NFL

NFL Rookie Head Coaches nach sechs Wochen: Ist Brandon Staley der modernste Head Coach der NFL?

Von Jan Dafeld
campbell
© getty
Cookie-Einstellungen

Robert Saleh (New York Jets)

Saleh ist insofern eine Ausnahmeerscheinung in dieser Liste, da er als einziger Head Coach eindeutig eher auf der defensiven Seite des Balls zu verordnen ist. Brandon Staley empfahl sich zwar als Linebackers Coach und Defensive Coordinator für seinen Head-Coaching-Posten, als ehemaliger Quarterback verfügt er allerdings durchaus auch übe eine Offense-Vergangenheit und widmet sich in Los Angeles keineswegs primär der Defense.

Und bislang ist Salehs Handschrift in der Defense der Jets durchaus zu erkennen. Obwohl die Cornerbacks des eigenen Teams vor der Saison nur echten Hardcore-Fans bekannt gewesen sein dürften und die Defensive Line mit Carl Lawson und Vinny Curry zwei wichtige Spieler noch vor dem Saisonstart verletzungsbedingt verlor, bewegt sich die Defense der Jets im ligaweiten Vergleich in relativ durchschnittlichen Sphären.

Der Schuh drückt bei den Jets aktuell vor allem in dem Bereich, für den Saleh eigentlich eher sekundär zuständig ist: Der Offense. Zach Wilsons Start in die NFL verlief bislang überhaupt nicht wie erhofft und auch wenn Wilson nicht der erste Quarterback, der nach einer durchwachsenen Rookie-Saison doch noch durchstartet, wäre, so sind seine ersten Auftritt auf der NFL-Bühne durchaus besorgniserregend.

Saleh kam - neben Meyer, der aus ganz anderen Gründen bereits vieles von seinem Kredit eingebüßt hat - mit den wohl größten Vorschusslorbeeren aller Rookie-Head-Coaches nach New York. Eine Entlassung droht dem 42-Jährigen am Saisonende somit wohl nicht, zumal die Jets zumindest schon einen Saisonsieg geholt haben und die Franchise sich ohnehin am Beginn eines mehrere Jahre andauernden Rebuilds wähnt. Saleh sollte also relativ entspannt und langfristig planen können.

Und ihm ist es durchaus zuzutrauen, dass er in den kommenden Jahren, wenn die Jets etwas mehr Ressourcen in ihre Secondary investieren und seine Defensive Line keine ganz so schweren Ausfälle zu verkraften hat, erneut eine schlagfertige Defense auf den Platz bringen wird. Trotzdem sind Salehs und Wilsons Karrieren unweigerlich miteinander verknüpft. Eine Franchise mit einem schlechten Quarterback gewinnt wenige Spiele. Und ein Head Coach, der wenige Spiele gewinnt, wird früher oder später vor die Tür gesetzt werden. Die Entwicklung von Wilson positiv zu fördern muss also im Zentrum von allen Überlegungen Salehs stehen - zur Not mit einem Coordinator-Tausch in der kommenden Offseason.

Nick Sirianni (Philadelphia Eagles)

Ebenso wie Culleys Verpflichtung durch die Texans kam auch Siriannis Anstellung in Philadelphia durchaus überraschend. Als Offensive Coordinator in Indianapolis flog Sirianni lange unter dem Radar, stach am Ende aber größere Namen wie Brian Daboll oder Eric Bieniemy aus.

In Philadelphia ist eine der wichtigsten Aufgaben für den 40-Jährigen nun, eine Offense für Jalen Hurts zu entwerfen, in der der Zweitrundenpick aus dem Jahr 2020 bestmöglich bewertet werden kann. Durchaus eine Herausforderung für Sirianni, der im Vorjahr noch mit Philip Rivers, einem komplett anderen Quarterback-Typ, zusammenarbeitete. Und bislang hat die Beziehung zwischen dem Head Coach und seinem jungen Quarterback ihre Höhen und Tiefen.

