Der Start in das AFC Championship Game setzte aus Patriots-Sicht genau da an, wo das Divisional-Duell mit den Chargers aufgehört hatte: New England wollte den Ball laufen, und genau das taten die Pats auch. Von Anfang an setzten die Gäste intensiv auf das Run Game, ganz konkret auch bei First Down. Der erste Drive endete nach 15 Plays, 80 Yards und über 8 Minuten sowie 10 Rushing-Versuchen mit einem kurzen TD-Run von Sony Michel.
Und die Defense leistete ihren Beitrag, damit dieser Ansatz zunächst auch funktionierte. Mahomes (16/31, 295 YDS, 3 TD) hatte früh einige ungenaue Pässe und New England konnte Kansas Citys Quarterback mit Inside-Pressure häufig unter Druck setzen; nach einem schnellen Chiefs-Punt marschierten die Pats wieder mit zehn Plays bis an die 1-Yard-Line. Dort aber kam es zum ersten Fehler: Brady (30/46, 348 YDS, TD, 2 INT) warf via Play Action einen desolaten Pass spät über die Mitte in Coverage, Ragland schnappte zu.
Doch die Defense blieb herausragend. Zwar brachte Mahomes etwas später schließlich doch sein erstes Big Play an, ein weiterer langer Pats-Sack beförderte KC aber aus der Field-Goal-Reichweite, nachdem Mahomes einen offenen Touchdown verfehlt hatte. New England konterte mit einem 90-Yard-Drive, an dessen Ende Brady mit einem der wenigen vertikalen Pässe Dorsett zum 29-Yard-Touchdown fand. Es war eine eindrucksvolle erste Hälfte der Pats, insbesondere defensiv.
Die zweite Halbzeit bekam dann aber direkt eine andere Schlagzahl: beim ersten Drive nach der Pause fand Mahomes mit einem seiner spektakulären Scramble-Plays zunächst Watkins für 54 Yards, direkt danach war Kelce zum Touchdown offen und plötzlich stand es nur noch 14:7. New England konnte jetzt nicht mehr diese eindrucksvollen langen Drives aneinanderreihen, während Kansas Citys Offense immer häufiger gute Matchups fand.
AFC Championship: Patriots schlagen Chiefs!
Wenn Mahomes aus der Pocket kam und dort Plays ausdehnen konnte sowie wenn Running Back Damien Williams ins Passspiel involviert wurde - dann war Kansas City gefährlich! Und so war es auch Williams, der Mahomes' zweiten Touchdown-Pass fing, und während New England im Passspiel länger nicht mit Big Plays antworten konnte, waren die Chiefs bis auf drei Punkte ran gekommen. Das war der Wegbereiter für die kurioseste Szene des Abends.
Nach einem Chiefs-Punt hatte Edelman den Ball scheinbar berührt, konnte ihn aber nicht sichern - Turnover? Zahlreiche Zeitlupen jedoch legten nahe, dass der Ball um Haaresbreite über Edelmans Hände gesprungen war, nach minutenlanger Pause revidierten die Refs den Call auch tatsächlich! Doch es ging hochdramatisch weiter: unmittelbar danach konnte Edelman einen Pass nicht kontrollieren und dieses Mal gab es keinen Zweifel: der Abpraller landete bei Daniel Sorensen zur Interception, dieses Mal gab es den Turnover.
Kurz darauf fand Mahomes Williams gegen den Blitz zum Screen-Touchdown und die Chiefs waren erstmals vorne. Von allzu langer Dauer war das aber nicht, die Pats antworteten mit einem langen Drive und bei 4th&Inches marschierte Michel aus neun Yards in die Endzone, Pats wieder vorne, und auf beiden Seiten blieben sehr enge und auch zweifelhafte Calls der Refs ein Thema. Der Schlussspurt wurde aber auch rein sportlich absolut herausragend.
Eine Rub Route zu Watkins öffnete die Tür für das nächste Chiefs-Big-Play, Williams brachte KC wieder in Führung - mit einem weiteren schnellen Drive aber blieben zwei Minuten auf der Uhr für New England! Das sollte sich als zu viel entpuppen: Brady, der riesiges Glück hatte, dass eine potentiell entscheidende Interception aufgrund einer Strafe gegen Dee Ford nicht zählte, fand mehrfach offene Receiver, ein spektakulärer Catch von Gronk - und ein 4-Yard-Touchdown von Burkhead brachte die Pats 39 Sekunden vor dem Ende in Führung. Aber Mahomes war noch nicht fertig: zwei Big Plays, und KC war in Field-Goal-Reichweite; Overtime.
Dort aber sollte Mahomes den Ball nicht mehr sehen: New England gewann den Coin Toss, Brady fand mehrfach bei Third Down Edelman und komplett passend zur eigenen Identität erfolgte der Game-Winner durch Burkhead aus kurzer Distanz aus der I-Formation. Die Pats stehen erneut im Super Bowl!
Chiefs vs. Patriots - die wichtigsten Statistiken
No. 1 Kansas City Chiefs vs. No. 2 New England Patriots 31:37 OT (0:7, 0:7, 7:3, 24:14, 0:6) BOXSCORE
- New England wollte den Ball erneut laufen - und das klappte: 48 Runs für 176 Yards und vier Rushing-Touchdowns (zweimal Michel, zweimal Burkhead). Kansas City war im Run Game komplett harmlos (12 ATT, 41 YDS, TD), vor allem aber waren die Sacks ein Problem: vier Sacks für 46 (!) Yards Raumverlust kassierte Mahomes.
