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Carson Wentz: Wenn das Risiko zur großen Chance wird

Von Pascal De Marco
Carson Wentz verpasste in den letzten zwei Saison acht Spiele.
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Die Philadelphia Eagles haben Carson Wentz mit einem teuren Vier-Jahres-Vertrag ausgestattet und sprechen dem Quarterback damit den ultimativen Vertrauensbeweis aus - der nicht gerade mit einem geringen Risiko verbunden ist. SPOX erklärt, warum die Eagles den Deal eingegangen sind und was er für den Quarterback-Markt bedeutet.

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Es ist ein Prozess, vor dem sich keine Franchise verstecken kann: Die für einen Quarterback zu zahlenden Gelder steigen rasant an. Von Offseason zu Offseason. Von Unterschrift zu Unterschrift.

Die Entwicklung hat zu Folge, dass selbst Quarterbacks, die qualitativ noch nicht oder gerade einmal zu den Top Ten gehören, mit einem neuen Vertrag schnell an die Spitze der Top-Verdiener der Liga gespült werden. So war es in der Offseason 2018 beispielsweise bei Alex Smith, Derek Carr, Jimmy Garoppolo und Kirk Cousins der Fall.

In dieser Offseason durfte sich mit Russell Wilson einer der Elite-Quarterbacks über einen in allen Belangen gerechtfertigten Zahltag freuen, was die Reihenfolge der Top-Verdiener in der NFL zumindest wieder ein wenig zurechtgerückt hat. Die Meldung vom Donnerstag, dass die Eagles Wentz mit einem Vier-Jahres-Vertrag über 128 Millionen Dollar ausgestattet haben, der ab der Saison 2021 in Kraft tritt, lässt da sicherlich mehr Diskussionsspielraum.

Wentz spielte zwar über weite Strecken seiner zweiten NFL-Spielzeit auf MVP-Level, schwere Verletzungen häuften sich allerdings an. Seine Spitzen-Form konnte er seit einem Kreuzbandriss im Dezember 2017 nicht mehr erreichen. Die Eagles sind sich des Risikos allerdings bewusst. Sie sind schon beim Draft 2016 All-In für die Karte Wentz gegangen. Warum sollten sie nun von ihrem Kurs abweichen?

Carson Wentz: Eine lange Krankenakte

"Carson langfristig an uns zu binden ist unser Ziel", kündigte Vizepräsident Howie Roseman schon beim Eigentümer-Treffen im März an. Man würde "daran arbeiten", obwohl Wentz noch für diese und die kommende Saison unter Vertrag stand. Und auch Eigentümer Jeffrey Lurie war trotz der Verletzungshistorie des Quarterbacks "absolut" davon überzeugt, frühzeitig Tinte auf den neuen Arbeitsvertrag des 26-Jährigen zu setzen.

Wentz absolvierte 2017 eine MVP-Kaliber-Saison, als er neben seinem hervorragendem Wurfarm und dem bereits fortgeschrittenen Lesen der gegnerischen Defense, vor allem auch seine herausragende Athletik immer wieder effektiv zum Einsatz bringen konnte. Drei Wochen vor Ende der Regular Season riss er sich im Spiel gegen die Los Angeles Rams jedoch das Kreuzband.

Nachdem der zweite Pick des Drafts 2016 von der Seitenauslinie verfolgte, wie sein Ersatzmann Nick Foles die Eagles zum Super Bowl führte und er zwei weitere Spiele der Saison 2018 aussetzen musste, kam ein limitierter Wentz zurück auf das Feld. Über die gesamte Saison konnte der fast zwei Meter große Playcaller nur bedingt überzeugen und spielte teilweise noch mit angeschlagenem Selbstvertrauen, bevor ihn eine Stressfraktur im Rücken im Dezember wieder außer Gefecht setzte.

Verletzungen sind nichts neues für das Ausnahme-Talent. Schon vor seinem Kreuzbandriss 2017 war die Akte Wentz in diesem Bereich gefüllt. In der Preseason seiner Rookie-Saison brach er sich mehrere Rippen, im College das Handgelenk. Außerdem wurde in seinem Freshman-Jahr in North Dakota State eine anderweitige Stressfraktur im Rücken festgestellt, als die, die ihn das Finale der abgelaufenen NFL-Saison kostete.

