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Kansas City Chiefs nach Super Bowl LV: Sind sie trotzdem noch das beste Team der NFL?

Von Jan Dafeld
Patrick Mahomes verlor mit den Kansas City Chiefs in Super Bowl LV.
© getty

Die Kansas City Chiefs haben Super Bowl LV überraschend gegen die Tampa Bay Buccaneers verloren. Dem Team bleibt somit die Krönung einer herausragenden Saison verwehrt. Patrick Mahomes und Co. gehen trotz der Niederlage als Favorit in die kommende Spielzeit. Doch auf die Chiefs wartet eine Offseason voller Herausforderungen.

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Super Bowl LV war eine Machtdemonstration der Tampa Bay Buccaneers. Vom ersten Viertel an spielten im heimischen Raymond James Stadium praktisch nur die Gastgeber. Tom Brady und Co. drückten dem Spiel ihren Stempel auf, sie dominierten die eigentlich favorisierten Chiefs über weite Strecken der Begegnung. Der 31:9-Erfolg der Bucs war der deutlichste Super-Bowl-Sieg seit dem Debakel der Denver Broncos gegen die Seattle Seahawks vor sieben Jahren.

Und dennoch: Für das wohl spektakulärste Play des Super Bowls sorgte nicht Brady, nicht Rob Gronkowski und auch nicht Leonard Fournette. Sondern Patrick Mahomes.

Bei einem Fourth-and-Nine von der gegnerischen Elf-Yard-Linie wurde Mahomes wie so häufig in dem Spiel direkt nach dem Snap von den Bucs unter Druck gesetzt. Mahomes wich Pass-Rusher William Gholston in der Pocket aus und lief nach rechts, Gholston dicht an seinen Fersen.

Während CBS-Kommentator Jim Nantz "er läuft um sein Leben!" in sein Mikrofon rief, traf Gholston Mahomes' Ferse mit einem Hechtsprung. Dieser legte sich quer in die Luft und feuerte den Ball parallel zum Boden fliegend über 30 Yards in die Hände seines in der Endzone wartenden Running Backs Darrel Williams. Mahomes schien die Gesetze der Physik für einen Moment außer Kraft gesetzt zu haben. Eine unglaubliche Szene.

Allerdings wurde er nicht für seine Mühen belohnt. Williams rutschte der genaue Pass durch seine ausgestreckten Hände und sprang von seinem Helm zurück auf den Rasen. Mahomes Blick wanderte verzweifelt in Richtung Himmel. Spätestens in diesem Moment dürfte den meisten Zuschauern klar gewesen sein: Die Chiefs würden nicht mehr gewinnen. Dieses Spiel war entschieden.

Kansas City Chiefs: Mahomes 497 Yards auf der Flucht

Es war das Ende einer bis dahin absolut herausragenden Saison der Chiefs. Kansas City war als Favorit und amtierender Champion in die Spielzeit gegangen und war seinem Status über Monate hinweg gerecht geworden. Im SPOX-Power-Ranking stand über mehr als ein Jahr kein anderes Team an der Spitze.

Mahomes und Co. schienen wie dafür gemacht, die 15 Jahre andauernde NFL-Serie von Saisons ohne Titelverteidigung zu durchbrechen. Doch die Buccaneers machten ihnen einen Strich durch die Rechnung.

Gegen die von Defensive Coordinator hervorragend eingestellte Defense der Bucs fanden die Chiefs keine Antwort. Tampa Bay dominierte die Chiefs an der Line of Scrimmage beinahe nach Belieben, Mahomes stand stärker unter Druck als irgendein Quarterback im Super Bowl vor ihm.

Der 25-Jährige lief auf der Flucht vor heranstürmenden Pass-Rushern unglaubliche 497 Yards mit dem Ball in der Hand, es war die höchste Zahl in der gesamten abgelaufenen Spielzeit. Nantz' Ausruf, Mahomes laufe um sein Leben, traf den Nagel auf den Kopf.

Kansas City Chiefs: "Offense muss sich weiter entwickeln"

"Ich werde dieses Gefühl nicht vergessen. Es bereitet mir Bauchschmerzen", erklärte Guard Andrew Wylie, der als Notfall-Right-Tackle sichtlich überfordert war, nach dem Spiel. "Viele von uns, mich eingeschlossen, hätten viele Sachen besser machen können. Es war nicht bloß ein Spieler von ihnen, der durchkam."

Kansas City trat mit einer stark dezimierten Offensive Line - vier der fünf Blocker waren vor der Saison nicht als Starter für ihre Position eingeplant gewesen - gegen eine der besten Defensive Fronts der Liga an. Dass die Chiefs an der Line of Scrimmage Probleme bekommen würden, war also erwartet worden. Das Ausmaß der Dominanz überraschte allerdings doch.

Andy Reid und Eric Bieniemy stellten ihren Offensive Linemen bei nur acht Prozent aller Dropbacks zusätzliche Blocker an die Seite. Taten sie es doch mal, doppelten die Bucs die Chiefs-Receiver und zwangen Mahomes so dazu, den Ball noch länger zu halten. Dass KC bereits früh im Spiel deutlich zurücklag und die Verteidiger der Bucs sich somit noch stärker auf die Pass-Verteidigung konzentrieren konnten, erschwerte die Aufgabe obendrein.

