25 Jahre hatten die Buffalo Bills auf einen Sieg in den Playoffs warten müssen. Im ersten Spiel der Wildcard-Runde der Saison 2020 war es schließlich soweit - viel dramatischer hätten Josh Allen und Co. den historischen Erfolg allerdings kaum einfahren können.
Mit zwei Minuten und 30 Sekunden auf der Uhr bekamen die Colts beim Stand von 24:27 im letzten Viertel den Ball und marschierten bis an die Mittellinie. Zach Pascal schien den Ball bereits per Fumble verloren zu haben, die Schiedsrichter entschieden in der knappen Situation allerdings zu Ungunsten der Bills. Nach zwei Würfen ins Aus musste Philip Rivers somit auf eine Hail Mary in die Endzone setzen, sein Versuch wurde allerdings von den Gästen abgewehrt, sodass die Bills ihrer Favoritenrolle gerecht wurden und in die Divisional Round der Playoffs einzogen.
Dabei hatte die Defense der Colts einen starken Start ins Spiel erwischt. Indy schaffte es früh Allen aus der Pocket zu drängen und so das Timing der Bills zu stören. Drei der ersten vier Drives der Gastgeber endeten in Three-and-Outs, die heißeste Offense des Saisonfinals fand zunächst nicht ins Spiel.
Die Gäste bekamen den Ball dank eines gut aufgelegten Rivers offensiv zwar gut bewegt, nahmen jedoch viel zu wenig Punkte aus ihren Drives mit. Indianapolis puntete zweimal in der gegnerischen Hälfte und schoss obendrein ein Field Goal. Den einzigen Touchdown der ersten Halbzeit erzielte Jonathan Taylor mit einem Run von der Ein-Yard-Linie.
Kurz vor der Halbzeit entschied sich Frank Reich bei einem Fourth-and-Goal von der Vier-Yard-Linie dann für einen Pass. Rivers fand Michael Pittman auf einer Crossing-Route in der Endzone, der Ball rutschte dem Rookie allerdings haarscharf durch die ausgestreckten Hände. Die Bills übernahmen den Ball somit nach einem Turnover on Downs.
Im Gegenzug gelang es den Gastgebern mit weniger als zwei verbleibenden Minuten von der eigenen Vier-Yard-Linie einen langen Drive aufs Feld zu zaubern: Gleich zweimal fand Allen Gabriel Davis mit spektakulären Pässen an der Seitenlinie. In der eigenen Hälfte forcierten die Colts dann zwar ein Fourth-and-Three, eine Offside-Strafe von Kemoko Turay bescherte Buffalo jedoch ein neues First Down. Ein Touchdown-Run von Allen brachte die Bills unmittelbar vor der Pause mit 14:10 in Front.
NFL: Indianapolis Colts kämpfen sich im letzten Viertel zurück
Nach der Pause setzte sich die mangelhafte Effizienz der Colts weiter fort. Während Tyler Bass auf Seiten der Bills ein 46-Yard-Field-Goal verwandelte, marschierte Indy erneut tief in die gegnerische Hälfte, aus 33 Yards verschoss Rodrigo Blankenship jedoch ein wichtiges Field Goal.
Ein 35-Yard-Touchdown-Pass gegen einen der seltenen Blitzes der Colts von Allen auf Star-Receiver Stefon Diggs schien das Spiel dann bereits zu entscheiden, die Gastgeber gingen im letzten Viertel mit 24:10 in Front. Die Bills spielten defensiv allerdings zu zaghaft und zu passiv, die Offense der Colts wachte auf.
Mit zwei Drives, die zusammen weniger als fünf Minuten von der Uhr nahmen, marschierten die Colts zweimal in die Endzone. Touchdown-Catches von Jack Doyle und Zach Pascal brachten die Colts auf drei Punkte heran, ein 54-Yard-Field-Goal von Tyler Bass vor Doyles Touchdown sorgte für eine 27:24-Führung.
Weniger als vier Minuten vor Spielende hatte Allen dann Glück, dass ein Fumble von ihm von seinem Offensive Lineman Daryl Williams gesichert werden konnte. Statt eines Turnovers konnte Buffalo immerhin punten. Die Colts bekamen den Ball ein letztes Mal - Rivers' Hail Mary brachte allerdings keinen Erfolg.
Die Bills treffen damit in der nächsten Playoff-Runde entweder auf die Pittsburgh Steelers, die Tennessee Titans oder die Baltimore Ravens - je nachdem, wie die anderen beiden Wildcard-Spiele in der AFC ausgehen. Verzichten müssen sie dabei allerdings höchstwahrscheinlich auf Zack Moss. Der Running Back verletzte sich gegen die Colts offenbar schwer und konnte das Spielfeld nicht aus eigener Kraft verlassen.
NFL Playoffs 2020: Wildcard Round
Buffalo Bills (13-3, #2) - Indianapolis Colts (11-5, #7)
Ergebnis: 27:24 (7:3, 7:7, 3:0, 10:14) BOXSCORE
Bills vs. Colts - die wichtigsten Statistiken
- Der Sieg der Bills war der erste Playoff-Sieg seit 24 Saisons. Nur die Lions (29 Saisons) und die Bengals (30 Saisons) warten noch länger auf einen Sieg in der Postseason. Der letzte Bills-Quarterback, der vor Allen ein Playoff-Spiel hatte gewinnen können, war Jim Kelly 1995.
