Zehn Jahre. Bis zu 503 Millionen Dollar. 140 Millionen garantiert für den Verletzungsfall. Bis zu 477 Millionen Dollar in Garantie-Mechanismen.
Patrick Mahomes hat zunächst einmal sämtliche Schallmauern durchbrochen was bisherige NFL-Verträge angeht und im maximal möglichen Gesamtvolumen den teuersten Vertrag der US-Sport-Geschichte unterschrieben - dennoch war vielerorts die erste Reaktion: Hätte er nicht sogar noch mehr bekommen können? Hat er sich - so verrückt es klingt - langfristig unter Wert verkauft?
Wäre Mahomes, der beste Spieler auf der wertvollsten Position, der seinen 25. Geburtstag erst im September feiern wird, nicht der Kandidat gewesen, der die Regeln wirklich neu schreibt? Der mit einer prozentualen Beteiligung am Salary Cap eine wahrlich neue Benchmark setzt und bei einer derart langen Vertragszeit sicherstellt, dass er auch nach vier, nach sechs und nach acht Jahren finanziell zu 100 Prozent gemäß seines sportlichen Werts bezahlt wird?
NFL: Wie entwickelt sich der Salary Cap?
Niemand kann aktuell prognostizieren, wie sich der Salary Cap entwickelt. Durch Corona-bedingte finanzielle Einbußen könnte der Cap über die nächsten Jahre stagnieren oder zumindest langsamer steigen als gewohnt, was auch Gehaltssprünge deckeln würde - mit neuem TV-Deal und mehr Normalität im Alltag ist aber auch durchaus vorstellbar, dass wenn Mahomes' neuer Deal in zwei Jahren startet, der Salary Cap schon bald drauf und dran ist, rasanter zu steigen als jemals zuvor.
Die extrem lange Vertragsdauer, verglichen mit den Verträgen über vier, fünf oder maximal sechs Jahre, die ansonsten in der NFL der vergleichbare Standard sind, bringt so gesehen eine gewisse Unsicherheit mit sich und ist deutlich schwieriger zu prognostizieren - sofern man den eigenen Vertrag im Ligavergleich sieht und mit dem steigenden Cap abgleicht.
Gute Spieler wollen auch genau deshalb häufig lieber kürzere Verträge, um dann wieder auf den Markt zu kommen und möglichst frei neue verhandeln zu können. Die Diskussionen darüber, ob es ein Vier- oder ein Fünfjahresvertrag wird, soll einer der größten Streitpunkte zwischen den Dallas Cowboys und Dak Prescott sein.
Mahomes wählte einen anderen Weg. Und er spielte seine Karten sehr gut aus.
Jede Menge Macht für Mahomes
Der neue Vertrag sichert Mahomes über die zehn Jahre bis zu 477 Millionen Dollar zu, mit Boni-Zahlungen sind sogar bis zu 503 Millionen möglich. Nur 63 Millionen Dollar sind bei der Unterschrift garantiert, der Signing Bonus beträgt wohl nur zehn Millionen Dollar. Das gibt KC enormen Handlungsspielraum in den weiteren Jahren. Die Chiefs müssen dabei jeweils bis 2025 zwei und ab dann jeweils ein Jahr im Voraus Mahomes' Gehalt garantieren. Machen sie das nicht, müssen sie ihn entlassen - andernfalls wird die nächste garantierte Zahlung fällig.
So ist der Quarterback zwar für sehr lange Zeit an die Chiefs gebunden, doch durch die ungewöhnliche Vertragsstruktur ist er aufgrund des andernfalls drohenden Dead Caps für sehr lange Zeit quasi unkündbar.
Mahomes hat außerdem die Rekordbücher für Quarterback-Gehälter nebenbei neu geschrieben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der neueste Quarterback-Deal den bisherigen Spitzenreiter um ein bis drei Millionen Dollar pro Jahr überbietet. Mehr als vier Millionen dagegen sind schon enorm - Mahomes steht mit seinem neuen Deal mehr als zehn Millionen Dollar über dem noch aktuellen Topverdiener, Seattles Russell Wilson.
Ein solcher Sprung war auch für Mahomes nur möglich, weil er der langen Vertragslaufzeit zustimmte und auf die Gelegenheit verzichtete, noch vor seinem 30. Geburtstag potenziell wieder auf den Markt zu kommen oder zumindest mit deutlich stärkeren Argumenten einen neuen Vertrag in Kansas City aushandeln zu können. Doch ist das ein zweischneidiges Schwert.
In Kombination mit der neu verankerten No-Trade-Klausel hat Mahomes durch die Struktur des Deals, die von beiden Seiten bewusst langfristig angelegt ist, trotz der langen Vertragszeit noch jede Menge Macht, auch wenn sie indirekter Natur ist. Besser noch: Rechnet man die komplette finanzielle Absicherung für den Verletzungsfall dazu, entsteht das Bild eines Vertrags, der für beide Seiten unter dem Strich ein Gewinn sein kann.
Chiefs und Mahomes: Eine Win-Win-Situation
Selbst wenn der Salary Cap durch Corona über die nächsten Jahre stagniert oder langsamer wächst: Mahomes, dessen "neuer" Deal ohnehin erst in zwei Jahren beginnt, wird früher oder später nicht mehr der bestbezahlte Quarterback der Liga sein. Doch durch den enormen Sprung, den er jetzt im Vergleich zur bisherigen Gehalts-Spitze hingelegt hat, sowie die Bereitschaft, sich derart lange an die Franchise zu binden, wird es eine Weile dauern, bis Mahomes überholt wird.
Kansas City derweil hat mit diesem Vertrag den besten und wertvollsten Spieler der NFL, der noch vor seiner Prime steht, für zwölf Jahre an sich gebunden. Die kommenden beiden Jahre, in denen Cap-technisch eine gewisse Unsicherheit Einzug in die NFL erhalten könnte, finden noch unter Mahomes' Rookie-Vertrag statt.
Anschließend können die Chiefs gerade in den ersten Jahren - wenn die ersten großen Kader-Bonus-Zahlungen fällig werden - die lange Vertragsdauer mit vergleichsweise geringem Signing Bonus nutzen, um den Deal über die Zeit gelegentlich deutlich freier umzustrukturieren und bei Bedarf kurzfristigen Cap Space zu schaffen. Ab 2025 dann kann Kansas City Mahomes jeweils bevor die nächsten Garantien zugesichert werden mit dem Dead Cap von nur einem Jahr entlassen.
Und Mahomes? Komplette finanzielle Sicherheit hat einen Wert. Langfristige Planbarkeit, verteilt über verschiedene Punkte im Vertrag, hat einen Wert. Und seinem Team finanzielle Flexibilität in der Kaderplanung zu geben, während man gleichzeitig sämtliche finanziellen Benchmarks neu schreibt, ist es vielleicht auch einfach wert, ein wenig Leverage für den Fall eines idealen Verlaufs der eigenen Karriere in sieben oder acht Jahren sowie ein wenig garantiertes Geld im Vorfeld aufzugeben.
Das gilt umso mehr, und dieser Fakt sollte nicht unter den Tisch fallen, wenn man eine Heimat gefunden hat. Und dass die Chiefs ein Team und eine Kultur aufgebaut haben, in welcher der wertvollste Spieler der Liga sich für mehr als ein Jahrzehnt sehen kann, hat definitiv ebenfalls einen Wert.