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NFL: Carolina Panthers und der nicht ganz so radikale Umbruch - Mittelmaß durch Inkonsequenz?

Christian McCaffrey ist einer der Eckpfeiler der Offense der Carolina Panthers.
© getty

Die Carolina Panthers setzen mit Head Coach Matt Rhule auf einen Neuanfang. Personell sind sie dabei auf einem scheinbar gutem Weg, der aber womöglich nicht klar genug gegangen wird. So droht eine lange Phase des Mittelmaßes.

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Die Carolina Panthers haben sich aufgemacht, in diesem Jahr einen Neuanfang in die Wege zu leiten. Das beste Zeichen dafür war die Entscheidung für Matt Rhule, einen College-Coach, den man mit einem Siebenjahresvertrag ausgestattet hat, um die nahe und ferne Zukunft zu gestalten.

Die Free Agency allerdings verlief dann doch eher weniger richtungsweisend. Die Panthers tätigten zwar ein paar gute Einkäufe - man denke an Quarterback Teddy Bridgewater, Wide Receiver Robby Anderson oder den Trade für Offensive Tackle Russell Okung -, doch gleichzeitig ließen sie auch wichtige Leistungsträger ziehen.

Der aufstrebende Guard Trai Turner ging für Okung nach Los Angeles zu den Chargers. Zudem setzte man Quarterback Cam Newton letzten Endes vor die Tür, während mit Defensive End Mario Addison (Bills), Defensive End Bruce Irvin (Seahawks), Nummer-1-Cornerback James Bradberry (Giants) sowie den Defensive Tackles Vernon Butler (Bills), Gerald McCoy (Cowboys) und Dontari Poe (mutmaßlich auch Cowboys) gleich sechs mehr oder minder hochwertige Verteidiger ebenfalls nicht mehr im Kader stehen.

Damit nicht genug, denn Superstar-Linebacker Luke Kuechly hat seine Karriere beendet. Hier kann man dem Team kaum einen Vorwurf machen, die Baustellen in der Defense werden jedoch dadurch selbstredend nochmals bedeutend größer.

Während Bridgewater, Anderson und Okung sowie das Festhalten an Safety Tre Boston nahelegen, dass man direkt wieder angreifen will, sprechen die Abgänge und die neu geschaffenen Rahmenbedingungen beginnend mit Rhule eine ganz andere Sprache. Sie suggerieren einen tatsächlichen, tiefgreifenden Neuaufbau. Doch insbesondere die Bridgewater-Verpflichtung ist ein klares Zeichen, dass mindestens ein softer Rebuild das Ziel sein soll.

Um nämlichen einen wirklichen Umbruch anzustreben und Draft- sowie Cap-Ressourcen für die Zukunft anzusammeln, dafür sieht die neue Offense bereits jetzt zu vielversprechend aus.

Carolina macht Quarterback-Guru Joe Brady zum Offensive Coordinator

Denn zu den Spieler-Investitionen in die Offense passt die Tatsache, dass das Team mit Joe Brady einen wahren Quarterback-Guru aus dem College zurück in die NFL geholt und als Offensive Coordinator verpflichtet hat. Er war es essenziell, der LSUs Joe Burrow innerhalb relativ kurzer Zeit vom Durchschnitts-QB zum Heisman-Gewinner und höchstwahrscheinlichen Top-Pick im Draft gemacht hat.

Mit Bridgewater bekommt er nun einen Quarterback, der ohnehin schon eine gute Basis bietet und sich in einem sehr guten Alter (27) befindet. Beide haben zudem bereits in New Orleans vor zwei Jahren zusammengearbeitet und kennen sich dementsprechend.

Wohin also geht die Reise für die Panthers? Teameigner David Tepper hatte erst im Dezember betont, dass man manchmal ein Team auch komplett auseinander reißen müsse, um es dann behutsam wiederaufzubauen. Der Siebenjahresvertrag für Rhule unterstrich dies scheinbar, und als der Rücktritt von Kuechly und der Abgang von Greg Olsen feststanden, wurde diese Annahme scheinbar weiter untermauert.

Radikal aber scheint nun dennoch nur der Umbruch in der Defense zu sein. Offensiv hat es den Anschein, dass hier das Unvermeidliche hinausgezögert werden soll.

Auch das lässt sich an Verträgen der Protagonisten ablesen. Bridgewaters Deal ist essenziell auf zwei Jahre angelegt - aus dem dritten Jahr kommt man bei Bedarf recht kostengünstig heraus. Anderson unterschrieb ebenso für zwei Jahre, Okung wiederum wird bereits am Ende dieser Saison Free Agent.

Unterm Strich wird also die Defense bereits jetzt nahezu komplett auseinandergerissen. Die Offense jedoch klammert sich noch an einen Rest kurzfristige Ambition.

NFL: Langfristiger Erfolg bedingt eine stabile Defense

Das mag vielleicht kurzfristig das lokale Interesse hochhalten und noch mehr Zuschauer anlocken - sofern das gemäß der aktuellen Lage überhaupt eine Option wird -, letztlich aber könnte es den Gesamtprozess unnötig verlängern.

In der heutigen NFL werden Spiele in aller Regel durch die Offense gewonnen, konstanten Erfolg erlangt man jedoch zumeist nicht ohne eine zumindest stabile Defense. Das heißt: Die Panthers laufen eventuell mit ihrem aktuellen Kurs Gefahr, für ihre Zwecke zu gut zu sein, sprich: die richtig hohen Draftpositionen zu verpassen. Selbige wiederum wären bei einem radikalen Neuaufbau durchaus hilfreich.

So droht eine lange Periode des Mittelmaßes, was mit einem schlechteren Quarterback zum Beispiel verhindert werden könnte. Auch dürften Rhule und Brady letztlich mit dem aktuellen Personal ähnlich wie im Vorjahr Brian Flores bei den Dolphins dem kompletten Absturz im Wege stehen.

Ein wichtiger Indikator für den eingeschlagenen Weg wird indes die Draft-Strategie des Teams in diesem Jahr sein. Die Panthers haben ihre sieben Original-Draft-Picks sowie den Fünftrunden-Pick aus dem Trade von Kyle Allen nach Washington, beginnend mit dem siebten Pick insgesamt. Das allein schon macht die Sache interessant.

Will man trotz Bridgewater ein Top-Quarterback-Prospect für die Zukunft, könnte Position sieben schon zu spät sein. Mit den Bengals (#1), Dolphins (#5) und Chargers (#6) picken gleich drei Teams vor ihnen, die alle womöglich einen QB ziehen werden. Sogar die Lions (#3) und vielleicht sogar Redskins (#2) könnten theoretisch auch diesen Weg einschlagen. Insofern bliebe den Panthers in diesem Fall nur ein Up-Trade - oder eine andere Strategie.

Christian McCaffrey ist einer der Eckpfeiler der Offense der Carolina Panthers.
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Christian McCaffrey ist einer der Eckpfeiler der Offense der Carolina Panthers.

Panthers: Christian McCaffrey als Eckpfeiler der Offense

Doch lässt der Bridgewater-Vertrag eher vermuten, dass ein Quarterback frühestens im 2021er Draft ein Thema wird. Die Offense insgesamt hat noch ein paar Eckpfeiler übrig: Center Matt Paradis zählt zu den besseren der Liga, Running Back Christian McCaffrey ist einer der besten Running Backs überhaupt und mit Anderson hat das Receiving-Trio bestehend aus ihm, Curtis Samuel und D.J. Moore durchaus Potenzial.

Defensiv wiederum bleiben immerhin Linebacker Shaq Thompson und Edge-Rusher Brian Burns, der noch auf seinen Durchbruch wartet, sowie Boston und Defensive Tackle Kawann Short als Grundsteine für die Zukunft. Allerdings war die Defense bereits im Vorjahr eine Großbaustelle und eine große Schwachstelle dieses Teams, und hier ist man über die vergangenen Wochen um ein Vielfaches schlechter geworden.

Football Outsiders listete die Unit auf Rang 25 in der NFL. Die Offense wiederum war freilich noch schlechter (Rang 28), war jedoch aufgrund des Ausfalls von Newton ohnehin kompromittiert. Brady in Verbindung mit Bridgewater und McCaffrey allein dürfte hier eine Steigerung zur Folge haben.

Die Panthers werden durch Matt Rhule eine neue Kultur ins Team bringen, und durch Brady viele neue offensive Ansätze. Es ist ein spannendes Projekt, zu sehen, ob sich Bridgewater unter Brady nochmal zum Franchise-Quarterback aufschwingen kann.

Aber der Kader nach der bisherigen Offseason könnte Carolina letztlich einen langen Aufenthalt im tristen Mittelfeld bescheren. Grund dafür wäre dann auch der nicht ganz so klare eingeschlagene Kurs.

NFL Draft 2020: Die Picks der Carolina Panthers

RundePick
17
238
369
4113
5148 (Redskins)
5152
6185
7222
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