt ein echtes Top-Team?

Ich hatte letzte Woche die Frage in den Raum gestellt, wie man die AFC-Spitze jetzt bitte ordnen will. Das war nach der deutlichen Niederlage der Ravens gegen die Bengals, eine Woche nachdem Baltimore die Chargers komplett zerlegt hatte, während Tennessee gerade die Bills und die Chiefs in Folge geschlagen hatte.

Jetzt stolpern die Browns gegen Pittsburgh, die Bills tun sich lange unerwartet schwer gegen die Dolphins-Defense und die Bengals fallen in ein waschechtes Trap Game gegen die Jets, mit ihrem zweiten und teilweise dritten Quarterback.

An diesem Punkt will ich gar nicht erst sortieren, welches Team in der AFC-Spitze vielleicht besser ist als das andere, sondern eine ganz andere Frage in den Raum stellen: Hat die gesamte AFC aktuell kein wirklich überzeugendes Team? Gibt es ein wirklich verlässlich gutes Team in der AFC?

Bevor Bills-Fans die Mistgabeln rausholen: Ja, Buffalo ist das kompletteste Team in der AFC und ja, die Bills sind ein starkes Team, auch wenn die Offense holprig in die Saison startete. Aber sonst?

Traut jemand wirklich der Titans-Defense, die jetzt einige starke Auftritte ihrer Front hatte, sich gegen die Colts aber wieder deutlich schwächer präsentierte? Oder den Ravens, denen die Cornerback-Tiefe fehlt und die offensiv dieses Jahr - nicht zuletzt aufgrund ihrer inkonstanten Line - noch mehr als sonst von Lamar Jackson abhängig sind? Oder eben diesem jungen Bengals-Team, das fraglos Potenzial hat, aber nicht zuletzt mit dieser Offensive Line noch einen Schritt weit weg ist? Oder den Chargers, deren Run-Defense ein Problem ist und deren Offense noch inkonstant wirkt?

Und so weiter, und so fort. Die Quintessenz hier für mich ist, dass die AFC-Spitzengruppe sehr offen ist und somit auch nicht nur jetzt, sondern potenziell auch Richtung Playoffs noch viel Bewegung reinkommen und Teams überraschen kann. Das könnten die Patriots sein, wenn New England sich offensiv weiter steigert. Das könnten die Raiders sein. Es könnten die Chiefs sein. Und so weiter. Spoiler: Mein Midseason Power Ranking kommt morgen raus, und ich sehe derzeit maximal ein AFC-Team in der Top-5.

Insbesondere an Kansas City musste ich an diesem Spieltag denken, wenn die Chiefs irgendwann doch wieder in die Spur finden, könnten sie auch als Wildcard dieses AFC-Playoff-Feld von hinten aufrollen.

Titans-Sieg macht Division-Vorsprung zu groß

Zumindest ein Team kann derweil neben Buffalo in der AFC schon quasi für die Playoffs planen: Die Tennessee Titans.

Ich weiß, es stehen noch viele Spiele aus und in der NFL kann alles passieren. Aber das war ein kritischer Sieg für die Titans in Indianapolis, und ich denke, dass mit diesem Sieg die AFC South entschieden ist.

Die Titans haben jetzt drei Spiele Vorsprung auf die Colts und haben den direkten Vergleich gegen Indianapolis mit den beiden Siegen gewonnen, sprich de facto sind es vier Spiele Vorsprung und jetzt kann man darüber diskutieren, ob die Colts nicht das eine oder andere Spiel mehr schon hätten gewinnen müssen, dass sie Ausfälle über die ersten Wochen hatten, und so weiter: Ich denke, dieses Loch ist zu tief.

Für mich haben die Titans, über deren gefährliche Offense, welche Tennessee in jedem Spiel zu einer potenziellen Bedrohung macht, ich letzte Woche geschrieben hatte, mit diesem Sieg den Division-Titel perfekt gemacht.

Gegen die Colts war dabei auffällig, dass auch das Kurzpassspiel für Tennessee früh im Spiel immer wieder da war, um einen Rhythmus zu finden. Auch die QB-Keeper für Tannehill geben der Offense eine wichtige Dimension, damit Defenses sich nicht zu sehr auf Derrick Henry einschießen können.

