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Die Offense der San Francisco 49ers unter der Lupe - Die beste Maschine der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt im Detail auf die Offense der San Francisco 49ers.
© getty
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49ers Play Action: Wo die Big Plays herkommen

Die meisten Yards im Schnitt nach dem Catch, die prozentual wenigsten tiefen Pässe, eine extrem geringe Target-Tiefe (6,5 Average Intended Air Yards, nur Derek Carr warf den Ball unter Quarterbacks mit mindestens 200 Pässen im Schnitt noch kürzer) und die dritthöchste Expected Completion Percentage aller Quarterbacks - es ist absolut kein Geheimnis, wie San Francisco Defenses im Passspiel attackieren will: Yards nach dem Catch und möglichst viele offene Fenster. Das funktioniert maßgeblich über das Play-Action-Passspiel.

Nur Jameis Winston warf für mehr Yards pro Play Action Pass (11,9) als Garoppolo (10,8). Rein mit Blick auf die 49ers betrachtet: Wenn Garoppolo den Ball per Play Action warf, erzielte San Francisco im Schnitt 3,6 (!) Yards mehr als im regulären Dropback Passing Game. Eine gewaltige Differenz, die ebenfalls nur von Winston (4,5 Yards mehr per Play Action) übertroffen wurde.

Und hier kommt man zu einem übergreifenden Punkt für diesen Artikel, aber auch für beide Offenses im Quervergleich: Kansas City ist unheimlich gut darin, mit seinen spezifischen Waffen Gegner zu attackieren. Die Chiefs bereiten Defenses mit Speed, mit Route-Kombinationen und mit einer exzellenten Mischung aus Play-Designs und individueller Qualität enorme Probleme.

Die 49ers auf der anderen Seite, und das soll keine Kritik an einem der beiden Teams sein, gewinnen mehr via Scheme als es die Chiefs tun. Bedeutet: Betrachtet man Kansas Citys Offense, hat man häufiger den Eindruck, dass Lauf- und Passspiel gewissermaßen getrennt nebeneinander herlaufen. Die Designs funktionieren glänzend und zielen darauf ab, das zu attackieren, was die Defense zeigt. Aus defensiver Sicht aber ist es nicht das oberste Problem, aufeinander aufbauende Plays richtig zu erkennen und Nuancen zu identifizieren.

San Francisco ist in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil dazu. Bei Shanahan baut alles aufeinander auf, und mit Abstand am deutlichsten macht das das Zusammenspiel zwischen dem Outside Zone Run Game und dem Play-Action-Passspiel.

Wie funktioniert San Franciscos Play-Action-Passspiel?

Schnelle In-Breaking-Routes bevorzugt aus Bunch-Formations, Play-Designs, bei denen Receiver gegen Man Coverage mit Tempo über die Mitte ihren Gegenspielern davonlaufen können, schnelle Out- und Comeback-Routes - das alles sind Dinge, die man im normalen Dropback-Passing-Game bei den 49ers regelmäßig sieht.

Doch um im Thema zu bleiben: So gefährlich wird San Franciscos Offense vor allem via Play Action. Und der zentrale Grund dafür ist, dass die Defense vor und auch zum Teil noch kurz nach dem Snap nicht weiß, was auf sie zukommt.

Doch wie funktioniert das? Beispielhaft folgen vier Designs, deren Grundelemente genau diese Frage beantworten; und die im Kern auch zeigen, was Shanahan im Play-Action-Passspiel macht und auf was die Chiefs Antworten finden müssen.

Das erste Play ist aus dem kritischen Seahawks-Spiel in Woche 17 und es zeigt beispielhaft, wie Shanahan einerseits Räume kreiert, andererseits aber auch einzelne Verteidiger auf eine falsche Fährte lockt. In dem Fall sind es die beiden Tight Ends (linke Seite der Formation, der äußerste und der direkt an der Offensive Line postierte Spieler), welche beide erst in Richtung des vermeintlichen Outside Zone Designs ebenfalls Blocks andeuten, ehe sie dann zurück in eine Route arbeiten.

Die ganze Defense wird dabei erst in die (aus Sicht der Offense) rechte Seite in Bewegung gebracht, das betrifft insbesondere die Linebacker, die Shanahan generell im Passspiel bevorzugt isoliert und attackiert. Die Routes kreieren dann ein Flood-Konzept auf die Backside des angetäuschten Run Plays, also überladen die linke offensive Seite mit drei Routes unterschiedlicher Tiefe.

Das bringt den Outside Corner in eine schwierige Situation, in dem Fall stimmt auch etwas in der Übergabe der einzelnen Routes in Seattles Secondary nicht. Im Endeffekt ist Kittle, im Moment des Snaps der am weitesten links postierte Spieler, komplett frei, Garoppolo muss nur einen kurzen Dumpoff-Pass werfen und den Rest erledigt Kittle nach dem Catch.