- Die Interception von Brady hat schon fast historischen Charakter! Seit 2001 gab es in den Playoffs nur zwei Interceptions von der gegnerischen 1-Yard-Linie: Kurt Warners Pick Six zu James Harrison direkt vor der Halbzeitpause in Super Bowl 43 - und Russell Wilsons berüchtigte Interception im Super Bowl 49 gegen die Patriots. Gleichzeitig aber war es für Brady das erste Spiel in seiner Karriere mit einem Opening-Drive-Touchdown in einem Playoff-Auswärtsspiel.
- Tom Brady stand vor dieser Partie bei 72-1 als Starting-Quarterback, inklusive der Playoffs, wenn sein Team mit 14 oder mehr Punkten zur Halbzeit führte (51 Siege in Folge bis heute). Die einzige Niederlage? Das AFC Championship Game 2006 gegen die Colts.
- Patrick Mahomes ist jetzt der einzige Quarterback außer Joe Flacco (Championship Game 2012), der in einem Championship Game gegen die Patriots seit 2001 drei Touchdown-Pässe auflegte. Aufseiten der Pats hält Sony Michel jetzt den Rekord für Playoff-Rushing-Touchdowns eines Rookies (5).
- Zum ersten Mal in der NFL-Geschichte gingen beide Conference Games in die Overtime. Es war die erst zweite Overtime in einem AFC Championship Game aller Zeiten. Für die Patriots war es die dritte Playoff-Overtime in der Brady-Ära und der dritte Sieg.
Der Star des Spiels: Offensive Line der Patriots
Es war ein Team-Sieg, wie aus dem Bilderbuch. Edelman war nach seinen Fehlern in der zweiten Hälfte in Overtime zur Stelle, James White war einmal mehr ein großer Teil des Motors dieses Teams, Gronk war deutlich präsenter als zuletzt und die Defense, insbesondere Kyle Van Noy, war über drei Viertel beachtlich stark. Wenn man einen Mannschaftsteil herausheben will, dann ist es aber die Offensive Line der Pats, die Brady nicht nur konstant Zeit verschaffte, sondern auch im Run Game riesige Löcher öffnete. Wenn New England den Ball laufen und Brady sauber halten kann, ist diese Offense schwer schlagbar. Genau das war hier der Fall.
Der Flop des Spiels: Tyreek Hill und Travis Kelce
Nicht ganz einfach bei diesem Spiel einen klaren Flop zu nennen. New England hatte - dazu in der Taktik-Analyse mehr - eine tolle Antwort auf die Skill-Position-Players der Chiefs; die konnten New Englands Coverages individuell viel zu selten schlagen. Tyreek Hill und Travis Kelce fingen kombiniert lediglich vier Bälle, Hill alleine hatte die Patriots-Secondary im Regular-Season-Duell noch komplett zerlegt.
Analyse Chiefs vs. Patriots: Die Taktiktafel
- Eine der spannenden Fragen im Vorfeld war die danach, wie New England seine Coverages zuteilen würde, und der defensive Plan der Pats wurde schnell enthüllt: New England behandelte Tight End Travis Kelce in Man Coverage regelmäßig wie einen Wide Receiver und setzte Cornerback JC Jackson auf ihn an. Gilmore verfolgte dann, wie im Regular-Season-Duell Sammy Watkins und gegen Tyreek Hill spielte New England verschiedene Arten von Double Coverage sehr effizient. Im Pass-Rush setzte New England auf Interior Blitzing und Aggressivität.
- Gegen Hill und Kelce versuchte New England zudem, an der Line of Scrimmage schon einen ersten Zugriff zu bekommen und den Rhythmus der Routes zu stören. Das funktionierte vor allem in den In-Structure-Plays der Chiefs gut; problematisch wurde es vor allem dann, wenn Mahomes außerhalb der Pockets Plays machen konnte (beziehungsweise musste) - und wenn Kansas City die Running Backs als zusätzliche Matchup-Waffe ins Passspiel involvierte.
- Offensiv derweil war gleich der erste Drive ein Statement: 15 Plays, 80 Yards, und jede Menge aus 22- und 21-Personnel, sowie sogar ein Snap aus 23-Personnel. Dazu im weiteren Spielverlauf Motion und ähnliche Elemente, insgesamt sehr Run-heavy und auf diesen Formationen aufbauend gelegentliche Play-Action-Shots sowie Screens und Dumpoffs zu James White - das war New Englands offensiver Game Plan, ähnlich wie im Chargers-Spiel. Dabei spielten sie auch mit ihren Personnel-Tendenzen, etwa plötzliche Run-lastige Drives auch mit James White auf dem Feld.
- Die Chiefs stellten sich in der zweiten Hälfte, vor allem nachdem die eigene Offense für Big Plays gesorgt hatte, defensiv auch um und fokussierten sich in puncto Personnel und mit den Formationen stärker auf den Run. Das öffnete aber auch zunehmend Fenster für Underneath- und Play-Action-Pässe.
- Der Pass-Rush war zu häufig kein Faktor - auch weil Brady den Ball selbst für seine Verhältnisse sehr schnell los wurde. Als das Spiel in seiner kritischsten Phase war, hatte Kansas City keine Antworten auf die Pässe zu Edelman über die Mitte.