Und dann komme ich bei den Titans nicht drum herum, diesem Team immer wieder eine gewisse mentale Stärke zuzuschreiben, wenn ich Tennessee-Spiele sehe. Das Chiefs-Spiel hätte ein typisches Letdown-Spiel sein können, nach dem packenden Erfolg gegen die Bills - das Gegenteil war der Fall.

Dann ging es jetzt nach Indianapolis, die Titans legten einen kompletten Horrorstart hin - aber man hatte nie das Gefühl, dass man aus der Ruhe kam. Sicher, da war auch Glück dabei, dass Tennessee nach Tannehills zweiter Interception den Ball behielt infolge eines Fumbles beim Return. Aber, und das geht Hand in Hand mit der Art und Weise, wie die ganze Offense strukturiert ist, die Titans haben ihren klaren Stil und den verlassen sie quasi nie.

Ich denke nicht, dass Tennessee am Ende den Nummer-1-Seed holt, aber die Titans werden ihre Division gewinnen und sie werden für jedes AFC-Team, egal, was in dieser Spitze noch passiert, eine extrem unangenehme Aufgabe darstellen.

Dolphins verlieren wieder - kommt jetzt Watson?

Wenn wir eh gerade in der AFC sind: Die Dolphins lieferten den Bills ein gutes Spiel; das aber lag an der Defense, nicht an der eigenen Offense und als die Dolphins-Defense schließlich doch irgendwann ein paar Plays zuließ, konnte die Offense nicht antworten.

Vielleicht werden die Dolphins diese Woche noch für Deshaun Watson traden, vielleicht auch nicht. Die Gerüchte, dass diese beiden Seiten letztlich auf Kollisionskurs sind, halten sich jedenfalls hartnäckig. Watson soll bisher gewillt sein, seine No-Trade-Klausel einzig für Miami aufzuheben - und dass die Dolphins interessiert sind, bleibt zumindest ein relativ konstantes Thema, während man aus Carolina jeden Tag eine neue Wasserstandsmeldung erhält.

Spätestens in der Offseason wird das also ein Thema sein, die jüngsten Berichte gingen in die Richtung, dass Miami gerne das Risiko minimieren würde - sprich den Preis drücken will, während gegen Watson weiterhin schwere Vorwürfe im Raum stehen -, die Texans aber mit dem Preis nicht runtergehen. Und halbwegs geklärt wird Watsons Situation nicht vor dem Frühjahr sein. Das klingt in der Gesamtabrechnung wie ein Stillstand, bei dem sich bis Dienstag nur etwas verändert, wenn eine Seite blinzelt.

Mal davon ausgehend, dass Watson in den nächsten rund 36 Stunden kein Miami Dolphin wird, wäre meine Forderung: Nehmt die Stützräder von der Offense ab. Tua hatte einige Big Plays zum Start in das Bills-Spiel, aber es waren auch wieder so viele Plays, die einen frustrieren müssen. Wenn er bei Dritter-und-Fünf den Ball zu Waddle wirft, der direkt an der Line of Scrimmage getackelt wird. Wenn er wieder potenziell katastrophale Fehler macht und gerade so einer Interception entgeht.

Zu viel in dieser Offense ist immer noch auf Sicherheit ausgelegt; meine Forderung geht deshalb eindeutig in Richtung des Play-Callers und des Quarterbacks. Denn von dem was Miami aktuell offensiv spielt, werden wir nicht viel lernen können, außer dass Tua präzise RPOs wirft, Touch über die Mitte hat und sich in der Pocket bewegen kann. Das wissen wir aber alles schon, und es sind keine neuen Erkenntnisse.

Tua Tagovailoa ist kein schlechter Quarterback, und er spielt gut seit seiner Rückkehr. Ist er gut genug, um an ihm festzuhalten und die Chance auf Watson - rein sportlich jetzt gesprochen - liegen zu lassen? Das müssen die Dolphins jetzt herausfinden, und mit der Offense, die Miami aktuell spielt, ist das schwer. Auch wenn diese Offensive Line einige Dinge natürlich erschwert. Aber jetzt ist nicht die Zeit für Ausreden.