Carson Wentz riss sich im Dezember 2017 während einer Fabelsaison das Kreuzband.
© getty
Carson Wentz riss sich im Dezember 2017 während einer Fabelsaison das Kreuzband.

Roseman: "Glauben, dass wir so weit kommen, wie er uns trägt"

Dementsprechend wäre es doch eigentlich naheliegend gewesen, wenn sich die Eagles die kommende Saison mit Wentz erst einmal angesehen hätten. Um zu evaluieren, wie sich der Quarterback denn nach einer ausgiebigen Regenations- und Muskelaufbauphase wieder hätte heranarbeiten können.

Um zu sehen, ob Wentz die Verletzungsproblematik abschütteln und wieder an sein MVP-Level von 2017 anknüpfen kann.

Roseman und Lurie jedoch scheinen sich um die Gesundheit ihres Juwels keine Sorgen zu machen.

"Er ist immer hier. Er studiert Tapes. Er ist ein großartiger Leader, smart und so passioniert, was seinen Job angeht", erklärt ein euphorisierter Roseman im März. "In Philadelphia glauben wir, dass wir so weit kommen werden, wie er uns trägt. Unsere Verantwortung ist es, ihm Talent zur Seite zu Stellen."

Philadelphia Eagles: Die Säulen sind unberührbar

Die Eagles sind dabei in den vergangenen Jahren über einen aggressiveren Ansatz gekommen als die Konkurrenz. Man hat alle möglichen Analysen vorgenommen, um das Talent und den Anteil am Erfolg des Einzelnen im eigenen Haus zu evaluieren. Spieler, die man für seine Entwicklung als unverzichtbar angesehen hat, hat man schon frühzeitig an sich gebunden.

So geschehen bei Tight End Zach Ertz, Receiver Alshon Jeffery, Tackle Lane Johnson, Center Jason Kelce und Defensive Tackle Fletcher Cox. Sie alle stehen über mehrere Jahre zu verhältnismäßig vollkommen vertretbaren Bezügen unter Vertrag. Um diese Stützen herum sollen in Philly nur kurzfristige Verträge ausgehändigt werden. Dazu kommen Rookies, die bei überdurchschnittlichen Leistungen problemlos gehalten werden können.

Dass die Eagles Wentz jetzt mit einem neuen Vertrag ausstatten, kommt freilich mit einem Risiko. Das Team jedoch ist sich der gesundheitlichen Situation des ausgemachten Franchise-Quarterbacks besser bewusst als jeder andere. Und Wentz jetzt an sich zu binden, hat signifikante Vorteile.

SpielerPositionAlterBase Salary (2019)Cap Hit (2019)Vertrag bis
Fletcher CoxDT2812.900.000 Dollar24.872.000 Dollar2023
Carson WentzQB2622.783.000 Dollar22.783.000 Dollar2024
Alshon JefferyWR2912.750.000 Dollar15.975.000 Dollar2021
Lane JohnsonOT296.195.000 Dollar13.591.500 Dollar2023
Zech ErtzTE287.750.000 Dollar13.236.500 Dollar2023
Jason KelceC311.500.000 Dollar6.414.000 Dollar2024

Patrick Mahomes: Die Verlängerung wirft Schatten voraus

Der Spieler, der Wentz' Rolle als kommender Superstar eingenommen hat, ist Patrick Mahomes. Der Quarterback, der die Liga im Sturm an sich gerissen und für seine Leistungen in der abgelaufenen Saison mit dem MVP-Award ausgezeichnet wurde, ist nach der kommenden Saison dazu berechtigt, einen neun Vertrag zu unterzeichnen.

Es ist kein Geheimnis, dass ob der Entwicklungen auf dem Quarterback-Markt der Mahomes-Vertrag in vollkommen neue Dimensionen schießen wird. Zwar sind sich die Chiefs um den Lockruf eines derart hochgradig veranlagten Quarterbacks, welchen man lediglich zu Rookie-Bezügen bezahlen muss, und die damit größer einherkommende Titelchance bewusst. In eine Drucksituation will man beim neuen Stern der Liga jedoch nicht. Außerdem steht das neue CBA vor der Tür.