- Bei ihrem letzten Drive vor der Halbzeit sowie ihrem erstem Ballbesitz nach der Pause liefen die Colts kombiniert 22 Plays für 115 Yards, holten 6 First Downs und hatten den Ball für knapp 12 Minuten. Durch ein nicht erfolgreich ausgespieltes Fourth Down sowie ein verschossenes Field Goal resultierten diese zwei Drives in null Punkten.
- Durch den Sieg der Bills über die Colts hat sich im bisher einzigen Playoff-Spiel der laufenden Saison das Team, das zur Halbzeit führte, am Ende durchgesetzt. 2019 gewannen Teams, die zur Halbzeit führten, neun von zehn Spielen. Das einzige Team, das trotz Halbzeit-Führung verlor: Die Bills, die trotz eines 13:0 zur Pause gegen die Texans unterlagen.
- Als erstes Team überhaupt verloren die Colts ein Playoff-Spiel mit mehr als 450 Yards und null Turnovern. Alle elf Teams, die zuvor auf mindestens 450 Yards ohne Turnover gekommen waren, hatten ihre Spiele in den Playoffs für sich entscheiden können.
Der Star des Spiels: Josh Allen (Quarterback, Bills)
Würde Josh Allen seine herausragende Regular Season in den Playoffs bestätigen können? Obendrein gegen eine starke Defense? Die Antwort: Eindeutig ja. Allen spielte lange ein nahezu fehlerloses Spiel: Er bewegte sich stark gegen Pressure, brachte mehrere tiefe Würfe aus dem Lauf an und war obendrein auch noch Buffalos gefährlichster Runner. Sein perfekter 35-Yard-Touchdown-Wurf auf Stefon Diggs im vierten Viertel war die Kirsche auf seinem Sahnespiel. Sein Fumble drei Minuten vor Spielende war allerdings ein grober Fehler. Ebenfalls stark: Kicker Tyler Bass, der acht Minuten vor dem Ende ein wichtiges 54-Yard-Field-Goal verwandelte.
Der Flop des Spiels: Jonathan Taylor (Running Back, Colts)
Kaum ein Spieler ging mit einer besseren Form in diese Playoffs als Taylor, der in Woche 17 für 253 Yards gegen den Jaguars gelaufen war. Gegen die Bills konnte er diese Qualität allerdings nicht bestätigen. Taylor blieb am Boden weitestgehend ineffektiv, noch schwerer wogen allerdings seine Fehler im Passspiel. Der Rookie droppte gleich zwei seiner vier Targets, beide Male endete der Colts-Drive in der Folge. Damit kostete Taylor sein Team wichtige Punkte. Außerdem schwach: Kemoko Turay, dessen Strafe kurz vor der Pause den Bills einen Touchdown statt eines Field Goals schenkte.
Analyse: Bills vs. Colts - die Taktiktafel
- Frank Reich vertraute früh im Spiel auf seine gute Defense und entschied sich zweimal dafür in der gegnerischen Hälfte zu punten und somit auf eine bessere Feldposition statt auf den möglichen Ballbesitz zu setzen. Kurz vor der Pause ließ Reich dann jedoch ein Fourth-and-Goal an der gegnerischen Vier-Yard-Linie ausspielen, Rivers' Pass rutschte jedoch durch die ausgestreckten Hände von Michael Pittman Jr.
- Die Colts konnten Allen in der ersten Halbzeit mehrfach unter Druck setzen, teilweise per Blitz, teilweise mit dem Four-Men-Rush. Der Bills-QB rollte allerdings immer stark aus der Pocket und entging den Pressures so. Später callte Brian Daboll zudem mehrmals erfolgreich Quarterback-Draws, um den aggressiven Pass-Rush zu kontern.
- Defensiv konzentrierten sich die Gastgeber primär auf das Run Game über Jonathan Taylor. Buffalo stellte immer wieder volle Boxen auf und callte mehrfach Run-Blitzes. Die Colts nutzten diesen Fokus durch das eigene Passspiel aus, gleich mehrfach fand Rivers offene Receiver auf tiefen Crossing-Routen über die Mitte des Felds.
- Die Colts spielten defensiv derweil mit vielen Sub-Packages und leichten Boxen, sodass die Bills primär auf das Laufspiel sowie kurze Pässe setzten - ein klarer Unterschied gegenüber ihren Gameplans in den letzten Spielen der Regular Season. Auch Allen wurde dabei immer wieder als Runner genutzt.
- In der zweiten Halbzeit schraubten die Colts das Blitzing deutlich zurück, bekamen mit vier Pass-Rushern allerdings keinen Druck mehr auf Allen. Als Matt Eberflus dann doch aggressiver wurde, erwischte Stefon Diggs T.J. Carrie sofort im Eins-gegen-eins für einen langen Touchdown.
- Im letzten Viertel wechselten die Bills weitestgehend auf eine Prevent-Defense, die kurze Pässe forcieren und Big Plays verhindern sollte. Das Resultat war verheerend. Die Colts erwischten die leichten Boxen mehrfach mit langen Runs auf dem falschen Fuß, Rivers sezierte die Zone-Defense über die Mitte. In weniger als fünf Minuten erzielten die Gäste zwei Touchdowns.