Mit einem ausgeprägten Screen-Game sowie RPOs und Read Options versucht Sirianni offensichtlich möglichst viel Druck von Hurts' Schultern zu nehmen. Vor allem die Screen-Designs stachen in den ersten Wochen dieser Saison durchaus positiv hervor. Gleichzeitig fielen die Eagles in dieser Saison aber schon mehrfach mit fragwürdigen Gameplans auf, die Offense findet bislang fast ausschließlich sehr kurz mit gelegentlichen Deep Shots an die Seitenlinie statt.

Die Designs einiger Spielzüge - auch der RPOs - erscheinen zudem wenig effizient und lassen Hurts häufig in keinem guten Licht erscheinen. Nun ist Hurts aus Sicht eines offensiven Playcallers nicht zwingend der Traum-Quarterback, der 23-Jährige verpasst einige Reads, verfehlt zu häufig Würfe und hat eine Tendenz dazu, die Pocket vorschnell zu verlassen. Gleichzeitig wirken die offensiven Ideen von Sirianni und Offensive Coordinator Shane Steichen allerdings auch nicht wie die angenehmsten für Hurts, der zu oft improvisieren und schlechte Plays mit seiner Athletik retten muss.

Nach zwei Siegen aus den ersten sechs Spielen wirkt Sirianni derzeit nicht wie ein Head Coach, der sich Sorgen um seinen Job machen muss, in diesem Jahr treffen die Eagles zudem noch auf die Lions, Jets und zweimal die Giants. Mit bis zu drei Erstrundenpicks im kommenden Draft und DeVonta Smith als hochtalentiertem Receiver im Kader scheint Philadelphia gut gerüstet für den Neuaufbau in den kommenden Jahren. Sirianni steht somit an der Spitze eines durchaus vielversprechenden Projekts - egal ob mit Hurts oder einem neuen Quarterback an der Spitze des Teams. Spätestens 2022 wird der Head Coach aber zeigen müssen, dass er in der Lage ist, diese Ressourcen auch optimal zu nutzen. Bislang ist er dies noch weitgehend schuldig geblieben.

Arthur Smith (Atlanta Falcons)

Smiths Verpflichtung in Atlanta ging mit hohen Erwartungen einher. In seinen zwei Jahren als Offensive Coordinator in Tennessee hatte er die Offense der Titans zu einer der ligaweit besten transformiert. Ryan Tannehill erlebte unter Smith seinen zweiten Frühling, A.J. Brown und Jonnu Smith fanden optimal auf sie zugeschnittene Rollen und selbst Derrick Henry machte erst unter Smith den Schritt zum dominanten Running Back.

Die Zeichen dafür, dass Smith sein System, das viel auf Play Action und tiefe Crosser über die Mitte baute, auch in Atlanta etablieren könne, standen nicht schlecht. Mit Calvin Ridley verfügt Smith erneut über einen jungen, dominanten Receiver, Matt Ryan schien einen potenzielles Upgrade gegenüber Tannehill sein zu können und im Draft erhielt Smith mit Kyle Pitts eine weitere Matchup-Waffe, die nur darauf zu warten schien, über die Mitte des Feldes eingebunden zu werden.

Bislang sehen die Ergebnisse allerdings längst nicht so rosig aus. Nach fünf Wochen zählt die Offense der Falcons zu den schwächeren in der NFL. Atlantas Offensive Line ist eine riesige Problemzone, die Smith mit seinem Play-Calling bislang nicht wirklich kaschiert bekommt. Dementsprechend schwach kommt das Run-Game, das keineswegs an Smiths Erfolg aus Tennessee heranreicht, daher.

Ryan hat in den ersten Wochen der Saison zwar bewiesen, dass er eine Offense nach wie vor effizient aus der Pocket umsetzen kann. Sobald die Pocket jedoch unsauber und die Umstände widriger werden, bekommt der 36-Jährige allerdings zunehmend Probleme. Ryans Arm scheint nicht mehr auf dem Level von vor ein paar Jahren zu sein, sein Alter bereitet ihm in diesem Jahr erstmals offensichtlich Probleme.