Das neue Mahomes-Papier wird ligaweit großartige Auswirkungen haben. Wentz deshalb schon jetzt langfristig an sich zu binden, kann den Eagles langfristig sehr große Einsparungen einbringen - insbesondere, falls Wentz wieder an seine Leistungen aus der 2017er-Saison anknüpfen kann. Spielt Wentz 2019 gut, wäre er nach der kommenden Saison ein gutes Stück teurer geworden, das steht außer Frage.

Philly weiß darüber hinaus genau, mit welchem Budget man für die kommenden Jahre planen kann. Man vermeidet jegliche negative Begleiterscheinungen langwieriger Vertragsverhandlungen, wie sie in der NFL in Mode zu kommen scheinen. Man gibt seinem Quarterback ein Zeichen des Vertrauens und hält darüber hinaus an dem aggressiven Weg fest, den man eingeschlagen hat.

2016 hat man im Draft teuer für Wentz nach oben getradet, weil man daran geglaubt hat, dass er der Franchise-Quarterback werden kann, nach dem man sich sehnte. Nun hat man daran geglaubt, ihn zu Konditionen halten zu können, die den Deal schon bald als wahnsinnig günstigen aussehen lassen.

Dak Prescott: Wentz-Vertrag setzt Cowboys unter Druck

Auf besonders großes Interesse dürfte der Deal vor allen Dingen in der eigenen Division stoßen. Hier nämlich wartet Cowboys-Quarterback Dak Prescott auf eine akzeptable Offerte der Jerry-Jones-Entourage. Und da Prescott selbst nicht in der ersten Runde des gleichen Drafts wie Wentz gezogen wurde, halten die Boyz auch keine Option für ein fünftes Vertragsjahr.

Dallas also kann sich - entgegengesetzt zu den Los Angeles Rams mit Jared Goff - keine Zeit mehr lassen und der Wentz-Deal spielt Prescott in die Karten. Dak mag nämlich keine derart große Upside im Vergleich zu Phillys Franchise-QB haben, doch hat er noch kein einziges Spiel seiner NFL-Laufbahn verpasst und sein Team genau wie Wentz schon zweimal in die Playoffs geführt.

Jones will Prescott nach eigener Aussage unbedingt halten, doch solle der Quarterback einen Vertrag unterzeichnen, der dem Team keine allzu großen Fesseln auflegt. Dallas ist schließlich der Markt, in dem ein Quarterback abseits der Franchise größere Deals abschließen, als an jedem anderen Ort.

Prescott jedoch sieht den neuen Wentz-Deal mit einem Wert von 32 Millionen Dollar pro Jahr und deutet mit dem Finger darauf. Eine Verlängerung wird für die Cowboys gerade aufgrund seines geringen Gehalts im Jahr 2019 zum Problem. Hier nämlich verdient Prescott nur 2 Millionen Dollar. Dallas würde drastisch überbezahlen müssen, um Prescott auf eine ähnliche Pro-Jahr-Basis zu bekommen, wie die, auf der sich Wentz nun befindet.

Wentz: Neuer Deal spätestens mit 31

Ein fallender Stein kann auf dem Quarterback-Markt soviel verändern. Die Eagles für ihren Teil sind eine riskante Wette eingegangen, die zu ihrer Philosophie passt und die sich schon sehr bald auch finanziell für das Team auszahlen kann. Die Auswirkungen werden aber nicht nur bei ihnen Konsequenzen nach sich ziehen.

Für Wentz hingegen ist das Thema glücklicherweise erledigt, bevor es überhaupt angefangen hat. Der neue Deal wird auslaufen, wenn der Quarterback 31 ist. Bis dahin wird er gezeigt haben, ob er noch einmal an seine MVP-Leistungen anknüpfen kann.

Und was sich bis dahin auf dem Quarterback-Markt alles geändert hat, ist noch nicht einmal ansatzweise abzusehen. Nach der Saison 2020 läuft das aktuelle CBA aus. Die Eagles werden nicht das einzige Team sein, das an frühzeitiger Planungssicherheit interessiert ist.

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