"Ich hätte einen bessere Job machen können", gab Reid nach dem Spiel zu. "Wenn Teams den Gameplan der Bucs sehen und sehen, wie gut der gegen uns funktioniert hat, werden sie natürlich versuchen, die gleichen Dinge zu tun", sagte Mahomes. "Wir werden versuchen, Wege zu finden, um das zu kontern. Unsere Offense muss sich weiter entwickeln, wir müssen effizienter werden."

Kansas City Chiefs: Eine absolute Anomalie

Die Niederlage gegen die Bucs war ohne jede Frage eine enorme Enttäuschung für Mahomes und Co. Bowles und die Bucs bewiesen, dass auch diese Offense nicht unaufhaltsam ist. Es war eine Begegnung, die dem Rest der NFL Mut gemacht haben dürfte.

Und doch sollte sowohl den Chiefs, als auch der Konkurrenz bewusst sein, dass dieses Spiel eine absolute Anomalie war. Mahomes verlor Super Bowl LV mit 22 Punkten Rückstand, zuvor hatte er in mehr als vier Jahren kein Spiel mit mehr als acht Punkten Unterschied verloren.

Die Offensive Line stellte im Super Bowl die größte Schwachstelle der Chiefs dar, doch die Probleme des AFC-Champions gingen weit darüber hinaus. Mehrfach sorgte Mahomes unter Druck für atemberaubende Würfe, wurde dabei jedoch von seinen Receivern immer wieder im Stich gelassen. Gleichzeitig kassierte die Defense Unmengen an Strafen, zahlreiche davon in absolut kritischen Momenten. Tampa Bay spielte exzellente Coverage, unterband die Screens und Kansas City hatte im Play-Calling einen rabenschwarzen Tag. Nichts funktionierte.

"Wir wussten, dass wir nicht immer erfolgreich sein und 1000 Championships in Serie gewinnen werden", erklärte Mahomes nach der bitteren Niederlage. "Wir wussten, dass wir durch Zeiten wie diese gehen würden. Ich denke, das Beste an der Situation ist jedoch, dass wir die Führungsstärke haben, um nächstes Jahr noch besser zu sein."

Kansas City Chiefs: Erneut der klare Favorit

Tatsächlich gehen die Chiefs laut den Buchmachern erneut als klarer Favorit in die Saison. Trotz der üblen Niederlage im wichtigsten Spiel der Saison wirkt Kansas City wie das Team, das auch in der kommenden Spielzeit das "Team to beat" sein wird.

Mit Mahomes, Tyreek Hill, Travis Kelce, Chris Jones und Tyrann Mathieu stehen die wichtigsten Leistungsträger des Teams weiterhin unter Vertrag. Das größte Problem im Super Bowl, die Offensive Line, könnte sich über die kommenden Monate zudem von selbst lösen: Laurent Duvernay-Tardif, der zuletzt als Arzt in Kanada gearbeitet hat, und Rookie Lucas Niang kehren wohl nach ihrem Opt-Out-Jahr zurück, die schwer verletzten Eric Fisher und Mitchell Schwartz sollen zudem wieder zum Team stoßen.

Dennoch steht auch den Chiefs - wie den meisten Teams - angesichts des sinkenden Caps eine herausfordernde Offseason bevor: Einige Starter werden Free Agents, alle wird Kansas City vermutlich nicht halten oder sie adäquat ersetzen können.

Die Verträge von Wide Receiver Sammy Watkins, Center Austin Reiter, Edge Defender Tanoh Kpassangnon, Cornerback Bashaud Breeland, Safety Daniel Sorensen und Linebacker Damien Wilson laufen aus. Stand heute steht das Team - trotz der auslaufenden Verträge - zudem über der erlaubten Cap-Grenze.

Kansas City Chiefs: Verstärkungen über den Draft?

General Manager Brett Veach wird über das Frühjahr also kreativ werden müssen, um einige Schlüsselpositionen im Team neu besetzen zu können. Der Draft könnte für die Chiefs dabei besonders wichtig werden. Kansas City verfügt in den ersten Runden nach wie vor über seine eigenen Picks und könnte somit für Verstärkungen, zum Beispiel in der Offensive Line, der Secondary oder auch im Pass-Rush, sorgen.

Im vergangenen Jahr hatten die Chiefs im Draft in der ersten Runde Clyde Edwards-Helaire von LSU ausgewählt. Ein Pick, der damals kontrovers diskutiert worden war. Einige sahen einen Erstrundenpick, mit dem ein Running Back ausgewählt wird, als verschenkt an. Andere wiederum argumentierten, für die Chiefs mit ihrem herausragenden Kader würden andere Regeln gelten. Edwards-Helaire sei die Waffe, die den Champion offensiv noch gefährlicher machen würde.

Ein Jahr später wirkt der Pick von Edwards-Helaire, durch die Geschehnisse im Super Bowl obendrein verstärkt, wie eine wenig weise Entscheidung. Die NFL ist ein schnelllebiges Geschäft, so etwas wie Luxuspicks gibt es auf diesem Level nicht. Jedes Team hat Schwächen, an denen bestmöglich gearbeitet werden muss.

Nun bleibt abzuwarten, ob die Chiefs die gleichen Schlüsse aus der Saison gezogen haben.

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