49ers: Leak-Plays und offene Receiver

Einige der offensten Big Plays kamen durch diese Kombination zustande; durch einen angetäuschten Block mit anschließender Route, durch das Stressen der Defense auf verschiedenen Ebenen und nicht selten dann schlicht durch die Tatsache, dass ein Spieler in der Coverage "vergessen" wurde.

Dabei war vermutlich kein Play zerstörerischer als die verschiedenen Ausprägungen des "Leak"-Konzepts.

Die Szene hier zeigt Goodwins 38-Yard-Touchdown gegen die Bengals, via einer Leak-Route - hier: die kurze Crossing Route über die Mitte, die Goodwin dann auf der linken Seite der Formation vertikal Richtung Endzone trägt.

Die Idee hinter dem Leak-Konzept lautet: Die Line täuscht einen Run-Block in eine Seite an, nach der angetäuschten Ballübergabe an den Running Back rollt der Quarterback auf der anderen Seite aus der Pocket.

Bei der "Leak"-Route täuscht der Receiver - in vielen Playbooks ist es eher ein Tight End, Shanahan spielt sie hier mit seinem schnellsten Wide Receiver - vor, dass er in Richtung des vermeintlichen Run Plays einen Linebacker sucht, den er aus dem Weg räumen könnte.

Die Defense wird also zweierlei getäuscht: Erst reagiert sie auf den Run-Fake, nur um dann zu sehen, dass der Quarterback den Ball hat. Das wiederum hat nicht selten zur Folge, dass eine Kurs-Überkorrektur stattfindet - immerhin sind die meisten Play-Action-Pässe so designt, dass die entscheidenden Routes auf der Seite stattfinden, auf die sich der Quarterback bewegt hat, damit er eben nicht quer über das Feld werfen muss.

Hier aber passiert genau das, worauf Shanahan aus ist: Die Verteidiger vergessen Goodwin, und der ist komplett offen für den einfachsten Touchdown, den man sich vorstellen kann. Auch Leak-Konzepte hat San Francisco dieses Jahr in verschiedenen Varianten gespielt.

Das gilt auch für Blocker aus dem Backfield. Das kann ein vermeintlicher End-Around- oder Jet-Sweep-Spieler sein, der plötzlich nach (doppeltem) Run Fake zum Receiver wird, ganz positionsbezogen funktionieren solche Konzepte aber auch in der Red Zone. Wenn der Platz und somit auch die offensiven Möglichkeiten beschränkter werden, gilt es, Räume zu kreieren - Shanahan macht das gerne mit seinen Tight Ends und dem Fullback.

Dieses Play zeigt einen Short-Yardage-Touchdown gegen die Falcons. Die 49ers kommen in einer extrem engen Formation raus, alle Indikatoren deuten hier, was die Spielsituation und die Formation angehen, auf einen Run hin. Und so blocken es die Niners auch.

Nach dem Play Action Fake starten zunächst nur die beiden Tight Ends in ihre Route, und die sind kritisch: Der linke Tight End bindet Verteidiger im Zentrum, der rechte Tight End dient als Rub-Route-Spieler. Heißt: Seine Route verhindert, dass der Linebacker aus dem Zentrum direkt nach außen laufen und den Fullback verfolgen kann, nachdem er das Play erkannt hat.

Diese Verzögerung, weil der Linebacker erst um den Tight End und den äußeren Verteidiger herumkommen muss, reicht, damit Juszczyk genug Separation für den Touchdown kreiert.

Eine letzte Variante, und hier ist so ziemlich alles vertreten:

Besonderes Big-Play-Potenzial nach dem Catch haben die Play-Designs der Niners, bei denen Screens via Play Action gespielt werden.

Ein solches Beispiel haben wir hier. Beginnend mit dem angetäuschten Jet Sweep (blau) faken die Niners einen Run nach rechts - ein Konzept, das San Francisco auf verschiedenste Arten genau so tatsächlich mit einem Run ebenfalls spielt. Die Defense ist also zumeist auf dem Schritt nach (aus Sicht der Offense) rechts, wo auch die Line eindeutig hinblockt.

Das eigentliche Play aber ist ein Screen zu Kittle (grün markiert). Der Center und der Left Tackle ziehen nach ihren vermeintlichen Blocks in Richtung der Run-Playside zurück auf die andere Seite und fungieren als Vorblocker. Kittle, nachdem er seinen Block angedeutet hat, dreht sich zu Garoppolo herum.

Als Kittle den Ball fängt, hat er zwei Blocker gegen drei Verteidiger vor sich, von denen einer allerdings nicht den Winkel hat, um den schnellen Tight End einzuholen. Das Play unter dem Strich ist also ein Pass von Garoppolo für -3 Yards in ein komplett offenes Fenster, aus welchem Kittle nach dem Catch einen Raumgewinn von 13 Yards rausholt.

Diese Art Plays machen San Franciscos Offense aus, und sie fordern eine immense Disziplin und Reichweite sowie hohes Spielverständnis von der Defense, um sie zu stoppen.