Über weite Strecken der ersten Hälfte fühlte sich die Partie wesentlich deutlicher zugunsten der Niners an als das Scoreboard verriet. San Francisco startete mit einem Bilderbuch-Play-Action-Drive, an dessen Ende Garoppolo (11/19, 131 YDS, TD, INT), ebenfalls via Play Action, Bourne zum Touchdown fand. Bei den Vikings dagegen überwog in der ersten Hälfte zumindest mit Blick auf die eigene Offense ein anderes Gefühl: Angst.
Das offensive Play-Calling der Vikings ging von konservativ bis ängstlich, regelmäßig wurde nach erfolglosem First-Down-Run ein weiterer bei Second Down draufgepackt - und dann stand schnell ein langes Third Down, gefolgt vom Punt. Cousins (21/29, 172 YDS, TD, INT) suchte derweil regelmäßig den Checkdown und ließ so auch Big Plays liegen, gleichzeitig verfehlte er mehrfach auch seine Receiver - im Endeffekt waren es zwei Plays, die die Partie zur Halbzeitpause eng hielten.
Gleich beim zweiten eigenen Drive kam Minnesota in ein kurzes Third Down und bekam da die Coverage, auf die die Vikings gewartet hatten: Eins-gegen-Eins mit nur einem freien Zone-Verteidiger außen. Das gab Diggs ein Eins-gegen-Eins, bei welchem er Witherspoon abkochte und den langen Touchdown fing.
So konnte Minnesota zwischenzeitlich ausgleichen, kurz vor der Halbzeitpause zog dann die Defense nach: Garoppolo übersah zum wiederholten Male Kendricks, als der sich in Coverage zurückfallen ließ - dieses Mal schnappte der Linebacker zu und fing die Interception. Minnesotas Offense konnte damit zwar fast nichts machen, zumindest aber ein Field Goal sprang noch heraus. So stand statt 21:7 ein 14:10 auf dem Halbzeit-Scoreboard.
Vikings-Offense enttäuscht - Niners gewinnen
Doch auch wenn die Niners Minnesota im Spiel hielten - inklusive des ersten Drives nach der Halbzeitpause, als San Francisco bei 4th&2 tief in der gegnerischen Hälfte auf das Field Goal ging, statt das Down auszuspielen -, gab es für die Vikings-Offense schlicht keinen Weg in diese Partie: Direkt nach dem Fiel Goal waren Thielen und Cousins über die Mitte nicht auf einer Wellenlänge und Richard Sherman fing eine der einfacheren Interceptions seiner Karriere.
Das war die Vorentscheidung. San Francisco dominierte jetzt die Line of Scrimmage und stand wenige Plays später in der Endzone, ehe dann auch noch Minnesotas Special Team einknickte: Nachdem die Defense beim nächsten Niners-Drive gegen eine jetzt zunehmend konservative 49ers-Offense den schnellen Punt erzwungen hatte, ließ Returner Sherels tief in der eigenen Hälfte den Ball fallen und die 49ers legten ein weiteres Field Goal nach.
Es war mehr als nur die Vorentscheidung, denn von der Vikings-Offense kam schlicht überhaupt nichts - so konnte San Francisco auch schrittweise davonziehen, ohne selbst zu großes Risiko zu gehen. Das NFC Championship Game steigt in der Bay!
No. 1 San Francisco 49ers - No. 6 Minnesota Vikings
Ergebnis: 27:10 (7:7, 7:3, 10:0, 3:0) BOXSCORE
49ers vs. Vikings - die wichtigsten Statistiken
- Die Niners gingen mit 63 Rushing Yards in die Halbzeitpause - und liefen in der zweiten Hälfte, mit der Führung im Rücken, fast nach Belieben: 46 (!) Runs für 187 Yards standen am Ende zu Buche. Minnesota dagegen, trotz Play-Calling-Sturheit, kam auf 21 Rushing-Yards, was der Wegbereiter für viele lange Third Downs war.
- San Franciscos Defense war dominant: In der ersten Hälfte ließen die Niners zwar den 41-Yard-Touchdown von Stefon Diggs zu - bei den 20 anderen Plays standen 42 Yards für Minnesotas Offense zu Buche. Davon kamen 27 im Passing Game (Sacks abgezogen) und 14 im Run Game.
- Als das Spiel schon längst in der Garbage Time war - vier Minuten vor Spielende - hatte die Vikings-Offense fünf (!) First Downs produziert. San Francisco stand zu diesem Moment bei derer 21. In der Schlussphase des dritten Viertels hatte San Francisco mehr Punt-Return-Yards produziert (23) als Minnesota Rushing-Yards auf dem Konto hatte (15).
- Nach diesem Spiel hat Cousins eine Bilanz von 0-17, wenn er auswärts mit mindestens 14 Punkten zurückliegt. Garoppolo dagegen steht 7-0 zuhause, wenn er mit mindestens 14 Punkten führt.
Der Star des Spiels: San Franciscos O-Line
Es war ein Spiel, in dem individuell kein Spieler alleine die Partie an sich riss. Beide Quarterbacks hatten ihre Probleme und Fehler, Kendricks in Minnesotas Defense sowie Bosa für San Francisco hatten jeweils die auffälligsten Auftritte. Die dominanteste Unit aber war San Franciscos O-Line. Die Nines blockten nicht nur den in der Vorwoche noch so starken Vikings-Pass-Rush exzellent, in der zweiten Hälfte war San Francisco phasenweise auch herausragend im Run-Blocking an der Line of Scrimmage.
Der Flop des Spiels: Minnesotas Play-Calling
Die große Enttäuschung des Spiels war Minnesotas Offense, und das war maßgeblich selbst verschuldet - das Play-Calling war ein Desaster, während Cousins nur auf Sicherheit bedacht spielte. Immer wieder liefen die Vikings bei First Down völlig ineffizient. Immer wieder folgte dann ein weitere Run oder ein Sicherheits-Pass bei Second Down, gefolgt von einem langen Third Down, wo dann ein Sack oder ein viel zu kurzer Pass kam. Ganz zu schweigen von den Punts im Schlussviertel bei deutlichem Rückstand. Das Vikings-Play-Calling über das gesamte Spiel wirkte wie das eines Teams, das mit zwei Touchdowns führte. Und einen Plan B gab es offensichtlich nicht.
Analyse: 49ers vs. Vikings - die Taktiktafel
- Eine zentrale Frage im Vorfeld der Partie lautete: Welche Offense kann mehr Big Plays über das Play-Action-Passspiel aufziehen? Für beide Teams ist das ein elementarer Bestandteil der Offense und beide Quarterbacks sind maßgeblich davon abhängig. Die Antwort wurde relativ schnell klar: San Francisco war dieses Team.
- Die Niners hatten einmal mehr exzellente Designs, um Spieler mit verschiedenen Motion-Sets und aus ähnlichen Formationen via Play Action komplett offen zu bekommen. Gleich der ganze erste Drive war ein Play-Action-Meisterstück, noch bevor der Run eine Chance hatte, etabliert zu werden.
- Dabei wurde auch klar, dass Shanahan es genau auf die antizipierten Matchups abgesehen hatte. Gleich früh im Spiel attackierte er sowohl Anthony Barr - den schwächeren der beiden Vikings-Linebacker - als auch Andrew Sendejo im Slot, der nur aufgrund der extrem dünnen Personallage in der Secondary dort abermals ran musste, gezielt. Mehrfach ging dieser Plan auch früh auf. Umgekehrt ging San Francisco früh ins Run Game, sobald die Vikings Pre-Snap zwei tiefe Safeties aufboten und so eine leichtere Box präsentierten.
- Defensiv derweil versuchte Minnesota, ähnlich wie gegen die Saints, bei offensichtlichen Passing-Downs die beiden Edge-Rusher Danielle Hunter und Everson Griffen über die Guards attackieren zu lassen. Auch standen gelegentlich beide auf einer Seite. Doch der Effekt war nicht ansatzweise vergleichbar mit dem Saints-Spiel, San Franciscos Guards hielten hier viel besser.
- Umgekehrt versuchten die Niners das ebenfalls einige Male, mit Bosa und Ford bei offensichtlichen Passing-Downs nebeneinander in der Formation. So kam auch Fords Third-Down-Sack kurz vor der Halbzeitpause zustande. Generell rotierten die 49ers ihre angeschlagenen Rückkehrer (Ford, Kwon Alexander) von Anfang an etwas durch, Ford kam häufiger erst bei Third Down rein.