Noch sind Hopfen und Malz nicht verloren. Mit den Dolphins, Panthers, Saints, Patriots und Jaguars haben die Falcons in fünf ihrer nächsten sechs Spiele schlagbare Gegner vor der Brust. Dass Atlanta sich doch bis zuletzt im Playoff-Rennen halten kann, ist somit nicht undenkbar. Dennoch scheinen sich Smith und seine Franchise zunehmend aufs NFL-Niemandsland zuzubewegen.

Ein Contender sind die Falcons mit ihrer Offensive Line sowie ihrer Defense keineswegs mehr, zudem gilt es, bald den Nachfolger für Ryan als Quarterback auszumachen. Smith hat zuvor in Tennessee und nun auch in Atlanta (Beispiel Cordarrelle Patterson) bewiesen, dass er imstande ist, kreative Lösungsansätze zu finden. Seine Reise dürfte mit den Falcons in den kommenden Saisons allerdings Richtung Rebuild gehen. In den letzten Jahren hatte die Franchise diesen immer wieder hinausgezögert. Mittlerweile scheint daran jedoch kein Weg mehr vorbeizuführen.

Brandon Staley (Los Angeles Chargers)

Der Football in der NFL hat sich in den vergangenen Jahren einem starken Wandel unterzogen. Der Vorteil von Offenses gegenüber Defenses - insbesondere im Passspiel - sowie der immer größer werdende Einfluss von Analytics haben die Liga verändert - sowohl auf als auch neben dem Platz. Und kaum ein Head Coach steht so sehr für diese Veränderung wie Staley, der nur wenige Monate benötigte, um vom vielleicht modernsten Defensive Coordinator der NFL zu einem der modernsten Head Coaches zu werden.

Ob bei Fourth Downs, bei der Nutzung des Laufspiels oder bei der taktischen Ausrichtung seiner Defense - Staley hat in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder deutlich gemacht, dass er neue Elemente und Erkenntnisse in seinem Coaching berücksichtigt und aktiv versucht, Vorteile daraus zu ziehen.

Die Chargers spielen in dieser Saison dementsprechend eine sehr passintensive Offense, in der Defense konzentriert sich das Team primär darauf, explosive Plays durch die Luft zu stoppen, bei Fourth Downs zeigte sich in den letzten Wochen kein Team aggressiver als Los Angeles. Die Erfolge können sich sehen lassen: Staleys Team gewann trotz eines brutalen Auftaktprogramms vier der ersten sechs Spiele und scheint angesichts des nun deutlich leichter werdenden Spielplans klar auf Playoff-Kurs zu sein.

Und das obwohl noch längst nicht alles perfekt läuft: Die Offense wirkt immer noch nicht voll auf die herausragenden Fähigkeiten von Justin Herbert zugeschnitten. Der Defense mangelt es in der Defensive Line - abgesehen von Joey Bosa - zudem noch am Spielermaterial, um Staleys präferierte Defense mit zwei tief postierten Safeties so dominant umsetzen zu können, wie es im Vorjahr mit Aaron Donald bei den Los Angeles Rams möglich war.

Und doch hinterließ Staley in seinen ersten Monaten als Head Coach in Los Angeles einen äußerst positiven Eindruck. Er sitzt von allen Rookie-Head-Coaches mit Sicherheit am sichersten im Sattel - und das nicht nur, weil er aktuell als einziger eine positive Bilanz aufweisen kann. Die Kombination aus Staley und Herbert hat das Potenzial, um dauerhaft in den Kreis der besten Teams in der AFC vorstoßen zu können. Als NFL-Fan darf man sich auf die Duelle mit Patrick Mahomes und Andy Reid in der AFC West in den kommenden Jahren definitiv freuen.

NFL: Die Bilanzen der Rookie Head Coaches 2021

Head CoachSiegeNiederlagen
Dan Campbell06
David Culley15
Urban Meyer15
Robert Saleh14
Nick Sirianni24
Arthur Smith23
Brandon Staley42
Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema