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Top 10: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 7 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf den NFL-Sonntag.
© imago images/Fred Kfoury III
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4. Die eindrucksvolle Antwort von Baker Mayfield

Ein Spiel, das mit Blick auf den Spielplan am Sonntagmorgen nicht unbedingt wie der Leckerbissen des Tages aussah, hat im Nachhinein sehr gute Argumente für genau diesen Titel: Der 37:34-Sieg der Cleveland Browns über die Cincinnati Bengals war nicht nur hochspannend, mit mehreren späten Führungswechseln und einem tollen Finish - es war auch ein unheimlich wichtiges Spiel insbesondere für Browns-Quarterback Baker Mayfield.

Mayfield hatte über weite Teile der Saison nicht sonderlich gut gespielt, vereinzelt - so wie letzte Woche - wurde das überdeutlich. Und es sah so aus, als würde sich das direkt fortsetzen: Mayfield startete die Partie mit einer weiteren üblen Interception beim Versuch, den Returner zu stoppen, verletzte sich zu allem Überfluss Odell Beckham mutmaßlich schwer.

In den ersten zehn Spielminuten hatte die Browns-Offense den Pick und drei Strafen gesammelt, keiner von Mayfields fünf Pässen war bei einem Mitspieler angekommen. Die Offense wirkte gegen eine durchaus schlagbare Bengals-Defense einmal mehr neben der Spur.

Nachdem Mayfield seine nächsten 18 (!) Pässe in Folge für 222 Yards und vier Touchdowns angebracht hatte, war das Spiel auf zwischenzeitlich 31:27 für Cleveland gedreht. Mayfield spielte nach der holprigen Anfangsphase ein spektakuläres Spiel, brachte sehr schwierige Bälle an und hielt sein Team in einem Spiel, in dem Cleveland von seinem Wunsch-Game-Plan weggehen musste. Auch wenn ein Spiel nicht die komplette Wahrnehmung verändert: Diese Antwort von Mayfield zu sehen war wichtig.

Auf der anderen Seite derweil altbekannte Probleme: Joe Burrow steckte abermals viel zu viele Hits ein, vier Sacks und sieben Quarterback-Hits standen am Ende auf dem Konto. Burrow war bereits mit einer der höchsten Pressure-Quoten (36,6 Prozent, Platz 7) gegen sich in den Spieltag gegangen - und das obwohl im Schnitt nur sieben Quarterbacks den Ball schneller loswerden als er.

Die Offensive Line ist ein gigantisches Problem, und langsam sieht man Effekte davon. Dass Burrow - der sich nach einem kritischen False Start seiner Line auch einmal sichtbar ärgerte - seiner Pocket nicht traut, dass er vorschnell die Pocket verlässt. Und das ist der Worst Case für die Bengals.

5. Ein weiteres irres Cardinals-Seahwaks-Spiel

"Sind die Cardinals for real?" Das war eine übergreifende Frage vor dem Duell mit Seattle. Arizona hatte einen Saisonverlauf, der wenige vernünftige Antworten auf diese Frage lieferte. Hohe Siege gegen schlechte Teams, ein übler Auftritt gegen die Panthers, der Sieg in Woche 1 gegen die damals noch intakten 49ers - aber so richtig konnte man dieses Cardinals-Team nicht greifen.

Dieser Sieg gegen Seattle, so verrückt er in all seinen Facetten war, war zuerst einmal ein Statement. Und gleichzeitig aber scheint die klarere Erkenntnis dieses Spiels aufseiten der Seahawks zu liegen.

Kurz zusammengefasst: Für Seattle ist jedes Spiel ein Ritt auf der Rasierklinge. Zu schlecht ist die eigene Defense, Seattle hat auch weiterhin überhaupt keinen Pass-Rush, und weil sie Kyler Murray ganz offensichtlich nicht blitzen wollten, hatte der ausreichend Zeit. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Seahawks den Fuß offensiv nie vom Gaspedal nehmen dürfen. Und dass sie wenig Spielraum für Fehler haben.

Letzteres geht direkt in Richtung von Russell Wilson, der diese Woche eben zu viele Fehler machte. Sicher, einige der Pässe zu Lockett und einige der Plays spät im Down waren absolut herausragend - aber drei Picks, die allesamt extrem schwach waren und klar auf Wilsons Kappe gingen, darf er sich eben mit dem Handicap der eigenen Defense nicht erlauben. Diese Picks waren der Unterschied in diesem Spiel.

Und die Sequenz rund um die 2-Minute-Warning war in einer Saison, in der Seattles Play-Calling ganz klar eine der positiven Überraschungen ist, ein Rückfall in dunkle Tage. An einem Tag, an dem Seattle abgesehen von den Turnovern durch die Luft so dermaßen problemlos durch Arizonas Defense marschierte, ließ Seattle bei vier von fünf Plays einen designten Run spielen. Arizona ging defensiv voll auf den Run und erzwang so den Punt - welchen Seattle aus irgendeinem Grund mit noch vier Sekunden auf der Play-Clock abfeuerte, statt die Uhr maximal weit runter laufen zu lassen. Das war aus verschiedenen Blickwinkeln kein gutes Game Management.

Man darf dieses Spiel so gesehen als Warnschuss sehen. Seattle gehört auch weiter zum - aktuell sehr breiten - Kreis der Titelanwärter. Aber um in dieser Rolle auch im Januar zu verweilen, gibt es nur einen Weg für die Seahawks: Offensives Vollgas.

Eine neue Mentalität bei den Cardinals?

Und Arizona? Die Cardinals zeigen in jedem Fall weiter Fortschritte. Das betrifft etwa Defensive Coordinator Vance Joseph, der nach einem sehr konservativen Start in die Partie letztlich im zweiten Spiel in Folge deutlich aggressiver wurde - und dafür belohnt wurde. All-Out-Blitzes, kreative und mutige Pressure-Calls, die man so von ihm schlicht über die ersten Wochen der Saison nicht gesehen hat: Sollte sich der Trend fortsetzen, ist Arizonas Defense auf einem guten Weg.

Das betrifft auch Kyler Murray, der noch immer zu viele Wackler als Passer hat - dessen Deep Ball aber ein Spiel in jedem Moment öffnen kann, und der als Runner aktuell einer der größten X-Faktoren in der NFL ist. Generell scheinen die Cardinals nach einer Findungsphase zu Beginn der Saison auch offensiv mehr und mehr ihre Identität zu finden.

Das betrifft Chase Edmonds, der weiter wie der klar beste Running Back in der Wüste aussieht. Das betrifft Budda Baker, der eine herausragende Saison spielt.

Und es betrifft auch einen anderen Part, der schwer greifbar ist, aber den gerade alldiejenigen, die dieses Cardinals-Team bereits länger verfolgen, nur zu gut kennen dürften: Arizona war über die letzten Jahre mental kein starkes Team. Zu häufig ließ man das Spiel langsam aber sehr sicher davonschwimmen, wenn man mal in einem Loch war - und gegen Seattle am Sonntagabend gab es mehr als genügend solcher vermeintlicher "Backbreaker"-Momente.

Arizona lag zwei Mal mit 13 Punkten im Rückstand, und so viele Cardinals-Teams in der Vergangenheit wären kollabiert. Etwa nach dem Seahawks-Touchdown kurz vor der Halbzeit, oder nach Murrays Interception direkt nach Wilsons Endzonen-Pick. Oder nach dem Touchdown zum 34:24 knapp sieben Minuten vor dem Ende. Oder, oder, oder. Dass die Cardinals am Sonntag immer wieder zurückkamen, spricht dafür, dass sich hier etwas in dieser Franchise verändert.

Diese beiden Teams spielen mindestens ein absurdes Spiel pro Jahr, diese Partie fühlte sich an wie das wahnsinnige Gegenstück zum 6:6-Unentschieden vor einigen Jahren. Und wenn Arizona sich weiter entwickelt, dann sollte das noch für einige Jahre nicht nur eine sehr unterhaltsame, sondern auch eine (offensiv) hochklassige Rivalry sein.